Da sitze ich nun. Es bricht gerade der nächste morgen an und ich packe die Briefe in ihre Umschläge. Meine Tränen hören nicht auf zu fallen. Mit schwacher Hand beschrifte ich das weiße Papier.
Kann ich das wirklich? Einfach gehen?
Erschöpft stehe ich auf und lege die Briefe in die oberste Schublade meines Schreibtisches. Danach schaue ich auf die Uhr.
6:52Gehe ich jetzt schlafen und gehe nicht zur Schule oder bleibe ich wach?
Ich muss lange überlegen, aber letztendlich überwiegt die Gleichgültigkeit. Wozu überhaupt in die Schule? Ich kuschle mich in meine Decke ein und schlafe schnell ein.
Mittags wache ich wieder auf, doch ich habe keine Lust zum aufstehen. Ich bleibe liegen bis abends.
Der nächste Tag ist genauso unproduktiv. Ich bleibe nur in meinem Zimmer, gehe aber kurz runter in die Küche um einen Zettel zu hinterlassen, dass ich krank bin. Ich gehe Mama aus dem Weg, Ann sowieso. Es ist unangenehm komplett isoliert zu sein. Aber ich habe zu tun. Ich muss meinen Tod planen.
„Egoistisch", sage ich zu mir selbst und verstärke den Selbsthass. Ich hasse die Person die ich bin.
Ich komme mir albern vor, als ich am Laptop nach dem besten Suizidarten google. Mir gefeiert das Blut in den Adern, als ich mir die verschiedenen Optionen vorstelle.
Wenn mich jemand tot auffindet, dann soll er nicht erstmal rätseln wer ich überhaupt bin. Außerdem will ich nicht, dass jemand mir hinterher putzen muss, also bleiben mir drei Optionen.Erhängen
Vergasen
Überdosis
Ich schlucke schwer. Das reicht mir für heute erstmal. Es ist sowieso schon wieder dunkel draußen, also lege ich mich hin.
Meine Träume sind dunkel und beängstigend diese Nacht. Sie handeln um Tod und Schmerz und Leid.Am nächsten Tag beschließe ich zur Schule zu gehen. Ich mache mich langsam im Badezimmer fertig und ziehe mich warm an. Als ich aus der Tür trete schlägt mir ein kalter Wind ins Gesicht. Es fällt mir kurz schwer zu atmen, doch ich reiße mich zusammen. In meinen Ohren liegt ein schweres Brummen, welches erst verschwindet, als ich in der Schule von einem Mitschüler direkt angesprochen werde.
„Kann ich die Hausaufgaben abschreiben?", er guckt mich flehend an.
„Hab sie selber nicht, sorry", antworte ich und gehe zur nächsten Stunde. Es fällt mir schwer mich auf den Unterricht zu konzentrieren und ehrlich gesagt weiß ich auch gar nicht wieso ich das überhaupt tun sollte. Ich meine, ich will ja eh sterben.In der Pause begegne ich Isaac. Er bleibt stehen und öffnet seinen Mund, doch diesmal bin ich es, die ihn ignoriert und weitergeht. Ein winzig kleines Lächeln umspielt meine Lippen. Ich will mit ihm reden, aber irgendwie auch nicht. Er wird seine Antworten früh genug bekommen, nur werde ich da nicht mehr da sein. Meine zynischen Fantasien überschlagen sich und es bereitet mir Befriedigung mich selber fertig zu machen.
Die nächsten Tage vergehen wie in Trance. Ich recherchiere zuhause, fantasiere in der Schule und massakriere meine Hüfte und Bauch immer mehr. „Wieso eigentlich?", ich sitze im Bad und gucke das kleine Metallstück an. „Wenn es doch eh egal ist, warum dann nicht mal Arme oder Beine?", frage ich mich selbst und hebe die Klinge zu meinem Bein an.
„Es macht doch keinen Unterschied", murmle ich weiter, doch ich schaffe es nicht mein Bein zu verletzen.
„Warum verdammt?"Vielleicht weil ich noch Hoffnung habe. Vielleicht will ich ja gar nicht sterben.
„Ich will.", sage ich betont und versuche die Zweifel abzuschütteln. Ich stöhne frustriert auf und ignoriere für heute mein Bein. Stattdessen widme ich meinem Bauch zu. Es tut weh, aber auf eine Weise tut es unendlich gut. Ich kann endlich wieder kurz durchatmen.
Die nächsten Tage ignoriere ich Isaac weiterhin. Mama versucht mehrmals mit mir zu reden, doch ich blocke ab. Das würde alles nur schwerer machen.
Ich habe mich nun auch endlich entschieden wie ich sterben will. Es klingt dämlich, wenn ich es laut ausspreche. Ich komme mir doof vor, aber ich bin fest entschlossen.Morgens nehme ich die Briefe nochmal heraus und lese sie mir durch. Ich fühle mich kalt, emotional kalt. Bevor ich gehe, fächere ich sie auf meinem Tisch aus. Es sieht schön aus.
Ich gehe zur Schule und blende alles aus. Ich fühle mich komisch. Das hier ist mein letzter Tag. Ich rede kein Wort und antworte niemanden, der mich etwas fragt.
Ich beobachte nur. Es fühlt sich fast so an, als wäre ich gar nicht da, sondern als wäre ich ein Zuschauer.Gegen Mittag fängt meine Schläfe an zu pochen. Die Welt wird mir zu laut und ich Schwänze die letzte Stunde.
Ich laufe gemächlich zur Apotheke und kaufe alle möglichen freiverkäuflichen Schmerzmittel. Danach gehe ich in den Baumarkt und betrachte verschiedene Seile. Ich greife mir eins, das besonders stabil aussieht und bezahle.Der Weg nachhause fühlt sich schwer an und zugleich unheimlich befreiend. So als wäre ich fast am Ziel bei einem Marathon.
Mir fangen an die Tränen mein Gesicht runter zu laufen. Ich bin also doch noch nicht ganz emotionslos.
Es fängt an zu regnen, aber ich bin auch schon da. Ich schließe leise die Tür auf und gehe rein.
Abrupt bleibe ich stehen, denn Mama steht da und weint. Neben ihr ist Isaac und sieht genauso aufgelöst aus. Beide halten einen geöffneten Brief in der Hand. Die restlichen liegen auf dem Tisch.Nein. Nein, bitte nein.
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Keine Cinderella Story
Teen FictionEin Umzug; das bedeutet eine neue Stadt und auch neue Leute. Eigentlich ein perfekter Start für einen Neubeginn, doch ganz so unbeschwert ist Chloes Leben nicht. Nach dem Tod ihres Vaters fühlt sie sich einsamer denn je, obwohl ihre Mutter und ihr...