#47 'Küssen'

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Mama hat Angst mich heute Nacht alleine schlafen zu lassen. Sie besteht darauf, dass ich in ihrem Bett schlafe.
„Nein!", protestiere ich.
„Ich kann heute bei ihr bleiben", schlägt Isaac vor, der nun auch wieder im Wohnzimmer steht. Mama überlegt und guckt mich dann an. Ich nicke zögerlich, „Wenn es dir nichts ausmacht". Isaac guckt mich aufmunternd an und lächelt.
Wir gehen nach oben und ich mache das Licht an. „Möchtest du reden oder lieber dich ablenken", fragt Isaac vorsichtig. „Ablenken", sage ich und lege mich ins Bett. Er setzt sich zu mir und greift nach dem Buch von meinem Nachttisch.
„Soll ich dir vorlesen?"
„Mh ja", ich ziehe die Decke über mich und höre ihm gespannt zu. Irgendwann muss ich eingeschlafen sein, denn Isaac weckt mich auf und hält mir einen Teller mit Nudeln hin. „Abendbrot", zwinkert er mir zu und setzt sich neben mich. Wir essen im Bett und Isaac bringt später die Teller wieder in die Küche.

„Wie geht es dir?", Isaac kann mich nicht direkt angucken und ich ihn auch nicht.
„Ich weiß es nicht genau. Ich fühle mich unwohl", sage ich.
„Inwiefern?"
„Die Situation", erkläre ich kurz. Er nickt und fragt ganz leise: „Wolltest du dich wirklich umbringen?". Ich schlucke und nicke leicht. Isaac runzelt die Stirn und ergreift meine Hand. „Warum?"
„Das kann ich nicht erklären", ich seufze und lehne mich zurück. „Können wir einen Film gucken?"
Isaac ist nicht zufrieden mit der Antwort, doch er lässt mich für heute in Ruhe. Er holt den Laptop und schaltet ihn ein. Ich lasse mich mit den grellen Bildern beduseln und schlummere schnell ein.

Es fühlt sich komisch an am Frühstückstisch mit Mama und Ann und Isaac zu sitzen. Selbst Ann spürt, dass irgendwas anders ist und bleibt heute ruhig. Es ist still und unangenehm. Ich halte die Stille nicht mehr aus.
„Ich gehe gleich in die Mall", sage ich und kaue an meinem Brot. Ich halte es hier nicht mehr aus. Mama sieht unzufrieden aus und tauscht besorgte blicke mit Isaac. Er legt mir eine Hand aufs Bein und drück es einmal. „Ich komme mit", meint er und zwinkert mir zu.

Mein persönlicher Babysitter.

Wir fahren mit dem Fahrrad in die Stadt und reden nicht viel. Ich kann sehen, wie überfordert Isaac ist. Er guckt immer wieder überprüfend zu mir. Es nervt. Ich kaufe mir ein Eis und setze mich hin. Isaac folgt mir auf Schritt und Tritt. Seufzend lehnt er sich an einen Stuhl. „Es tut mir leid", sagt er, „Ich hätte dich ausreden lassen sollen, aber ich habe es nicht getan".
„Hätte es denn etwas geändert?", frage ich.
Er fährt sich mit der Hand durchs Haar. „Keine Ahnung. Aber ich wäre vielleicht nicht so übertrieben wütend gewesen".
Ich nicke. „Jess hat gesagt, dass ihr miteinander geschlafen habt", meine ich ohne Vorwurf. Isaac sieht mich nachdenklich an. „Nein, nein das haben wir nicht".
„Cool", ich lecke weiter an meinem Eis. Es tropft auf meine Hand und ich lecke auch diese ab.
„Hör zu Chloe. Ich weiß nicht was wir sind, aber es hatte mich völlig aus der Bahn geworfen, dass du anscheinend mit diesem Typen geschlafen hast", Isaac sieht nervös aus.
„Habe ich aber nicht".
Er beißt sich auf die Lippe, „Kannst du mir trotzdem nochmal genau erzählen, was genau bei euch war?".
Ich hebe eine Augenbraue, „Ziemlich frech".
Wir lachen beide leise und ich stehe auf. „Ich muss mir kurz die Hände waschen".

Das Einkaufszentrum hat extrem saubere Toiletten. Ich drehe den Wasserhahn auf, schäume meine Hände mit Seife ein und wasche sie gründlich. Mit blitzenden Händen laufe ich zurück zu Isaac. „Und jetzt?", fragt er. „Shoppen", ich zwinkere ihm zu und hake mich in seinem Arm ein. Ich versuche mich so gelassen wie möglich zu geben, aber die Situation ist und bleibt angespannt.

Mama ist sichtlich erleichtert, als wir mit mehreren Einkaufstüten zurück kommen.

„Machst du eine Modenschau für mich?", fragt Isaac breit grinsend. Ich lache laut auf: „Das hättest du wohl gerne."
„Absolut", murmelt er, springt auf und stellt sich direkt vor mich. „Das hätte ich wirklich sehr gerne". Er nimmt eine Haarsträhne von mir in die Hand und betrachtet sie. Dann guckt er wieder mich an. „Weißt du, was ich jetzt wirklich gerne machen würde?", fragt er und guckt mir tief in die Augen. Ich schüttle den Kopf, obwohl ich es mir denken kann.
Er lehnt sich nach vorne und flüstert in mein Ohr: „Ich würde dich jetzt verdammt gerne küssen". Meine Haut fängt an zu kribbeln und ich lege meine Hände an seine Seiten. „Dann tu es doch", sage ich leise. Isaac lacht und und zieht mich näher ran.
„Gut", er guckt mir tief in die Augen und schließt sie dann. Seine Lippen sind weich und warm. Er küsst gut, sanft und süß. Ich lege meine eine Hand auf seine Schulter und die andere in seinen Nacken. Und dann ziehe ich ihn ruckartig näher ran. Er lacht auf und lässt seine Hand über meinen Rücken streichen. Es kribbelt überall wo er mich berührt.
Ich muss seufzen und löse meine Lippen von seinen, um sie auf seinem Hals zu platzieren. Isaac brummt zufrieden. Meine eine Hand gleitet über seinen Oberkörper bis runter zum Saum seines Shirts. Vorsichtig gleite ich runter und fahre über seine warme Haut. Isaac nimmt meinen Kopf in die Hände und küsst mich wieder, während ich bei ihm auf Erkundungstour gehe. Meine Finger schwitzen leicht und ich muss ein bisschen schmunzeln. Diese Art der Ablenkung tut gut. Isaac hebt eine Augenbraue und zieht sich schließlich sein T-Shirt über den Kopf. Ich versuche nicht all zu sehr zu starren, aber ich kann es nicht vermeiden. Ich lege meine Hand auf seine Brust und fahren den Konturen seines Körpers entlang. Er ist einfach so schön.
„Darf ich?", fragt Isaac. Seine Hände liegen an meinem Pulli. Ich schüttle meinen Kopf, lege seine Hände aber unter meinen Pullover. Er streicht sanft über meine nackte Haut und scheint konzentriert, als er über meine Narben und frischen Wunden fährt. „Tut das weh?", fragt er und ich verneine. Seine Hände erkunden weiter meinen Oberkörper, ohne dass seine Augen folgen. So ist es angenehmer für mich.
Ich zittere leicht bei seiner Berührung. Er lächelt mich an und schiebt mich zum Bett. Ich lege mich hin und wir küssen uns wieder.
Es ist wirklich schön. Sanft und ruhig, aber gleichzeitig auch aufregend.Ich muss lachen und auch Isaac hat ein breites Grinsen im Gesicht. Doch als ich etwas weiter gehen will, hält mich Isaac zurück. „Das wäre momentan vielleicht nicht so gut", meint er, „Du bist gerade recht impulsiv."

Bin ich das?

Aber Isaac hält an seiner Entscheidung fest und belässt es beim kuscheln, was ich auch schön finde.

Keine Cinderella StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt