Marlene
Im Badezimmer hörte ich, wie Raphael nebenan telefonierte, konnte aber nicht raushören mit wem er sprach oder was er sagte. Ich löste meinen Zopf und fuhr mir mit den Händen durch die Haare, während ich tief ausatmete, um wieder klar zu kommen. Ich konnte immer weniger unterdrücken, wie sehr ich mich nach Raphael sehnte und damit meinte ich nicht nur meinen Körper, der die Nähe zu ihm suchte. Und dass er diese Nähe erwiderte, verbesserte mein Gefühlsdurcheinander nicht wirklich.
Als ich hörte, dass er das Telefonat beendet hatte, trat ich aus dem Badezimmer.
„Können wir?", fragte er. Ohne mir in die Augen zu sehen stand Raphael auf und ging aus dem Raum.
„Alles in Ordnung?", hakte ich nach, als ich ihm in den Flur gefolgt war und wir unsere Schuhe anzogen.
„Ja, wir sind nur spät dran."
Ich kaufte ihm diese Ausrede nicht ab, denn auf einmal war er wie auf der Flucht vor mir; das komplette Gegenteil von dem Raphael, den ich gerade auf meinem Bett zurückgelassen hatte.
Keine einzige Berührung auf dem Weg in die Tiefgarage, nur, dass er mir wie immer die Tür des Autos aufhielt. Bevor ich mich hinein setzte hielt ich einen Moment inne und musterte Raphaels Gesicht. Keine Reaktion darauf, seine Miene kühl und undurchdringbar.
Mit einem unguten Gefühl saß ich im Wagen. Hatte ich etwas falsch gemacht? Raphael hatte zwar meinen Annäherungsversuch erwidert, aber vielleicht war es auch nur der Situation geschuldet, dass ich halbnackt vor ihm stand. Möglicherweise war ihm das, mit einem klaren Kopf betrachtet, viel zu viel? Immerhin hatte ich ihm den Korb gegeben und nicht anders herum, und nun gab ich ihm ein Zeichen, dass ich körperlich doch mehr wollte.
Meine Gedanken überschlugen sich, während wir durch die nächtlichen Straßen Wiens fuhren und wurden nur von Raphaels Stimme unterbrochen.
„Bonez hatte angerufen.", sagte er und ich hörte heraus, dass das nicht das war, was ihn belastete. Mittlerweile kannte ich ihn halt doch ganz gut.
„Okay?", fragte ich deshalb vorsichtig nach.
„Als ich ihm gesagt habe, dass ich dich mitbringe, hat er mich vorgewarnt, dass eine der Frauen, mit denen ich in den letzten Wochen eine Affäre hatte, auch dort ist."
„Na herzlichen Glückwunsch.", murmelte ich.
Wie ein Schlag traf mich die Erkenntnis, dass meine ganzen Gedanken von eben unnötig gewesen waren. Ich hatte mir die Schuld gegeben an seiner Stimmung. Aber eigentlich hatte er nur Angst vor meiner Reaktion gehabt. Und nun war es definitiv meine Stimmung, die im Eimer war. Eben noch hatten Raphael und ich beinahe gegen unsere innere Stimmen verloren und unseren Pakt aufgegeben, und nun durfte ich mir für den Rest des Abends ansehen, wie eine andere Frau, eine, mit der er wirklich etwas hatte, an seinem Hintern hing.
„Ich weiß, wie beschissen die Situation für dich sein muss. Aber erinnerst du dich, was ich dir vorhin gesagt habe? Auf dem Parkplatz?"
Ich wollte nicht zu ihm herüber schauen, auch wenn ich merkte, dass er den Blickkontakt suchte. Ich wollte nicht, dass er mir die Enttäuschung im Gesicht ablesen konnte. Denn ich war mir sicher, dass ihm das nicht schwerfallen würde.
„Ich bin mit dir hier. Mit keiner anderen.", beantwortete er seine Frage daraufhin selbst. Mittlerweile waren wir am Club angekommen und Raphael hatte seinen Wagen am Straßenrand abgestellt. Und noch immer hatte ich kein Wort gesagt.
„Sag doch bitte wenigstens was.", hörte ich es leise von ihm und schaute das erste Mal in sein Gesicht. „Was denkst du?"
„Ich hab keine Ahnung, wenn ich ehrlich bin. Ich weiß, dass diese Frauen existieren, ich weiß, dass ich keinen Anspruch habe auf dich, in irgendeiner Form, das ist alles nichts Neues. Aber wir haben eben noch in meinem Schlafzimmer gestanden und jetzt teilen wir uns gleich die Couch mit deiner Affäre. Wie wär der Abend gelaufen, wenn ich nicht mitgekommen wäre? Cocktail trinken mit mir und Nachts fickst du das Mädel aus dem Club."
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Untenable
FanfictionMarlene war eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die seit Jahren unabhängig war - vor allem von Männern. Und Raphael Ragucci hatte es seit mindestens genau so vielen Jahren bereits aufgegeben, daran zu glauben, dass er eines Tages wieder eine normale Be...