»Ich habe schon jetzt keine Lust mehr!«, stöhne ich nach den ersten Metern. Wir sind schon jetzt Mitten im Wald und wie erwartet sieht alles gleich aus. Trotzdem staunen die Natur-Mädchen, als hätten sie noch nie in ihrem Leben Bäume gesehen. Es ist so albern, aber doch so lustig.
»Oh mein Gott, schau dir das mal an!«, mache ich ein Mädchen vor uns nach. Charlie lacht und auch ich muss grinsen.
»Ist es nicht phänomenal zu sehen, was die Natur uns alles bietet?«, führe ich fort. Ich gluckse. Dieses Wort. Phänomenal. Ich glaube, ich habe es bis jetzt noch nie benutzt.
»Wirklich! Nur schade, dass die Fete heute Abend nicht draußen ist.«, kommt es wieder von ihr. Wir müssen beide laut loslachen und können uns kaum noch halten. Es ist so schön und lustig mit Charlie, dass ich jeden Tag wandern gehen könnte.
»Aber im Ernst, freust du dich auf die Party?«, fragt Charlie, nachdem wir uns wieder etwas eingekriegt haben. Die Natur-Mädchen sind ein gutes Stück vor uns und wir dackeln hinterher, als wären wir noch nie wandern gewesen.
»Na ja. Ich stelle es mir schon ganz lustig vor.« Sie macht eine kurze Pause. »Als Abschied.« Charlies Blick schwankt zu mir. Ich weiß genau, was sie meint. Ich weiß auch nicht, wie das weitergehen soll mit uns. Ich mag Charlie wirklich. Ich will nicht, dass morgen alles vorbei ist. Wir haben nur noch heute und morgen den Vormittag zusammen. Das zu wissen, tut so weh. Ich würde so gerne noch tausende weitere Tage hier mit Charlie verbringen. Ich will nicht, dass alles so schnell vorbei geht. Ich will, dass es für eine lange Zeit ist. Unendlich.
»Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sage, aber es ist echt schön hier.«, sage ich. Charlie sieht mich mit einem angewiderten Blick an. »Also nicht der langweilige Wald.« Ich lache. »Ich meine, das Camp generell.«
»Ach so.« Charlie grinst. »Das stimmt. Ich hatte eigentlich keine Lust hierauf. Meine Mom hat mich angemeldet, weil sie mir eine Auszeit gönnen wollte.«
»Ich wollte eigentlich mit einer Freundin hierhin, aber der ist ihr Freund anscheinend wichtiger.« Ich habe keine Lust, meine Gedanken an Jenny zu verschwenden. Ihr scheint unsere Freundschaft nicht so wichtig zu sein, was ich echt bescheuert finde. Man stellt doch die Beziehung nicht über alles andere! Die Familie und Freunde sind doch immer noch wichtig. Das verschwindet doch nicht.
»Das ist doch bescheuert.«, stimmt sie mir zu. Ich nicke.
»Würdest du deine Beziehung über alles andere stellen?« Ich weiß, diese Frage ist persönlich, aber es interessiert mich. Ich habe viel Zeit und ohne Charlie hätte ich total viel Langeweile. Wir können über so unglaublich viele Dinge reden und ich glaube, uns würde niemals der Gesprächsstoff ausgehen.
»Nein! Klar, ich würde viel Zeit mit meiner Freundin verbringen, aber es gibt doch immer noch auch meine anderen Freunde und Familie und die sind doch mindestens genauso wichtig!«, antwortet sie, während sie einen kleinen Stein wegtritt. Neben uns liegt der Fluss, in dem Charlie und ich uns gestern Abend gewaschen haben. Allein beim Gedanken daran kribbelt es wieder in meinem Bauch.
Es ist so unglaublich schön, einfach Zeit mit Charlie zu verbringen und zu wissen, dass sie da ist. Hier. Bei mir. Auch wenn sie das morgen Mittag nicht mehr sein wird. Mir graut es jetzt schon vor diesem Abschiedsmoment. Ich hasse Abschiede. Ich werde dann immer so emotional und heule all die Tränen, die ich sonst zurückhalte. Schön peinlich wird das dann immer bei Klassenfahrten...
»Das sehe ich genauso.«, stimme ich ihr zu. Eine Frage in mir will ich die ganze Zeit herausbringen, aber ich traue mich doch nicht so richtig. Jetzt oder nie, Henri, du hast nicht ewig Zeit. Das stimmt. »Hattest du schonmal eine Freundin?«, frage ich also. Es ist eine Überwindung, das zu sagen, aber als ich diese Worte heraus gebracht habe und Charlie gar nicht komisch reagiert, bin ich erleichtert.
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The Summer Of Our Lives - Henri und Charlie
Jugendliteratur»Ich fühle mich gut bei ihr. Ich fühle mich richtig. Perfekt so, wie ich bin. Dieses Gefühl hatte ich noch nie bei irgendjemandem« Henri und Charlie sind so verschieden, wie zwei Mädchen nur sein können. Henri liebt es, sich zu stylen und mit ihren...