Kapitel 20

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Raphael

„Na gut, ich muss langsam wirklich los.", seufzte Marlene, die mit Elio auf dem Arm aus der Balkontür trat. Aus irgendeinem Grund war der Kleine wie vernarrt in sie und war sogar auf ihrem Arm eingeschlafen, als sie mit ihm die Sachen vom Frühstückstisch abgeräumt hatte. Sie gab ihn vorsichtig meiner Schwester zurück, darauf bedacht, ihn nicht zu wecken.

„Hat mich gefreut, dich kennenzulernen. Lass dir von Raphael meine Nummer geben, dann können wir nochmal in Ruhe über das Shooting reden."

„Mach ich auf jeden Fall, hat mich auch gefreut.", gab Barbara mit einem ehrlichen Lächeln zurück. Die beiden waren ins Gespräch über das Business meiner Schwester gekommen und sie wollte sich für ein Shooting für ihre Marke mit Marlene besprechen.

„Ich bring dich noch zur Tür.", stand ich auf und begleitete Marlene in den Flur.

„Deine Schwester ist wirklich wie du. Viel lustiger als man denkt.", sagte sie, als sie gerade ihre Jacke überzog.

„Das nehm ich mal als Kompliment.", gab ich gespielt beleidigt zurück. „Freut mich, dass ihr euch doch noch so gut verstanden habt, das ist nicht selbstverständlich bei ihr. Aber ihr seid ja in der Sache vereint."

„Sei nicht eingeschnappt Rapha, du bist selbst Schuld." Mit einem unterdrückten Lächeln trat sie auf mich zu und zog mich in die Arme.

„Ich hol dich heute Abend aus dem Büro ab und wir gehen was Trinken. Ich kann aber nicht allzu lange, muss noch zu Bonez. Du kannst natürlich mitkommen.."

„Werde ich auch noch gefragt?", unterbrach sie mich.

„19 Uhr bin ich da.", antwortete ich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

Mit einem gemurmelten „Spinner" trat sie aus der Tür und ließ mich im Flur zurück.

Als ich mich umdrehte, um zurück zum Balkon zu gehen, bemerkte ich, dass meine Schwester uns die ganze Zeit über beobachtet hatte und mich nun mit einem besserwisserischen Grinsen anschaute.

„Spars dir, Fleur.", sagte ich.

Elio hatte sie mittlerweile ins Wohnzimmer zum Schlafen gelegt, weshalb ich mir eine Zigarette anzündete.

„Eine Freundin? Wem willst du hier was vormachen Raf?"

Ich atmete den Rauch genervt aus.

„Ja, eine Freundin. Wir haben's versucht, ich habs verkackt durch einen Videodreh und sie ist generell kein Fan von meinem Lebensstil. Deshalb haben wir es sein lassen und sind jetzt befreundet."

„Ihr habt es sogar mal versucht und jetzt seid ihr befreundet, sie schläft immer noch bei dir, aber ganz offensichtlich nicht auf deinem Sofa?"

„Man, Barbara. Ich hab echt keine Lust mit dir über meine Probleme mit Frauen zu diskutieren. Nur weil du Streber schon Familie hast, obwohl du jünger bist", versuchte ich abzulenken.

Auch sie seufzte nun. „Ich weiß ja. Aber ich kenn dich, Raphael. Und deshalb kenn ich auch den Blick mit dem du sie anguckst. Meinst du ich merke nicht, wie fasziniert du davon warst, wie sie mit Elio umgeht?"

Ich wusste nicht, was ich dazu noch sagen sollte. Wie immer konnte Barbara mich lesen wie ein Buch; nur meine Mutter war darin besser. Sie wusste, dass ich mir eigentlich seit Jahren Familie wünschte, eine Frau an meiner Seite, Kinder.

„Dein Lebensstil passt ihr nicht, aber sie mag dich scheinbar wirklich. Und sie wirkt als würde sie mit beiden Beinen im Leben stehen, wenn sie sich nicht von dir einlullen lässt. Ich weiß, dass dir das gefällt. Aber ich frag mich, ob dein Lebensstil dir überhaupt so wirklich gefällt."

Ich musste schlucken, fuck. Natürlich hatte Barbara auch damit genau wieder ins Schwarze getroffen. Ich hielt an dem unverbindlichen Leben fest, um mich möglichen Verletzungen zu entziehen, um die Kontrolle zu behalten. Aber eigentlich war das nie ich.

„Lass gut sein. Du weißt, es wird sich nichts ändern."

„Aber nicht, weil du nicht kannst. Sondern weil du nicht willst."

Damit stand sie auf und ging auf die Balkontür zu.

„Elio und ich haben noch einen Termin beim Kinderarzt. Denk dran, dass wir uns morgen mit Maman treffen wollten, nicht dass du das auch noch vergisst. Obwohl. Stell Marlene doch gleich der ganzen Familie vor, wirst du früher oder später eh.", zwinkerte sie mir provozierend zu und hob meinen schlafenden Neffen vom Sofa.

„Wir sehen uns, Raf."

Weil gestern doch noch einige direkt fleißig dabei waren, gibt es direkt das nächste Kapitel :D

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