Aufzustehen ist eine Qual. Besonders wenn sich die Gedanken sofort um die Schule drehen. Und natürlich nicht an das positive, sondern an all die grausamen Dinge, die dort passieren könnten. Halbherzig schaffe ich es mich aus dem Bett zu hieven und zur Schule zu gehen. Ich gucke starr auf den Boden und versuche so mein Umfeld auszublenden. Leider bemerke ich dadurch zu spät einen Mittschüler und laufevon hinten in ihn rein. Isaac dreht sich mit grimmigem Gesicht um, seine Miene hellt sich jedoch sofort auf, als er mich erkennt.
"Stürmische Begrüßung, hm?", grinst er mich an. Mein Mund klappt auf und wieder zu. Nochmals setzte ich zum sprechen an, doch es kommt nicht mehr als ein "huh" raus.
"Wir machen später was zusammen!", lacht Isaac und schiebt mich den Gang entlang. "Und was?", frage ich. "Park", antwortet er knapp und schon stehe ich im Klassenraum. Ein Blick nach hinten verrät mir, dass ich nun auf mich allein gestellt bin. So unauffällig wie möglich, schlängle ich mich durch die Tische.
"Hier sitze ich", sagt ein Junge kurz darauf und tippt auf die Tischplatte. "Oh sorry", sage ich leise und setze mich einen Platz weiter. Doch wieder kommt jemand an und fordert "seinen" Platz ein. Das selbe Spiel geht so lange weiter, bis ich es leid bin. Stur bleibe ich sitzen und gucke aus dem Fenster. "Hallo? Hörst du mich?", fragt das Mädchen vor mir erneut. Doch mein Blick schweift weiter über das Gelände. Nach ein paar Minuten gibt sie auf und lässt mich in Ruhe. Natürlich nicht aus freien Willen, denn als ich aufschaue, sehe ich den strengen Blick den Lehrers auf dem blonden Mädchen. Dann schaut er mich an, seine Lippen zu einer strengen Linie gezogen und sagt nichts. Er wendet seinen Blick wieder ab und fängt an über das nächste Sozialkunde Projekt zu reden.
"Ihr sollt alleine oder zu zweit einen Vortrag halten, das Thema wird per Losverfahren bestimmt und ist jeweils doppelt vergeben. Am besten sucht ihr euch jetzt einen Partner, damit wir das Formale hinter uns haben", sagt er leicht genervt. Sofort springen alle auf und reden durcheinander. Nur ich bleibe still sitzen und kritzle auf meinem Block rum. Jeder scheint in Teamwork zusammen arbeiten zu wollen. Alle, außer ich. Ehrlich gesagt macht es mir nichts aus, mich alleine auf ein Thema vorzubereiten. Das ist meist entspannter als wenn man sich immer und immer wieder mit dem Partner treffen muss um voran zu kommen.
Als nächstes werden die Gruppen aufgeschrieben und anschließend die Themen ausgelost. Sie sind alle verschieden, aber haben alle einem gemeinsamen sozialen Aspekt. Mir wird das Thema "Schubladendenken" zugeteilt. Mit einem kleinen Grinsen notiere ich das Datum, bis wann ich es fertig haben muss.
Trotz des aufregenden Anfang, geht der Unterricht leider wie gewohnt weiter. Aber auch das stört mich nicht. Wenigstens muss ich nur den monotonen Vortrag über mich ergehen lassen und habe somit halbwegs meine Ruhe. Die Stunde zieht sich ins unendliche, geht dann aber doch endlich vorbei. Auf dem Weg zur Sporthalle begegne ich Isaac. Ich will ihm gerade zuwinken, doch er guckt starr auf den Boden und rauscht an mir vorbei. "Spinnen doch alle", sage ich leise zu mir selbst und setze mich wieder im Bewegung.
Die Umkleiden sind klein und müffeln. Statt mich zu beschweren wie jeder andere, zieh ich mich schnell um, damit ich dort wieder rauskomme. Wir haben getrennt Sport, was das ganze aber nicht besser macht. Ich höre das tuscheln schon von weitem und heute macht es mich wieder mal traurig. Kichernd setzen sich die Mädchen auf eine andere Bank.Ja, Hauptsache nicht neben dem Freak sitzen.
Mein Blick huscht kurz über die Klamotten der anderen und dann wieder zu meinen eigenen. Jogginghose und ein zerlöchertes T-Shirt ist wohl nicht ganz so angesagt. Neben den anderen sehe ich aus wie ein Sack Kartoffeln. Und das ist mein ernst! Meine Klamotten sind weit und schlabberig, wo hingegen Jess zum Beispiel super enge Pants trägt und ein süßes Top. Es sieht um einiges besser aus, als mein Outfit und ist auch noch Sporttauglich! Ich kann ihr keinen Vorwurf machen, sie sieht einfach Klasse aus. Diese Traurigkeit und der Neid richten sich ganz allein gegen mich selbst.
"Nun aber genug gequatscht!", ruft die sportliche Frau. "Lauft euch ein paar Runden ein und dann geht es weiter mit Turnen." Ich trotte den anderen hinterher und drehe so meine Runden, bis mir tatsächlich warm wird. Nach kurzem Dehnen stelle ich mich neben die anderen. "Wer möchte die erste Übung vormachen?" Sofort schnellen lackierte Hände hoch. "Na dann los Jess. Vorwärtsrolle, Flugrolle und halbe Drehung", gibt sie die Anweisung. Jess betritt die Matte und setzt ihr Siegerlächeln auf. Wie zu erwarten führt sie die Übung perfekt auf. Es kommen weitere Übungen, die nacheinander vorgetragen und besprochen werden. Nur bei der letzten gibt es keinen Freiwilligen. Aber wie der Zufall so will, muss ich genau in diesem Moment niesen. "Ah Chloe! Wie schön, dass du dich bereit erklärst", ruft die Sportlehrerin erfreut. Keine Ahnung wie ein Niesen eine Meldung sein kann, aber in Ordnung. Ich betrete die Matte und lasse mir die Übungen noch einmal sagen. "Handstand abrollen, Anlauf, Flugrolle, Radwende und Handstandüberschlag." Ich höre das Kichern von Jess im Ohr. Eindeutig ist sie davon überzeugt, dass ich das nicht kann. Ich hole tief Luft, drehe mich kurz zu ihr und grinse sie leicht an. Anscheinend verwundert sie meine gute Laune, was mir ein noch größeres Lächeln ins Gesicht jagt. Ich konzentriere mich wieder auf meine Übung. Ich spanne meinen Körper und beginne mit dem Handstand. Einige Sekunden halte ich, bis ich mich abrolle und mit schwing die Rolle vollführe. Das Rad kommt schnell hinterher und dann stehe ich da, nehme Anlauf und komme zum letzten Teil der Übung. Grinsend blinzle ich zu Jess. Ihre Augen sind zusammengekniffen und ihre Stirn gerunzelt. Das hat sie eindeutig nicht erwartet. "Gut, dann stellt euch mal selbst eine Übung zusammen. Diese wird nächste Woche benotet", so unterbricht unsere Sportlehrerin den giftigen Blickkontakt zwischen Jess und mir. Empört reden einige auf die Lehrerin ein.
Kann ich verstehen, es ist wirklich etwas wenig Zeit zum üben. Aber damit möchte ich jetzt nicht meine Zeit verschwenden. Ich gehe rüber zu den Haufen an Blättern, wo verschiedene Übungen erklärt sind. Schnell erstelle ich mir im Kopf einen Plan und ziehe eine Matte zu mir. Auch die anderen haben eingesehen, dass sie die Zeit sinnvoll nutzen sollten und so vergeht diese Sportstunde recht schnell vorbei. Da wir vor dem nächsten Unterricht noch eine Stunde Pause haben, ist duschen angesagt. Und so schlimm es sich auch anhört, die Duschen sind extrem sauber und neu. Einigermaßen erfrischt schlüpfe ich wieder in meine Alltagsklamotten. Während viele noch die Spiegel blockieren und ihr Gesicht überprüfen gehe ich über den Schulhof. Da es aber genau jetzt anfängt zu Regen, stelle ich mich im Haupthaus unter. Leider auch der Rest meines Jahrgangs. Ich stöpsle meine Kopfhörer ein und blende so den restlichen Schultag aus. Als ich dann nach Hause kann, regnet es immer noch. Eilig laufe ich über den aufgeweichten Boden. Die Pfützen werden immer größer und dichter, genauso wie die Laubbäume an den Straßenrändern.
DU LIEST GERADE
Keine Cinderella Story
Fiksi RemajaEin Umzug; das bedeutet eine neue Stadt und auch neue Leute. Eigentlich ein perfekter Start für einen Neubeginn, doch ganz so unbeschwert ist Chloes Leben nicht. Nach dem Tod ihres Vaters fühlt sie sich einsamer denn je, obwohl ihre Mutter und ihr...