„Du solltest das Grab deiner Eltern besuchen."
„Warum?"
„Es ist gut, sich manchmal bewusst zu sein, wo man herkommt. Gleichzeitig kannst du über das Vergangene reflektieren, indem du ihnen berichtest, was dir passiert ist."
„Mir ist so viel Schlechtes widerfahren, ich verzichte."
„Genau da liegt dein Fehler. Du konzentrierst dich nur auf das Schlechte und übersiehst so das Gute."
„Wenn du meinst."
<Ob sie recht hat?>
„Komm, Sophie, wir gehen Oma und Opa besuchen."
„Juhu"
Die Familie begab sich zum Friedhof.
„Sophie, lassen wir Papa für einen Moment allein. Ich möchte dir etwas anderes zeigen."
„In Ordnung. Kann ich dir später dein Denkmal zeigen?"
„Mein Denkmal?"
David blieb allein am Grab seiner Eltern zurück.
<Hallo Mama, Papa. Meine Frau Theresa hat mich gebeten, euch zu berichten, was vorgefallen ist. Sophie ist gut herangewachsen und ich bin mir sicher, dass sie eine gute Frau werden wird. Sie scheint sehr nach ihrer Mutter zu kommen. Ihr Mann wird wohl einiges wegstecken müssen. Sie scheint sich mit Georg gut zu verstehen. Gelegentlich gibt es zwar Uneinigkeit, aber nach einer Weile verstehen sie sich wieder gut. Theresa ist zwar an einer Krankheit gestorben, doch ist sie als Engel zurückgekehrt und weist uns beiden den Weg. Mir fällt es nach wie vor schwer, sie wirklich zu verstehen. Oft gibt sie Sachen von sich, die auf den ersten Blick keinen Sinn ergeben. So wie jetzt, warum sollte es mir helfen, mit euch zu reden?>
<Warum sollte ich auf sie hören? Wobei, mache ich es nicht ohnehin schon die ganze Zeit. Es war auch nie zu meinem Nachteil. Sie hat mir gezeigt, dass Sophie mehr mitbekommt, als ich denke. Sie hat mich daran erinnert, wie es sich anfühlt nach Hause zukommen, wenn jemand auf einen wartet. Sophie gibt mir die Kraft auch das Unmögliche möglich zu machen, wie mit dem Trinken aufzuhören. Ich war da selbst von mir überrascht. Theresa zeigte mir auch, wo ich Menschen finden kann, die mir helfen, wenn ich Hilfe benötige. Dass die Welt ein Spiegel von einem selbst ist. Sie hat mir auch einen Freund in mein Leben gebracht. Jemanden, auf den ich mich in schweren Zeiten verlassen kann. Auch wenn sie mich immer stichelt, war sie während meiner Krankheit immer bei mir. Heißt es nicht, dass sich der wahre Charakter zeigt, wenn man arm, krank ist oder jemand Nahen verloren hat? Ich denke, es ist an der Zeit, dass ich ihr vertraue. Sie ist wahrlich ein Engel und meine geliebte Frau Theresa.>
<Es gibt so vieles, das ich ihr zu verdanken habe, Mama, Papa. Ich wünschte, ihr hättet sie kennenlernen können. Wäre der Krieg nur später gewesen. Wobei, dann wäre ich nie Soldat geworden. Ich wollte nicht, dass jemand wie ich da durch muss. Dank dessen konnte ich sie erst treffen und ohne sie gäbe es Sophie heute auch nicht. Doch ich konnte Theresa nicht retten. ... Wir hatten nicht die Mittel dazu. ... Sollte ich mich wirklich mit einer Torwache zufriedengeben? Ich wollte immer beschützen. Als Soldat das Land, als Torwache die Stadt. Aber ist das genug? Habe ich nicht getötet und gestohlen in der Stadt, obwohl es Soldaten und Torwachen gab? Habe ich nicht auch Familien durch meine Taten ins Unglück gestürzt? Ist die Stadt jetzt mit meiner Abkehr ein sicherer Ort? Nein! Wenn ich die Menschen wahrlich beschützen will, muss ich das Wissen, dass ich erlangt habe, nutzen. Meine Sünden sollen nicht umsonst gewesen sein. Ich werde jeden Dieb und jeden Mörder in dieser Stadt fassen. Dazu werde ich mich meiner Vergangenheit stellen müssen und mich zur Stadtwache befördern lassen.>
David kehrte nachdenklich zu Theresa und Sophie zurück. Sie standen an einer kleinen Wiese und beteten. Theresa bemerkte seine Ankunft.
„Alles geklärt?"
„Ja, ich denke schon. Was macht ihr hier?"
„Mama hat gesagt, hier sind all diejenigen, die keinen haben. Auch die ungeborenen Kinder sollen hier begraben sein. Wir haben für sie alle gebetet."
„Wie lieb von euch."
Die Familie kehrte zurück nach Hause. David ging dabei einen Schritt hinter ihnen. Er beobachtete Theresa nachdenklich.
David stand im Büro des Vorgesetzten für die Stadtwachen.
„Du willst eine Stadtwache werden? Warum sollte ich einen Dahergelaufenen anheuern?"
„Ganz einfach."
David ging auf den Mann zu. Eine Wache hielt ihn mit einem Arm auf. David hob die Hände und machte einen Schritt zurück.
„Ihr benötigt jemanden, der sich auskennt. Sonst werdet ihr nicht alle Verbrecher erwischen."
Der Vorgesetzte stand auf und knallte seine Hände auf den Tisch.
„Willst du uns etwa vorwerfen, wir machen unsere Arbeit nicht richtig."
„Oh, ihr macht sie gewiss richtig, aber schnappt ihr wirklich alle?"
„Was willst du damit sagen?"
„Ich denke, ihr erwischt nur die, die noch unerfahren sind. Die besseren Diebe und Mörder wissen, wie sie sich vor euch verstecken. Sie agieren im Schatten weiter, während ihr im Licht sucht."
„Oh und du bist natürlich jemand, der im Dunkeln sehen kann."
„Sagen wir mal, ich habe Erfahrung."
David zeigte einen Geldbeutel. Der Vorsitzende neigte seinen Kopf fragend.
„Was zum! Hey! Wann hast du dir den geschnappt!"
Die Wache kam wütend auf David zu und entriss ihm den Beutel.
„Wie ihr seht, können eure Jungs was von mir lernen, wenn sie sich während ihrer Arbeit bestehlen lassen."
Der Vorsitzende lachte laut. Sein Opfer fand es aber gar nicht lustig und zog sein Schwert.
„Dir ist bekannt, was der Preis für Diebstahl ist? Dein Arm!"
„Lass ihn, Hauptmann, ich vergebe ihm die Tat."
„Aber Vorsitzender Rüdiger, ihr habt doch nicht vor, ihn wirklich anzuheuern."
„Er hat dir übel mitgespielt, das kann man nicht leugnen. Hör zu, David. Ich gebe dir eine Chance. Bring mir die Leute, die uns entkommen sind. Wenn du recht hast, dann kannst du einen guten Posten bei uns erwarten. Hast du aber nur heiße Luft von dir gegeben, dann werden wir hinterfragen, wo dein Wissen herkommt."
Der Vorsitzende Rüdiger schaute David warnend an.
„Ihr werdet eure Entscheidung nicht bereuen."
David ging fröhlich nach Hause. Er hatte den Job, den er wollte, bekommen. Die Familie feierte zu Hause seinen Erfolg. Alles war gut.
Als David mit Theresa allein war, starrte er sie an.
„Habe ich etwas im Gesicht?"
„Weißt du, ich habe es dir nicht wieder gesagt, seitdem du zurück bist. Theresa, ich liebe dich."
Theresas Gesicht schlief ein.
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Das schwarze Schaf - German / Deutsch
EspiritualDavid ist ein Sünder, doch er versucht, das vor seiner Tochter Sophie geheim zuhalten. Wird es ihm gelingen, oder wird sie die Wahrheit herausfinden? 40 Kapitel - 40k Wörter + Nachwort Eine Fortsetzung ist nicht geplant. Es ist mein zweites Buch, da...