#25 'Hast du gekifft?'

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Da es Wochenende ist, kuriere ich meine Erkältung gut aus. Es sind ruhige Tage, zu ruhig.
Es ist nicht wirklich gemütlich nur Zuhause zu hocken und sich mit Kopfschmerzen abzuplagen. Umso mehr freue ich mich auf die kommende Woche. Klingt vielleicht merkwürdig, aber selbst die Schule ist besser, als alleine mit seinen Gedanken zu sein.
Montags bin ich noch nicht ganz Gesund, aber es geht mir soweit gut, dass ich ohne Umwege zur Schule gehe. Das miese Herbstwetter begleitet mich, und wie ich sehe, auch die anderen. Jeder ist tief in seiner Jacke vergraben, einige schlaue Menschen haben sogar einen Regenschirm mit.

In der Schule riecht es nach nassem Hund. Es ist schwül und die Luft stickig. Die Parfümwolken der Mädchen sind weggespült und jeder guckt böse drein.
Dass auch andere mal so schlecht drauf sind, heitert mich etwas auf.

Böse Schadenfreude!

Auch die Lehrer sind geknickt wegen dem Wetter, doch nach der ersten Stunde ist alles wie immer. Der Regen hat aufgehört und die Sonne zeigt sich wieder. Aus dem Klo kommen frisch parfümierte Mädchen raus und die Regenjacken verschwinden in den Spinden.
Der Tag ist wie jeder andere; ich werde hier und da angerempelt, es kommen ein paar doofe Kommentare und der Unterricht ist Sterbens langweilig. Aber es ist ok, ich komme damit klar.
"Hey Chloe! Alles gut bei dir?", Isaac erwischt mich in der Pause, als ich gerade aus der Toilette komme.
"Ja ich denke schon", antworte ich aus dem Bauch heraus. Isaac verzieht sein Gesicht etwas. "Tut mir leid, dass ich letztens einfach so weggerannt bin. Das war ein Notfall". Ich nicke, um das Thema fallen zu lassen.
"Vielleicht kann ich das wieder gut machen", er setzt seinen Hundeblick auf. "Ich hätte heute Zeit. Überrasch mich", meine ich lächelnd und begebe mich zur letzten Unterrichtsstunde.

Als ich später zuhause ankomme, gehe ich direkt unter die Dusche. Ich zähle fest damit, dass Isaac heute noch kommt. Ich bin gerade beim anziehen, als mein Handy klingelt.
"Kannst du vorbei kommen? Jetzt?"

Das ist nicht Isaac.

"Ed", sage ich langsam, als mein Kopf wieder einsetzt. "Sofort bitte?", er klingt komisch. "Was ist los?", frage ich erneut. "Komm her", lallt er, bevor mein Handy sich selbst ausschaltet, wegen dem zu niedrigem Akku. Ich lege es auf den Schreibtisch und wickle mir ein Halstuch um. Mit einem Regenschirm im Gepäck mache ich mich los zu Ed.
Ich muss nur ein paar Busstationen nehmen und dann laufe ich die letzten hundert Meter bis zu Ed. Ich klingle an seiner Tür und augenblicklich höre ich es innen scheppern. Dann wird die Tür aufgerissen und Ed steht da. Seine Augen sind rot und schimmern.
Und er riecht... nach Gras.
"Hast du gekifft?", frage ich fassungslos. Er versucht nach mir zu greifen, aber ich bin schneller. Meine Hand krallt sich in seinen Unterarm und ich drängle mich an ihm vorbei in die Wohnung. Es herrscht das Chaos und es stinkt. Ich reiße alle Fenster auf und versuche nicht über den Müll zu stolpern.
"Jetzt aber mal raus mit der Sprache", ich stemme meine Hände in die Hüften und sehe ihn tadelnd an. Ed guckt mich nur an und stützt die Lippen. Sein Arm schwenkt aus und packt eine Glasflasche.
"Und Alkohol dazu?", frage ich murmelnd und gucke zu, wie er die letzten paar Schlucke austrinkt. Sein Gesicht verzieht sich leicht. Ich nehme ihm die Flasche weg und rieche dran. Es stinkt streng nach Desinfektionsmittel.
"Was ist los Ed?", frage ich ernst und rüttle ihn leicht an den Schultern. Er greift erneut nach mir und schafft es dieses Mal auch richtig. Er zieht mich an sich und ich sitze halb auf ihn, in einer der unbequemsten Positionen. Seine Hände halten mich stählern fest und er vergräbt seinen Kopf in meinem Haar. Er murmelt leise, so unverständlich, dass ich nichts versehe. "Ich mache mir wirklich sorgen um dich", sage ich nachdrücklich und versuche ihn anzuschauen, doch er lässt mich nicht los. Verzweifelt klammert er sich an mich und schluchzt. Es zerreißt mir das Herz ihn so zu sehen, verletzlich und gebrochen. Wir verharren so eine Weile bis er auf einmal aufspringt und mich beiseite schiebt. Mein sanfter Protest geht in dem Würgegeräuschen von Ed unter. Zum Glück ist hier der Boden halbwegs frei, denn so werden keine anderen Sachen dreckig.

Außer Ed selbst.

Als er eine kurze Pause einlegt, hieve ich ihn hoch und schleppe ihn ins Badezimmer. Vor der Toilette lasse ich ihn fallen. Ed grinst mich leicht an und wird dann ganz weiß. Schnell packe ich seinen Kopf und drücke ihn über die Kloschüssel. Die nächste Stunde ist so verdammt eklig, dass ich am liebsten sofort wieder duschen würde. Eds Mageninhalt ist jetzt wahrscheinlich komplett rausgekotzt. Ich fülle eine leere Wasserflasche und gebe sie ihm. Er steht völlig neben sich.
Als ich den Wischmopp in der Ecke stehen sehe, fällt mir das Wohnzimmer wieder ein. Dieser Akt ist auch nicht wesentlich schöner, aber so lassen wollte ich es dann auch nicht. Ed sitzt immer noch auf dem Boden, wie ein Häufchen elend. Sein T- Shirt ist beschmiert, also versuche ich ihm es auszuziehen. Das gestaltet sich als wesentlich schwerer als ich dachte, aber letztendlich schaffe ich es. Auf seinen Armen entdecke ich feine Linien, die meinen sehr ähneln. Nur leider kann ich mich damit gerade nicht beschäftigen. Nachdem ich dann noch sein Gesicht abgewaschen habe, verfrachte ich ihn in sein Bett. Er schläft schnell ein und ich könnte sicherlich nachhause gehen, doch ich mache mir Sorgen. Ich bleibe weitere Stunden da und vertreibe die aufkommende Langeweile, indem ich die Wohnung wieder etwas hinrichte. Gegen Abend schläft Ed immer noch und ich beschließe, dass es in Ordnung ist, wenn ich jetzt nach Hause gehe.

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