#9 'Ed'

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"Hallo?", ertönt eine rauchige Stimme am Telefon. "Ed?", frage ich, obwohl ich weiß, dass er dran ist. "Ja, Hey, ich freu mich, dass du dich meldest."
"Tut mir leid, dass es so spät ist", damit meine ich die Uhrzeit, denn inzwischen ist es schon nach zehn Uhr abends. "Kein Problem, ich bin noch hellwach." Ich bleibe stumm und überlege was ich sagen kann, doch Ed nimmt mir diese Entscheidung ab.
"Hast du morgen was vor?"
"Nein", antworte ich und warte darauf, dass er weiter redet. "Lust zu mir zu kommen?"
"Ich weiß nicht genau", ich zupfe an meiner Bettdecke rum. Ich kenne ihn ja gar nicht, was wenn er ein Axtmörder ist? Ich Rümpfe meine Nase und ermahne mich, Menschen nicht vorschnell zu verurteilen.
"Nur wenn du willst! Ich habe morgen frei und ich könnte dich von der Schule abholen?", als er Schule sagt, klingt es eher wie eine Frage.
Mit einem tiefen seufzend knicke ich ein und antworte: "Oak Highschool, um 15:00 Uhr, bis Morgen dann". Damit lege ich auf und gehe mit einem mulmigen Gefühl im Bauch schlafen. Mal sehen was mich morgen erwartet.

Das Aufstehen ist eine Qual. Es ist gar nicht so wie in Filmen, mit schönen Sonnenstrahlen und Vogelgezwitscher. Also schon, aber am liebsten hätte ich denen mein Kissen an den Kopf geworfen. Absolut verspannt und hundemüde schaffe ich es, mich unter die Dusche zu stellen. Wieder prallt das kalte Wasser an meinen Körper herunter und ich verkneife mir ein Aufschreien. Diese Morgenroutine ist hart, hilft aber. Ich fühle mich wieder frisch und schaffe es sogar ein paar Toast runter zu würgen, bevor ich zur Schule gehe. Um meine Laune nicht wieder in den Keller zu schieben, ignoriere ich Jess' Kommentare und die nervende Blicke von den anderen.
"Wir machen heute was zusammen?", fragt Isaac, der plötzlich vor mir auftaucht. Er sieht gut gelaunt aus und guckt mich mit einem schiefen Grinsen an. Ich schüttle entschuldigend den Kopf und murmle: "Tut mir leid, aber ich bin heute schon verabredet." Isaacs Augenbrauen ziehen sich zusammen und nach kurzem überlegen sagt schließlich: "Wir treffen uns noch diese Woche! Und keine Widerrede, wenn es sein muss schleppe ich dich mit mir."
"Okay", sage ich lachen und wende mich zum gehen, während er mir zuzwinkert.

Ob er wohl bei jedem Mädchen so hartnäckig hinterher läuft?

Vor dem Schulgebäude gucke ich mich unsicher um. Ich finde Ed schnell, denn er lenkt fast die gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Er lehnt an seinem Motorrad und hält nach etwas Ausschau. Nein, nicht etwas, sondern nach mir. Sobald er mich entdeckt drängelt er sich durch die anderen und kommt auf mich zu. "Hey", sagt Ed und schließt mich in die Arme.
"Seid wann umarmen wir uns?", frage ich belustigt und etwas verunsichert, "Wir haben uns doch erst einmal gesehen!". Wir laufen Seite an Seite zu seinem Motorrad und es fällt mir schwer die Blicke meiner Mitschüler auszublenden. "Tut mir leid wenn ich dir zu nahe gekommen bin, aber ich hab das Gefühl, als würde ich dich schon ewig kennen, du hast was bestimmtes an dir."
Ich nehme das so hin und steige hinter Ed auf das Motorrad. "Er ist kein Axtmörder", sage ich zu mir selbst in der Hoffnung mich selbst zu beruhigen. "Hast du was gesagt?", fragt Ed und dreht sich umständlich zu mir um. "Nein, nein, alles gut!"
"Okay, dann halt dich jetzt mal gut fest", ruft er mir zu bevor das Dröhnen des Auspuffes seine Stimme verschluckt. Mit einem Ruck zischen wir vom Schulgelände runter, durch die Stadt bis zu einem kleinen Häuserblock. Ich versuche mir den Weg zu merken und entdecke mehrere Bushaltestellen, die bis zu mir fahren. Er hält vor einem winzigen Haus an und wir steigen ab. "Hier wohne ich", strahlt Ed und macht eine schwungvolle Bewegung zum Haus.
"Dann lass mal sehen." Ich trete bis zur Tür und lasse ihn aufschließen. "Hier ist die Küche, Bad, Wohnzimmer und mein Schlafzimmer" erklärt Ed. „Woher hast du das Geld für ein eigenes Haus?", frage ich und hoffe, dass ich nicht unhöflich rüber komme.
„Das ist das Haus meiner verstorbenen Großmutter", erklärt er und zieht sich seine Jacke aus. „Oh", murmle ich, „Das tut mir leid". Ed winkt ab und meint: „Das ist schon ewig her".
Es entsteht eine kurze unangenehme Stille, die ich zu überspielen versuche, weshalb ich mich in seinem Wohnzimmer umgucke. Es ist gemütlich eingeräumt und versprüht eine einladende Atmosphäre.
"Oh eine PlayStation, cool! Lass uns spielen!", rufe ich erfreut. Ich selbst habe, außer meinem Handy und Laptop, keine solche Technik. "Ich nehme aber keine Rücksicht auf dich, nur weil du ein Mädchen bist!", lacht Ed frech und setzt sich auf die Couch. "Will ich doch hoffen!"
Wir spielen endlose Stunden mit kleinen Snackpausen bis ich auf die Uhr gucke. "Ich muss nach Hause. Kannst du mich zurück fahren?", Frage ich und schwinge zugleich meine Tasche wieder über die Schulter. "Klar. Aber nur aus Mitleid, weil du so schlecht spielst!", stichelt er und und schließt die Tür hinter uns ab. Ich habe wirklich kein einziges mal gewonnen!

Keine Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt