Kapitel 4 - Henri

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Es sind viele Leute hier. Alle sehen gleich aus. In engen Skinny-Jeans, dicken Regenjacken, Wanderrucksäcken und -schuhen. Ich fühle mich alleine. Als wäre ich die einzige, die anders ist. Aber mein Blick hängt nur an ihr. Dem anderen Mädchen gegenüber von mir. In ihrer schwarzen Cargo-Hose und dem Oversized-Shirt sticht sie auch aus der Menge heraus. Wir sind also schonmal zwei. 

Nur fürchte ich, dass ich trotzdem mit ihr keine neue Freundin finden werde. Es scheint, als sei sie mit dem anderen Mädchen, was gerade bei ihr war, ziemlich gut befreundet. Dann muss ich das mit dem Freundinnen Finden wohl bei den anderen gleichaussehenden Mädchen probieren. 

Oder eher nach Jungs Ausschau halten. Dafür, dass dieses Camp für Jungs und Mädchen ist, sehe ich nämlich noch keine. Ich hoffe, die Jungs hier sind nicht so naturverliebt wie die ganzen Mädchen... Ich hoffe auf Jungs mit Style. Wenn die dann auch noch nett sind, vergesse ich Adrian ganz schnell. Hoffentlich.

  »Ich wünsche dir viel Spaß, Henri!« Mama umarmt mich und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Ich werde rot, aber traue mich nicht, meiner Mutter zu sagen, wie peinlich sie gerade ist. 

»Ich dir auch. Du wirst bestimmt eine tolle Zeit haben«, verabschiedet sich auch mein Vater von mir. Zum Glück hat er es nicht so mit Küsschen, sodass ich bei ihm keine Angst vor Peinlichkeiten haben muss. 

Meine Eltern verschwinden im Auto, winken mir noch einmal zu, dann biegen sie vom Parkplatz und verschwinden im Wald. Ich bin auf mich alleine gestellt. Nur ich, die tausenden Naturmädchen und das Cargo-Hosen-Mädchen. Ob das was wird? Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr. 

»Alles klar, dann kommen wir mal alle zusammen«, erklingt eine Stimme vor einer der Hütten. Sie sind aus Holz und können mit fünf Leuten gefüllt werden, wenn ich mich recht erinnere. 

Aufgeregt drehen sich alle Skinny-Jeans-Natur-Girls zu der Ebenfalls-Skinny-Jeans-Natur-Frau um und lauschen jedem einzelnen Wort von ihr. Auch das Cargo-Hosen-Mädchen und ich haben uns bei den anderen eingeordnet. 

»Mein Name ist Nina und ich leite dieses Camp zusammen mit meinem Freund Wolfgang.« Natur-Nina deutet auf Wander-Wolfgang. Es ist ein Tick von mir, jeder Person immer sofort einen verrückten Namen zu geben, aber irgendwie hilft es mir dabei, meine Schwäche im Namen Merken zu überwinden. 

»In diesem Camp lernt ihr alles, vom einfachen Leben ohne Häuser und somit auch ohne Badezimmer, bis hin zu allen Tipps zum Überleben in der Wildnis.« Ich sehe mich um. Inzwischen erblicke ich auch ein paar Jungs, die allerdings alle der Kategorie naturverliebt und wandersüchtig einzuordnen sind. Aber vielleicht kommt ja doch noch einer mit Style. 

»Wir fangen erstmal an mit der Anwesenheitsliste« Es ist ja wie in der Schule! Natur-Nina geht die Liste durch und die ersten Namen sind den Skinny-Jeans-Natur-Girls zuzuordnen. 

»Charlotte Wiedemann?« Cargo-Hosen-Charlotte meldet sich. Charlotte heißt sie also. Ich hätte alles erwartet, aber nicht Charlotte. Mit Charlotte verbinde ich ein junges, schüchternes Mädchen in Skinny-Jeans und Bluse, und nicht sie

»Hier«, kommt es von Cargo-Hosen-Charlotte. Hoffentlich hat sie einen Spitzname, denn Charlotte passt echt nicht zu ihr. Ich meine, ich kenne sie nicht, aber vom ersten Eindruck. Ich mag ihren Style, er ist mir sofort aufgefallen. Nicht so wie alle andere, nicht so wie... ich. 

Sie sprengt Trends und Klischees. Ich mag dieses Eigene. Sie lässt sich von niemandem etwas sagen, weil sie ihren eigenen Style schon lange gefunden hat. Ich wünschte, dass könnte ich auch über mich sagen. Ich falle nicht auf. Ich bin eben wie alle anderen. Weite Jeans, bauchfreies Top, lange Haare, geschminkt, aber das ist Charlotte nicht. 

The Summer Of Our Lives - Henri und CharlieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt