Kapitel 28 - Henri

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Zu den Klängen von Simple Plans Summer Paradise treffen langsam die ersten Eltern ein. Der Parkplatz füllt sich immer mehr und einige verschwinden, nachdem sie ihre Eltern erblickt haben. 

Mein Herz beginnt, immer schneller zu schlagen. Ich bin nur noch wenige Minuten von meinem Outing entfernt. Ich werde immer nervöser. Charlies und meine Eltern sind noch nicht da, aber wie gespannt sitzen wir nebeneinander auf einer der Bänke an den Tischen. 

»Bist du sehr nervös?«, fragt mich Charlie. Ich nicke stürmisch. Ich glaube, ich hatte noch nie so große Angst, meine Eltern zu sehen. Man hört schließlich immer mal wieder, dass Leute nicht akzeptiert oder gar rausgeschmissen aus dem ihrem Elternhaus werden, nur weil sie nicht heterosexuell sind. Ich habe echt Schiss, dass das bei mir auch eintrifft. 

»Das geht schon gut. Man macht sich oft viel zu viele Gedanken.«, meint sie, lächelt mich an und streicht sanft mit ihrer Hand über meinen Oberschenkel. 

Wir haben einen guten Platz, um einen Großteil des Parkplatzes zu sehen, der sich hinter der Hütte von Nina und Wolfgang befindet. Bis jetzt erblicke ich nur Autos, die definitiv nicht zu meiner Familie gehören. 

»Du schaffst das schon, Henri. Soll ich dabei sein?« Ich nicke stürmisch und Charlie grinst. Dann fährt unser Auto um die Ecke. Ich erkenne sofort den dunkelblauen Lack und mein Herz beginnt, loszurasen. 

»Da sind meine Eltern.«, sage ich und ich glaube, ich habe noch nie so viel Panik in meiner Stimme gehabt, wie gerade. 

»Na los, bringen wir es hinter uns.« Charlie greift meine Hand, lässt sie dann aber unsicher wieder los. »Soll ich deine Hand halten oder lieber nicht?«

»Ich will nicht, dass sie es wissen, bevor ich was sagen kann, also lieber nicht.«, erwidere ich, auch wenn ich liebend gerne besonders in dieser schwierigen Situation meine Freundin bei mir spüren würde. Aber ich weiß auch so, dass sie da ist. Und mich unterstützen wird. 

Wir steuern nebeneinander auf den Parkplatz zu, wo meine Eltern gerade aus dem Auto steigen. Auch meine kleine Schwester haben sie mitgebracht. Auf ihren strahlend blonden Engellöckchen – auf die ich mit meinen dunkelbraunen Haarpracht oft neidisch bin – sitzen pinke Kopfhörer. Sie trägt ein ebenfalls pinkes Shirt und eine Glitzerleggings. Die richtige Prinzessin eben. Nur ihre kurzen Haare passen nicht zu ihrem Prinzessinnen-Lock. Auch wenn sie großen Wert darauf legt, immer als Mädchen erkannt zu werden, liebt sie ihre kurzen Haare. Auch heute sind die voll mit Haarspangen. 

Meine Schwester winkt mir sofort zu und kommt auf mich zu gerannt. Grinsend fällt sie mir um die Arme. 

»Henrii!« Ihre kleinen Ärmchen schaffen es gerade mal, meine Hüfte zu umschließen. Charlie grinst belustigt. 

»Liss!«, freue ich mich auch, meine Schwester zu sehen. Aber ich kann gerade keine Siebenjährige belustigen, wo ich mir die ganze Zeit Sorgen um das bevorstehende Gespräch mit meinen Eltern mache. 

Ich werfe einen Blick in die Ferne, wo meine Eltern gerade in unsere Richtung kommen. Sie winken mir ebenfalls zu. Mein Vater ist wieder ganz in seinem Business-Look, mit einem gemusterten Hemd – bis zum Hals zugeknöpft -, dunklen Jeans und schwarzen edlen Schuhen. Wahrscheinlich kommt er gerade wieder aus dem Büro. Aber dafür sehen seine grauen Haare eigentlich zu verzottelt aus. 

»Hallo Henriette!«, begrüßt mich meine Mom und umarmt mich. Ihre feinen schwarzen Haare kitzeln meine Nasenspitze. Ich drücke sie an mich, dann lösen sie sich wieder von mir. 

»Und du bist?«, fragt dann mein Vater und wirft einen Blick auf Charlie. Jetzt sieht sie auch schüchtern aus. Klar, diese Anrede von meinem Vater war nicht perfekt. 

The Summer Of Our Lives - Henri und CharlieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt