Kapitel 8

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Raphael hatte mich etwas außerhalb zu einem asiatischen Restaurant gefahren. Die Kellner dort kannten ihn, man brachte uns direkt in eine etwas abgetrennte Ecke, die vom Rest des Ladens aus nicht gut einzusehen war. Meinen kritischen Blick musste er bemerkt haben, als ich mir dachte, dass ich bestimmt nicht die erste Frau war, die er hier her brachte. „Ich bin schon das eine oder andere Mal mit weiblicher Begleitung hier gewesen. Was aber nicht daran liegt, dass das hier Teil meiner Masche ist, sondern daran, dass es für mich nicht so leicht ist in Ruhe essen zu gehen, ohne das Gefühl haben zu müssen, dass am Nachbartisch jemand tuschelt, weil er mich erkannt hat." Ich verstand wahrscheinlich nur die Hälfte davon, wie bekannt er wirklich ist und konnte mir kaum vorstellen, wie es ist, so ein Leben zu führen. Die Gespräche, die wir im Restaurant und danach, bei einem Spaziergang an der Donau führten, gingen genau so weiter, wie sie in der Nacht zuvor aufgehört hatten. Als wir durch die kühle Abendluft liefen, Raphael mit Brille und der Cap tief ins Gesicht gezogen, ich an seinem Arm untergehakt, fühlte es sich wieder an, als würden wir uns bereits ewig kenne. Wir redeten über Gott und die Welt und ich musste alle paar Minuten über seine unfassbar schlechten Witze lachen. Als er mich nach Hause gefahren hat, habe ich kurz überlegt, ihn noch mit zu mir raufzubitten. Aber ich hatte den Abend über dennoch gemerkt, dass in meinem Hinterkopf noch immer eine kleine Warnung aufleuchtete. Klar, wir kannten uns gerade einmal 24 Stunden und keiner wusste, was das hier werden sollte. Aber selbst, wenn wir uns nur kennenlernten und langsam näher kamen, wollte ich ihn wenigstens einschätzen können. Wenn wir beisammen waren, waren wir auf einer Wellenlänge; aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand wie er so etwas nicht hunderte Male schon durchgezogen hatte. Also verabschiedeten wir uns vor meiner Haustür, da für den nächsten Morgen meine Rückfahrt nach Berlin anstand. Raphael würde in ein paar Tagen ebenfalls nach Berlin reisen, weshalb er mich dazu eingeladen hatte, ihn dort in seiner Wohnung zu besuchen.

Am nächsten Abend trat ich gerade auf den Balkon meiner Berliner Wohnung. Es war ein lauer Abend, die Sonne ging gerade unter und ich schaute aus dem achten Stock auf die Straße vor meinem Wohnhaus, auf der sich noch immer viele Menschen tummelten; es war laut, aber hier oben bekam man trotzdem nicht alles davon mit. Auch, wenn ich Wien liebte, kam ich in Berlin jedes Mal wieder so wirklich zu Hause an. Meine Wohnung hatte ich mir vor zwei Jahren gekauft, sobald ich mir Eigentum leisten konnte und hatte mich direkt verliebt. Erschrocken zuckte ich zusammen, als mein Telefon klingelte. Ich blickte auf das Display, sah, dass es Raphael war, der mich anrief, und musste schmunzeln. Wir hatten gestern ausgemacht, dass ich mich melden werde, sobald ich angekommen war, aber noch hatte ich dazu keine Zeit gehabt.

„Hey Rapha, hast du mich schon vermisst?"

„Hatte Angst, du hast vielleicht das Falsche getankt und hattest ne Panne.", gab er zurück.

„Haha, sehr witzig. Ich bin gut angekommen, danke der Nachfrage."

„Wär meine nächste Frage gewesen, belle." Ich musste schmunzeln. 

Diesen Namen hatte er mir gestern Abend gegeben und ich dachte eigentlich, ihm wäre nach dem Essen der Schnaps zu Kopf gestiegen, aber er zog diesen Kitsch scheinbar weiter durch.

„Immerhin nicht Guapa, den haben sicherlich schon eine bis hundert vor mir bekommen."

„Ah, träum weiter, den meisten gebe ich keine Namen, die seh ich eh nur einmal." 

„Rapha!", antwortete ich schockiert.

„Du hast angefangen zu spinnen, ich spinn weiter.", sagte er und ich hörte wie er lächelte.

„Na gut.", sprach ich schmollend. „Also, warum rufst du schon an?"

„Habs vermisst, nicht den dritten Abend in Folge gestänkert zu werden." 


„Stockholm-Syndrom würd ich sagen. Aber ich bin gerade erst angekommen, tut mir leid."

Ein halbe Stunde telefonierte ich mit Raphael, bevor es an seiner Wohnungstür klingelte; seine Schwester und ihr Sohn kamen vorbei, um ihn zu besuchen vor seiner Abreise und wir legten auf.

Als ich danach wieder in der Stille auf meinem Balkon saß, es war mittlerweile dunkel und man hörte dumpf von unten das Nachtleben aufwachen, merkte ich, dass ich es kaum erwarten konnte, ihn in drei Tagen wiederzusehen.  

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