„Aber? An Angeboten kann es ja sicher nicht mangeln."
„An Angeboten von 24-jährigen, die mal mit einem Rapper schlafen wollen nicht, nein. Ich will dein Bild von mir nicht weiter bedienen, aber man kann es nicht sagen, ohne arrogant zu klingen: Ich bin mittlerweile so bekannt, dass ich niemanden mehr kennenlernen kann, der mich noch nicht als RAF Camora kennt. Jeder kennt irgendeinen meiner Songs, hat schonmal von mir gehört oder sich ein Bild von mir gemacht."„Nein, du brauchst dich nicht zu rechtfertigen, ich glaub dir das.", antwortete Marlene ernst.
Die vergangenen Minuten, in denen wir über ihre Familie gesprochen hatten, hatten eine Ernsthaftigkeit ins Gespräch gebracht, die etwas Vertrautes mit sich brachte. Wir saßen in der Kälte nebeneinander auf der Bank, unsere Arme berührten sich, mittlerweile in Jacken eingepackt. Kein Versuch sich körperlich näher zu kommen, so wie es war genügte es für den Moment. Und dennoch war die Stimmung der Situation auf dem Dach nicht vollends weg. Sie zog mich an, keine Frage, sie war eine miese Bombe. Immer wieder hielten wir Blickkontakt und uns war wohl beiden bewusst, dass wenn man diese Augenblicke intensiviert hätte, könnte das Ganze in eine andere Richtung gehen. Dennoch unternahm keiner diesen Versuch.
„Trotzdem gibt es die ganzen Stories von dir und den Frauen", holte sie mich aus meinen Gedanken. Mich frustrierte es ein wenig, dass sie das Gespräch in diese Richtung lenkte. Meine Frauengeschichten waren mit Sicherheit kein Thema, welches ich jetzt anfangen wollte. Es war eine andere Seite von mir und eigentlich war ich froh, dass ich sie für diesen Abend bisher beiseite legen konnte.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Max dir wirklich so viel davon erzählt hätte. Doch ein Groupie?", versuchte ich abzulenken und setzte mich ein wenig aufrechter hin, um sie ansehen zu können.
„Nein, ich kann dir versprechen, dass ich kein Groupie bin.", lachte sie auf. Unter ihrem Mund bildeten sich kleine Grübchen. „Aber du hast es selbst gesagt. Man kennt dich Raphael. Und es ist nicht so, als hätte ich keinen Kontakt in deine Branche. Und da redet wirklich jeder über jeden, du weißt es."
„Also,", seufzte ich „was hast du so von mir gehört?"
„Dass das Sofitel vor ein paar Jahren deine persönliche Escort-Zentrale war und dass du seitdem viele flüchtige Beziehungen hast. Aber auch, dass du davor immer nur jahrelange Beziehungen hattest.", beschrieb sie und blickte mir in die Augen.
„Es stimmt. So wie du es sagst. Ich war immer in langen Beziehungen und das war auch typisch für mich. Ich war nie der Typ für flüchtige Sachen, mochte tief gehende Verbindungen. Aber das ist nicht vereinbar mit meinem Job. Die Musik ist mein komplettes Leben seit ich 15 bin und ich habe Tag und Nacht dafür gearbeitet dort zu sein, wo ich bin. Als ich mit Palmen aus Plastik meinen Durchbruch hatte, war ich in einer langjährigen Beziehung mit einer Frau, die ich über alles geliebt habe. Trotzdem musste ich mich gegen sie entscheiden. Wenn man so viel arbeitet wie ich, ist es unfair eine Beziehung oder eine Familie zu haben, die nur nebenbei läuft."
„Und deshalb lieber ein paar Frauen, die nichts fordern."
„Die Frauen von damals wussten, woran sie sind. Und sie wollten auch garnichts anderes, nur Sex und Geld. Beides konnte ich ihnen bieten."
„Und die aktuellen?"
„Du bist ganz schön neugierig, weißt du das?", sagte ich ihr.
„Weich nicht aus Ragucci.", lachte Marlene.
„Ah, hör mir auf mit diesem Namen.", lachte nun auch ich. „Aktuell ist es anders. Ich schlafe mich nicht mehr sinnlos durch die Weltgeschichte, dafür bin ich zu alt und ich habs lang genug gemacht. Ich will nicht sagen, dass es keine Frauen gäbe, aber auch sie wissen woran sie sind und dass das alles nichts ernstes ist. Wir haben Spaß miteinander, mehr nicht."
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Untenable
Fiksi PenggemarMarlene war eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die seit Jahren unabhängig war - vor allem von Männern. Und Raphael Ragucci hatte es seit mindestens genau so vielen Jahren bereits aufgegeben, daran zu glauben, dass er eines Tages wieder eine normale Be...