#22 'Hormone'

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Es wird eindeutig Herbst. Als ich Zuhause ankomme bin ich von Kopf bis Fuß durchnässt. Um nicht sofort krank zu werden, mache mir unten in der Küche eine heiße Schokolade.

Ja, das hilft wahrscheinlich weniger.

In einer Decke eingekuschelt sitze ich auf der Couch und gucke nach draußen. Dieser unglaublich gemütliche Moment wird durch die Türklingel gestörte. Schweren Herzens stehe ich auf und öffne sie. "Hey", grinst ein nasser Isaac.
"Hi."
"Kann ich rein?", lacht Isaac und zieht seine Jacke und Schuhe, ohne meine Antwort, aus. Ich trete beiseite und lasse ihn die Treppe hoch laufen. "Was gibts?", frage ich schließlich. "Schlecht drauf?", erkundigt sich Isaac verdutzt. "Nein eigentlich nicht." Er hebt eine Augenbraue und fragt ernst: "Aber?". Mit einem seufzen lehne ich mich gegen meinen Schreibtisch. "Die letzten Tage waren eher semi cool. Ich hätte da einen Freund gebraucht, oder hast du nicht mitbekommen was gerade los ist?". Isaac faltet seine Hände zusammen und stützt seinen Kopf darauf ab. Nachdenklich guck er auf den Boden. "Tut mir leid", murmelt er schließlich und steht auf. Ein undefinierbarer Ausdruck ziert sein Gesicht. Es ist eine harte Fassade, die mich nicht durchblicken lässt, was er gerade wirklich fühlt. Aber im nächsten Moment ist das auch schon wieder vergessen, denn er zieht mich in den Arm und hält mich einfach fest. Vielleicht ist das seine Art von Entschuldigung. Ich weiß es nicht. Ich lausche seinem regelmäßigen Herzschlag und warte darauf, dass er was sagt, doch es kommt nichts. Stattdessen schiebt er mich Richtung Bett und nimmt mich wieder in die Arme. Immer wieder versuchen sich dunkle Gedanken in meinen Kopf zu schleichen, doch durch das Kreisen von Isaacs Fingern auf meinem Rücken werden die Gedanken immer wieder abgelenkt. Meine verkrampfte Haltung entspannt sich und ich kann endlich die Ruhe genießen. "Wie wär's, wenn wir heute was unternehmen?", frage ich nach einer Weile. Isaac brummt nur und zieht mich noch näher ran. "Wie wär's, wenn wir hier bleiben?", summt er mir verführerisch ins Ohr. Sofort breitet sich eine Gänsehaut auf meinen Armen aus. "Äh", antworte ich überaus intelligent. Isaacs Reaktion darauf ist unerwartet. Er rollt sich über mich und lacht. Ein heiteres, offenes Lachen das auch mich glücklich macht. Sein Gesicht nähert sich meinem und ich verliere mich wieder in einen Augen. Wie von selbst hebe ich meine Hände und streife ihm sanft über seine Gesichtskonturen. Er lächelnd leicht und lehnt seine Stirn gegen meine. Mein Herz pocht wie wild und etwas tief in mir will Isaac endlich küssen. Wir atmen beide leicht unregelmäßig, die Spannung ist zu spüren. Meine Hand wandert zu seinem Nacken und ich recke leicht mein Kinn nach oben. Unsere Lippen berühren sich zaghaft und dann etwas verlangender. Meine Haut ist erhitzt und ich kann nicht anders, als meine Hand über seinen Rücken fahren zu lassen. Stockend atmet Isaac gegen meinen Mund aus. Es gefällt ihm. Erneut legen sich unsere Lippen aufeinander und unsere Körper pressen sich regelrecht aneinander. Seine Hand verschwindet in meinem Haar und auch dort überzieht mich eine Gänsehaut. Dann ist die Wärme kurz weg von meinem Körper, da Isaac neben mir liegt. Mit einem bestimmen Handgriff zieht er mich jedoch auf sich. Seine Hand liegt an meinem Bein, was mich kurz aufkeuchen lässt. Mein Mund wandert von seinen Lippen zu seinem Hals. Isaac verstärkt den Druck an meinem Bein und ich muss unweigerlich Grinsen. Ich gucke ihn wieder an, seine dunklen Augen schimmerten leicht und auch er scheint etwas erhitzt. Meine Augen huschen hin und her, unsicher was ich machen soll. Doch Isaac küsst mich erneut und bringt meine Hormone fast zum überkochen. Mein Körper hat Lust; Lust auf ihn. Aber mein Kopf macht ihm da einen Strich durch die Rechnung. Ich erinnere mich an das Gespräch mit Jess. „Er will dir bestimmt nur an die Wäsche", sagte sie.
Mein Magen schnürt sich augenblicklich zusammen und ich realisierte erst jetzt, was wir da eigentlich taten. Mit hoch rotem Kopf springe ich auf, entschuldige mich stotternd und laufe so weit zurück, bis ich gegen den Schrank stolpere. Isaac seufzt laut und setzt sich auf. "Alles klar?", fragt er mit diesem belustigten Blick. Ich schüttle den Kopf, um gleich darauf zu nicken. "Sorry", murmle ich und drehe mich um. Hektisch suche ich in den den Schubladen nach einem Schal. "Ich denke mal du willst an die frische Luft?", rät Isaac richtig. "Du hast doch vorhin vorgeschlagen in den Park zu gehen", meine ich und krame einen Regenschirm aus dem Schrank.
Auch wenn das Wetter wirklich schlecht ist und der Boden mehr aus Matsch und Blättern, als aus Erde besteht, ist es angenehm zu spazieren. Isaac hält den Schirm und guckt ernst zu Boden. Jede Pfütze umgeht er sorgfältig, wobei er den schönen Herbsttag gar nicht richtig wahrnimmt. Ich stupse ihn an und erschrocken sieht Isaac mich an. Er war gab eindeutig woanders mit den Gedanken.
"Was ist los?", frage ich und halte ihm am Ärmel fest. Sein nachdenklicher Blick lockert sich etwas. Mit einem halbherzigen Lächeln meint er: "Ach nur die ganzen Hausaufgaben die ich noch machen muss." Und schon setzt er sich wieder in Bewegung und wechselt das Thema. "Hab gehört, dass du vorhin in Sport eine ziemlich gute Leistung abgegeben hast."
"Ach und wo hast du das gehört?", frage ich neugierig. Doch Isaac umgeht meine Frage mit einen Lachen. "Du hast mir gar nicht erzählt, dass du da so ein Talent hast", schmunzelt er anklagend. Seufzend fange ich an zu erklären. "Mit acht Jahren kam ich in einen Verein. Wir waren dann auch öfters auf Turnieren, aber wegen des Umzuges musste ich damit aufhören." Isaac nickt und schlägt den Weg zu einem Park ein. "Schade eigentlich."
Wegen der vielen Bäume kommen nur einzelne Tropfen durch die Blätter. Ich möchte ihn gerade nach seinen geheimen Talenten fragen, doch sein Handy klingelt. Genervt schaut er rauf und geht ran. Ab und zu kommt ein "hm" oder "aha" von ihm. Sein Blick ist verschlossen und lässt nicht durchblicken was er fühlt. "Alles in Ordnung?", frage ich als er sein Handy wieder in die Hosentasche steckt. "Klar, muss jetzt aber leider wieder nachhause." Schon dreht er um und joggt Richtung Ausgang. Und ich? Ich gehe weiter und umrunde den ganzen Park. Zuhause komme ich erst an, als es schon lange dunkel ist. Das Abendbrot verläuft still, wie der restliche Abend. Als ich dann endlich im Bett liege fühle ich mich leer. So unglaublich leer und stumpf. Mein Kopf ist wie benebelt und lässt nur dunkle Gedanken durch. Es lässt mich den Tag nochmal durchgehen, aber jeder positive Moment ist wie ausgelöscht. "Super", flüstere ich und knipse die Nachttischlampe aus.

Keine Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt