Isaacs Point of View
Sie überraschen? Kann ich.
Ich schwänze die letzten beiden Stunden und bereite Zuhause ein Picknick zu. Die Sandwiches sehen total beschissen aus und auch das Obst ist krumm und schief geschnitten, obwohl ich mir wirklich Mühe gegeben habe. Ich verstaue alles in meinem Rucksack und ziehe mich nochmal um. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass Chloe schon längst Zuhause ist. Ich schnappe mir mein Fahrrad und begebe mich auf den Weg zu ihr. Ein kleiner Blumenladen lässt mich noch kurz einen Stop machen. Die Verkäuferin kommt mir sofort entgegen, als ich den Laden betrete. "Einen schönen Strauß Rosen für die Herzdame?", fragt sie mit einem Zwinkern. Ich lache kurz auf. "Oh bitte keine Rosen! Lieber Flieder oder so", entgegne ich. Ein Lächeln umspielt ihre Lippen und sie hebt ihren Zeigefinger. "Einen Moment".
Ich warte geduldig und schlendere schon mal zur Kasse. "Hier", die Verkäuferin kommt wieder und zeigt mir ihre Kreation. "Wir haben zwar keinen Flieder da, aber ich hab hier Lavendel und Margeriten."
"Perfekt", lächle ich und bezahle den Strauß.
Der wirklich letze Stopp, bevor ich bei Chloe bin, ist an einer Wiese. Hier blüht Flieder, richtiger echter! Ich pflücke zwei Zweige und fahre weiter. Vor ihrem Haus werde ich etwas nervös. Ich ziehe mein Shirt gerade und klingle. Es dauert nicht lange bis die Tür geöffnet wird. Doch es ist nicht Chloe die da aufmacht, sondern ihre Mutter. "Äh ist Chloe da?", frage ich. Sie runzelt ihre Stirn und schüttelt den Kopf. "Nein tut mir leid, sie ist gerade gegangen".
"Kommt sie denn bald wieder?", frage ich irritiert. "Das weiß ich leider nicht, sie hat nichts gesagt", meint sie entschuldigend. Niedergeschlagen seufze ich. "Können Sie Ihr dann die hier geben?" Ich reiche ihr den Blumenstrauß und verabschiede mich.
Ich warte bis sie die Tür schließt und krame dann mein Handy raus. Ich versuche mehrmals Chloe anzurufen, doch es springt jedes Mal sofort die Mailbox an. Frustriert fahre ich in die Stadt und laufe durch die Mall. Ich hab mir echt verdammt viel Mühe gegeben und sie ist einfach nicht da. Will sie mich wegen irgendetwas aufziehen? Oder was soll das Spiel? Sie wollte doch, dass ich heute komme.
Ich trete gegen einen Stuhl, der zu einem Eiscafé gehört. "Ganz sachte Großer", sagt jemand. Ich drehe mich um und sehe Jess. Ich habe nicht viel mit ihr zu tun, aber sie klopft auf den Platz neben sich. Ich setze mich und starre auf das mickrige Eis, das vor ihr steht. "Ärger im Paradies?", flötet sie ironisch weiter und hat keine Ahnung wie sehr sie damit ins Schwarze trifft. Ich meine, ich bin nicht mit Chloe zusammen, aber das setzt mir schon zu, dass sie mich versetzt, nachdem ich mich entschuldigen wollte. "Kann man so sagen", knurre ich und lehne mich etwas zurück. Jess guckt den Löffel an und lächelt. "Vielleicht kann ich ja helfen", sie guckt mich verführerisch an und lässt ihre Hand über meinen Arm streichen. "Und wie?", frage ich leicht gereizt, nicht wegen ihr, sondern eher wegen der gesamten Situation. Ruckartig zieht sie ihre Hand weg. Fragend schaue ich sie an, doch sie lässt sich nichts anmerken und lutscht genüsslich das Eis vom Löffel. Ich wende meinem Blick von ihr ab und beobachte die anderen Menschen in der Mall. Einige laufen gestresst herum, andere lachen lauthals und wieder andere knutschen rum. Langsam stehe ich auf. Sowas will ich nicht angucken müssen. "Muss gehen", nuschle ich und lasse Jess wieder alleine sitzen. Sie winkt mir noch zu bevor ich mich komplett abwende.
Zuhause verbringe ich den restlichen Tag damit, meine Musikanlage auszulasten, indem ich sie auf vollste Lautstärke aufdrehe. Der nächste Tag fängt scheiße an. Ich hatte von Chloe geträumt und dieser dumme Wecker muss mich natürlich aus dem Bett schmeißen. Vielleicht aber auch besser so.
In der Schule gehe ich Chloe soweit es geht aus dem Weg, doch in der Pause, als ich mich mit Freunden unterhalte, lässt sich das nicht mehr machen. Sie guckt mich mit diesem traurigen Blick an und läuft auf mich zu. Als sie bei uns ankommt giftet Jess direkt los: "Was willst du denn?".
Chloe zeigt keine Reaktion auf Jess. "Können wir kurz reden?", sie legt eine Hand auf meinen Arm und ich schüttle diese sofort ab, als hätten mich ihre eiskalten Hände verbrannt. Vollkommen bescheuert, aber die Stelle wo ihre Finger lagen, kribbelt es nun unangenehm. Ich entferne mich einen Schritt um klarer denken zu können.
"Oh Prinzessin, guck doch wie abstoßend du bist", Jess startet erneut den Versuch, Chloe loszuwerden. Ich verspanne mich. Es ist eine Sache, dass ich sauer auf sie bin, aber eine vollkommen andere, dass Jess sie so angreift.
"Es tut mir leid", flüstere Chloe leise in meine Richtung. Ihre Augen glänzen leicht und dann zieht sie sich zurück. Ich verspanne mich und versuche mein Herz im Zaum zu halten.
Jess lässt wieder ein abwertendes Wort über Chloe fallen, aber das höre ich nicht wirklich. Meine Gedanken sind woanders. Auch die nächsten Tage sind mental anstrengend.Man ich vermisse sie!
Aber das war eine kack Aktion von ihr. Ich komme mir einfach wie der letzte Depp vor, der ihr auch noch hinterher rennt. In einer kleinen Pause, als ich gerade meine Bücher holen will, sehe ich Chloe. Sie sieht kaputt und müde aus, genauso wie mein eigenes Spiegelbild.
Vielleicht sollte man doch nochmal reden.
Ich laufe ihr langsam hinterher und sie bleibt in Nähe des Ausganges stehen. Ein Typ läuft auf sie zu und redet mit ihr. Chloe schüttelt den Kopf. Er sagt ihr irgendwas und dann nimmt der Kerl sie am Arm und zieht sie leicht Richtung Ausgang. Sie dreht sich nochmal um und dann siehtsie mich. Es fühlt sich an, als würde ich sie zum ersten mal richtig sehen. Ihr innerstes Wesen, das so gebrochen ist, weil ich sie komplett wegstoße. Wir starren uns weiter an und ich will einen Schritt nach vorne machen, doch da taucht Jess neben mir auf. Sie streicht über meinen Arm. "Der Typ hat sie schon mal abgeholt. Von nahem sieht er noch besser aus", sagt sie und zieht so meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich gucke nochmal zu Chloe. Sie setzt sich gerade hinter ihn und schlingt ihre Arme um ihn.
Meine Augen verengen sich zu Schlitzen und ich wende mich Jess zu. "Heute Zeit?", frage ich knapp und ausdruckslos. Sie lächelt und haucht mir "Immer" zu.
"Ich komme um sechs bei dir vorbei", presse ich zwischen meinen Zähnen hervor und lasse den restlichen Schultag über mich ergehen. Ich fühle mich wie der Eiserne Heinrich aus dem Froschkönig, der eiserne Ketten um sein Herz gelegt hat, damit dieses nicht zerspringt. Ich weiß nicht wie Chloe mein Schwachpunkt werden konnte, aber so ist es nun. Meine verletzlichste Stelle ist jemand, auf den ich keinen Einfluss nehmen kann. Also muss ich mich schützen, vor allem vor mir selbst.
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Keine Cinderella Story
Teen FictionEin Umzug; das bedeutet eine neue Stadt und auch neue Leute. Eigentlich ein perfekter Start für einen Neubeginn, doch ganz so unbeschwert ist Chloes Leben nicht. Nach dem Tod ihres Vaters fühlt sie sich einsamer denn je, obwohl ihre Mutter und ihr...