Kapitel 5 - Charlie

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Lou. Lou, Lou, Lou, Lou. Ein anderes Wort gibt es in meinem Kopf nicht mehr. Seit sie mich zum Abschied umarmt hat, schwebe ich auf Wolke sieben, obwohl ich weiß, dass mich früher oder später die Trauer wieder überrollen wird. Gerade gibt es nur sie. Wie sie ihre weichen, warmen Hände an meinen Rücken gelegt hat und ich ihre Brüste an meinen gespürt habe. Dieses Kribbeln in meinem Bauch und das Bedürfnis, sie so nah bei mir zu haben, dass wir uns für immer berühren. Ihre Lippen an meinen. Sie und ich. Vereint. 

Stop, Charlie, kehre ich wieder in die Realität zurück. Es hat nichts zu bedeuten und war nur freundschaftlich. Zumindest für eine von uns. Und trotzdem versinke ich in der Erinnerung an ihren Geruch. Er erinnert mich an Sommer, Meer und Eiscreme. Wie kann man nur so verdammt gut riechen? Mein Rücken kribbelt noch immer an der Stelle, wo sich vorhin ihre Hände befunden haben und das Herz pocht kräftig in meinem Brustkorb. 

Bestimmt zehn Minuten ist es her, dass Lou mich umarmt hat, aber noch immer denke ich nur daran. Ich bin so verliebt und in Gedanken eingetaucht, dass ich vorhin doch tatsächlich überlegen musste, wie ich denn heiße, als mich Henriette gefragt hat. Obwohl sie mir so freundlich zugelächelt hat, habe ich es nicht geschafft, es wirklich wahrzunehmen und zurückzulächeln. Nur Lou existiert gerade für mich. Als wäre sie der einzige Mensch in diesem Universum. Es fühlt sich frei an, aber mir wird immer mehr klar, dass mich die Trauer bald einholen wird.

Henriette oder Henri – ich war so in Gedanken, dass ich nicht weiß, wie sie genau heißt – richtet ihren Schlafsack neben meinem. 

Ihre weite hellblaue Jeans bedeckt die weißen Nike Air Force. Dazu trägt sie ein schwarzes, bauchfreies Top. Mit anderen Worten: Sie sieht exakt so aus, wie alle anderen. Auch ihr Gesicht ist ziemlich geschminkt. Definitiv nicht mein Fall. 

»Alles okay bei dir?«, kommt es von ihr. Redet sie mit mir? Ich sehe kurz auf. Ja, sie sieht mich erwartungsvoll an. Ihre welligen schwarzen Haare lösen sich immer mehr aus dem Pferdeschwanz, was ihr... irgendwie steht. Auch wenn ich es nicht zugeben will. 

»Klar«, nicke ich nur. Ich muss ja nicht sofort zugeben, dass ich seit dieser Umarmung an nichts anderes mehr denke. Lou und ich. So nah aneinander. Gott, ich wünschte, ich hätte sie niemals losgelassen. Sie, für immer in meinem Arm. So nah waren wir einander noch nie. Ich kann nicht sagen, warum sie mich umarmt hat, aber was ich sagen kann, ist dass es für sie wahrscheinlich nicht halb so schön war, wie für mich. Für Lou war es wahrscheinlich einfach nur eine freundschaftliche Umarmung, bei der sie rein gar nichts gefühlt hat. Für mich war es jedoch so viel mehr. 

Ich kann das Gefühl nicht vertreiben, dass es keine Bedeutung hatte, denn für mich hatte es verdammt nochmal eine große. Unsere erste Umarmung. Nur das Mädchen meiner Träume und ich. Was will ich mehr? Okay, da fällt mir so einiges ein. Dass sie mich auch liebt. Dass ihr die Umarmung genauso viel bedeutet. Dass sie auch die ganze Zeit an mich denkt und doch bisexuell ist. Aber das ist alles nicht echt. Ich weiß nicht, wen sie jemals mochte und ob sie gerade jemanden mag, aber ich weiß, dass ich diese Person niemals sein werde. 

Nur weil ich ein Mädchen bin. Weil ich ein scheiß Mädchen bin. Ich wünsche mir gerade so sehr, ein Junge zu sein. Einfach, weil ich dann die Chance hätte, eine Beziehung mit dem Mädchen meiner Träume zu führen und weil ich auf Mädchen stehen dürfte, ohne dass es immer noch Leute gibt, die das ekelhaft und komisch finden. 

Ich kann keinen Tag nicht an Lou denken. Ich kann keinen Tag nicht weinen wegen ihr. Es geht einfach nicht. Ich kann nicht sagen wie, aber irgendwie hat sie es geschafft mein Herz zu erobern, sodass ich sie einfach nicht vergessen kann, obwohl ich doch die Wahrheit kenne. Wann hört das auf? Wann kann ich wieder lächeln, ohne dass es fake ist und abends einschlafen, ohne erstmal eine halbe Stunde weinen zu müssen? 

The Summer Of Our Lives - Henri und CharlieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt