Raphael
Punkt 19 Uhr fuhr ich mit meinem Wagen vor dem Bürogebäude von Marlene vor. Heute Abend wollte Bonez in einem Club hier in Wien feiern und ich hatte versprochen vorbeizukommen. Aber so, wie ich Bonez kannte, würde er nicht vor null Uhr dort sein, weshalb ich den Abend mit Marlene verbringen wollte. Hoffnung, dass ich sie überzeugen konnte, mit in den Club zu kommen, hatte ich kaum; ich wusste, dass es nicht ihre Welt war, was vor allem die 187 Jungs dort trieben.
Gerade in dem Moment trat sie bereits auch schon aus dem Gebäude heraus. Ich wusste, dass sie heute eine wichtige Besprechung gehabt hatte und deshalb ziemlich schick angezogen war. Die Haare wieder zu einem strengen, hohen Zopf gebunden, ein edles schwarzes Kleid und Overknee-Stiefel tragend, stolzierte sie auf mein Auto zu. Mir verschlug es immer wieder den Atem, wie mühelos es ihr gelang elegant auszusehen.
„Hey, Rapha.", sagte sie, als sie zu mir ins Auto stieg und sich anschnallte.
„Guten Abend, ma beauté. Hätte dir gern die Tür aufgehalten, aber du weißt, Innenstadt..."
„Schon gut, die Tür bekomme ich grad noch allein auf, du Macho." An ihrer Stimme hörte ich, dass sie nicht so locker war, wie ich es sonst von ihr gewohnt war.
„Alles gut?", fragte ich sie deshalb, als ich losfuhr.
„Ja, passt. Der Tag war einfach anstrengend, ich hatte bis eben durchgängig nur Meetings."
„Wenn du magst, können wir auch einfach nach Hause fahren und wir ruhen uns aus.", schlug ich vor. Ich wusste selbst, wie schnell man sich überarbeitete, wenn man seiner Leidenschaft nachging.
„Ach quatsch, du hast doch heute noch Pläne, die musst du meinetwegen nicht absagen."
„Würd ich aber.", gab ich ernst zurück und schaute ihr fest in die Augen, als wir vor einer Ampel zum Halten kamen.
„Spinner. Ich wiederhole mich gerne.", sprach Marlene grinsend. „Wohin fahren wir denn?"
„Lass dich überraschen. Ich will dir eine Bar zeigen."
Wenig später saßen wir auf der Dachterasse meiner Lieblingsbar in Wien. Marlene hatte anfangs nur kritisch geguckt. Das Klientel hier bestand hauptsächlich aus reichen und älteren Leuten und vor allem ersteres gefiel ihr meist nicht. Aber der Vorteil war, dass mich von diesen Leuten kaum jemand kannte und wenn doch, mich trotzdem in Ruhe ließ.
Abends war es mittlerweile schon immer recht kühl, es war Herbst geworden in Wien und Marlene hatte sich mein Jackett über die Schultern gelegt. Trotzdessen oder gerade weil sie vorhin so gestresst gewesen war, waren wir mittlerweile beim dritten Getränk angelangt.
„Ich hab' keine Chance, dass du mich zu Bonez in den Club begleitest, oder?", fragte ich sie, in der Hoffnung, dass sie so angetrunken vielleicht doch zustimmen würde.
„Ich weiß nicht, Rapha.", verneinte sie meine Frage zumindest schon einmal nicht. „Was soll ich da? Mich mit den Mädels unterhalten, die später Lx und Maxwell auf den Schoß springen?"
„Kannst tanzen für mich.", lachte ich ihr zu.
„Davon träumst du Nachts.", gab Marlene zurück.
„Kannst du aber wissen. Manchmal auch tagsüber, bei den Stiefeln."
„Rapha! Halt die Klappe du Ekliger.", lachte sie. „Irgendeine, die für dich tanzen will, wird schon in dem Club sein, hab ich Recht?", schaute sie misstrauisch herüber.
Ich seufzte und ließ meinen Blick über Wien schweifen.
„Nicht, dass ich wüsste. Aber wenn Bonez sich Leute in einen Club einlädt, kann ich nicht garantieren, dass dort keine Frau ist, die ich kenne.", gab ich ehrlich zu. Ich hatte genau so wenig Lust wie sie, Marlene in einen Club zu schleppen, nur um da Verflossenen von mir zu begegnen.
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Untenable
FanfictionMarlene war eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die seit Jahren unabhängig war - vor allem von Männern. Und Raphael Ragucci hatte es seit mindestens genau so vielen Jahren bereits aufgegeben, daran zu glauben, dass er eines Tages wieder eine normale Be...