Kapitel 25

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Marlene

Noch 1.5 Stunden würde es dauern, bis ich ich endlich wieder in Wien war. Der Januar war vollgepackt gewesen mit Terminen in ganz Deutschland, wodurch ich immer nur wenige Tage am Stück in Wien sein konnte. Umso mehr freute ich mich jetzt auf die Ruhe zuhause; auch, wenn es nicht ganz zufällig gewesen war, dass ich die Stadt gemieden hatte.

Das Telefonat mit Raphael an Weihnachten hatte nicht gerade dazu beigetragen, dass ich mit ihm abschließen konnte. Auch, wenn meine Mauer nach wie vor stand und ich wenige Gedanken an ihn verschwendete; ich hatte herausgehört, dass er unbedingt mit mir sprechen wollte und das hatte auch mich nicht kalt gelassen. Dennoch war ich nach wie vor davon überzeugt, dass das ganze keine Zukunft hatte. Meinen Fokus hatte ich deshalb, wie alle Jahre zuvor, auf die Arbeit gelegt.

Jedoch nicht ausschließlich.

Als ich in meiner Wohnung ankam und meine Taschen reinbrachte, war es bereits Abend. Ich hasste nichts mehr als den elend langen Winter, wenn es immer schon um 16 Uhr stockdunkel war. Vermutlich würde es nicht mehr lange dauern und ich würde mir einen Flieger in den Süden buchen.

Auch, wenn ich am liebsten den restlichen Abend alleine auf dem Sofa verbracht hätte, hatte ich nicht mehr viel Zeit, bevor ich wieder los musste. Bei dem Gedanken daran, wurde mir etwas mulmig. Ich wusste nicht warum, aber in den letzten Wochen hatte ich mich des öfteren dabei ertappt, wie ich mich Raphael gegenüber schuldig fühlte. Nicht nur, dass ich ihn bei unserem letzten Gespräch so abgewürgt hatte. Wenn er wüsste, wie meine Abendplanung aussah, würde es ihn mit Sicherheit nicht freuen.

Ein letzter Blick in den Spiegel und ich griff nach meiner Handtasche, bevor ich meine Wohnung bereits wieder verließ.

Raphael

Vor einer knappen Stunde war mein Flieger aus Dubai wieder in Wien gelandet und ich saß im Auto auf dem Weg in meine Wohnung. Bereits jetzt bereute ich es, schon zurückzukommen aus Dubai. Noch immer war Winter in Österreich, die Straßen waren dunkel und es war arschkalt. Alles unter 20 Grad war eigentlich eine unverhandelbare Temperatur für mich. Aber es zog mich zu meiner Familie und außerdem hatte ich viel produziert, was ich jetzt in Wien und Berlin ausarbeiten wollte. Es war seltsam, wieder hier zu sein. In Dubai hatte ich mich komplett auf mich, den Sport und die Musik fokussiert, meinen ganzen Tag danach getaktet. Dadurch war es mir gelungen, mich einigermaßen abzulenken von meinen Gefühlen. Doch jetzt zurück in der Stadt zu sein holte alle Erinnerungen hoch, positive wie negative. Ich hatte mir die Worte meiner Schwester zu Herzen genommen: ich wollte nicht einfach aufgeben. Nicht jetzt, wo es mir das erste Mal seit langem gelungen war, Gefühle zuzulassen. Denn egal, wie abgelenkt ich war; die quälenden Gedanken und die Sehnsucht nach Marlene hatten sich immer wieder eingeschlichen.

Ich hatte mir überlegt, wie ich am Besten auf sie zugehen könnte, wie sie am ehesten mit mir reden würde. Aber jetzt, wo ich wieder in Wien war und die Gedanken immer quälender wurden, hielt ich es nicht länger aus, nahm mein Handy und ging auf unseren Chat.

Muss dich sehen. Bist du in Wien? 

Direkt als ich die Nachricht abgeschickt hatte, fühlte ich mich wie ein Trottel. Sie jetzt aber noch mal zu löschen wäre noch bescheuerter, weshalb ich beschloss mein Handy wegzupacken und mich stattdessen direkt auf den Weg zum Sport zu machen.

Ich setzte den Blinker, um statt zu meiner Wohnung direkt zum Gym zu fahren, in dem ich immer trainierte. Die Ampel war gerade erst auf rot geschalten, weshalb ich den Blick ein wenig durch die Straße streifen ließ. Obwohl es schon spät war, tummelten sich noch viele Menschen auf dem Weg.

Plötzlich blieb mein Blick jedoch bei Zweien davon hängen. Ich starrte ungläubig immer weiter in die Richtung. Auch, wenn mir klar war, was ich dort sah, wollte ich es nicht wahr haben. Doch ich erkannte es sehr deutlich: Marlene lief dort, am Arm eines Mannes eingehakt, direkt auf mein Auto zu. Die beiden schienen sehr vertraut miteinander und sie lachte über etwas, was der Typ sagte. Von einer Sekunde auf die andere wurde mir wahnsinnig schlecht. Schon immer war das die Art gewesen, wie mein Körper auf Stress reagierte, und das hier war eindeutig zu viel. Niemals hätte ich gedacht, dass nicht nur ich mir selbst meine Chance verbauen würde, sondern sie auch noch so schnell jemand anderes an ihrer Seite haben würde. Ein lautes Hupen hinter mir holte mich aus meiner Schockstarre. Ich hatte nicht bemerkt, dass es bereits grün geworden war. Marlene und ihr Typ waren mittlerweile so nah an meinem Auto gewesen, dass auch sie das Hupen mitbekommen hatten und aufschauten. Wie ein Blitz traf es mich, als sich ihr Blick mit meinem kreuzte. Ich sah, wie die Farbe aus ihrem Gesicht wich, als sie realisierte, dass ich sie gesehen hatte.

Meine Enttäuschung und der Schmerz wandelten sich in Wut. Ich wusste nicht einmal, ob ich auf sie wütend war, weil sie sich bereits abgelenkt hatte oder auf mich, weil ich so ein Idiot gewesen war. So oder so wusste ich, dass die Sache jetzt ein für alle mal erledigt war.

Vergiss es.

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