Kapitel 11

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Raphael

Frustriert schob ich mein Handy in die Tasche meiner Jacke. Ich stand gerade noch im Badezimmer meines Hauses in Ibiza, in dem ich mit John und den anderen Jungs bereit seit 1.5 Wochen war und machte mich fertig, um den Abend mit den anderen in einem Club zu verbringen. Den vierten Tag in Folge hatte ich nun vergeblich versucht Marlene zu erreichen, aber wieder hatte sie nicht abgenommen. Am ersten Abend hatte ich mir noch Sorgen gemacht und ihr geschrieben, dass sie mich zurückrufen kann, wenn sie die Zeit dazu hat. Aber nachdem sie diese und alle folgenden Nachrichten von mir gelesen, aber nicht beantwortet hatte, wurde mir klar, dass sie mich absichtlich ignorierte. Nachdem wir bei unserem letzten Treffen endlich darüber geredet hatten, wie wir die Sache zwischen uns sehen und jeden Tag, an dem ich in Ibiza war, Zeit zum telefonieren gefunden hatten, habe ich nicht damit gerechnet, dass das alles so plötzlich eine schlechte Wendung nehmen würde. Und ehrlich gesagt konnte ich es mir auch nicht ganz erklären.

„Raf, was machst du da drin so ewig, hör auf deine Augenringe wegzuschminken.", hörte ich es hinter mir, kurz bevor die Tür zum Badezimmer aufflog.

„Ehpa, Bonez, ich hätte gerade noch am Scheißen sein können."

„Dann schließ nächst mal ab. Was ist jetzt, können wir los? Sind schon alle im Auto.", sprach Bonez an die Tür angelehnt.

„Ja, ab gehts."

„Aber nicht mit der Laune.", hielt er mich zurück, als ich raus gehen wollte. „Ich merk doch schon den ganzen Tag, dass irgendwas ist. Ist es wegen der Kleinen?"

Bonez konnte ich noch nie etwas vormachen. Und so hatte er auch mitbekommen, dass ich am Anfang unseres Trips ständig am Handy hing oder mich zum telefonieren verzog. Auch, wenn ich kein Fan davon war, immer alles gleich breitzutreten und jedem davon zu erzählen, wusste ich, dass ich mit John über so etwas sprechen konnte und hatte ihm von Marlene und mir erzählt.

„Ja, keine Ahnung Bruder. Du weißt, es lief alles gut. Aber seit ein paar Tagen ignoriert sie mich, nimmt keine Anrufe an, nix. Ich weiß nicht, was passiert sein soll, ich kann's mir beim besten Willen nicht erklären."

Bonez stand mir gegenüber im Türrahmen und betrachtete mich still. Nach einem Moment fing er allerdings an dreckig zu grinsen und fragte mich: „Sag mal Raf, seit wann ignoriert sie dich jetzt?"

„Seit Freitag, wieso?", gab ich misstrauisch zurück.

„Wann haben wir nochmal das Video veröffentlicht?"

„Meinst du.."

„Sie wird es mit Sicherheit gesehen haben, sie lebt ja nun auch nicht hinterm Mond und wird dein Insta gecheckt haben. Und so, wie du sie mir beschrieben hast, wird sie nicht grad drauf stehen, dass du mit den halbnackten Weibern da im Bett rumgemacht hast."

Mich traf die Erkenntnis wie ein Schlag. Natürlich hatte ich an ihren Aussagen bemerkt, dass sie heimlich meine Insta-Stories anguckte. Und dementsprechend wird sie auch auf das Video zu Sommer gestoßen sein. Dass wir die Szenen für dieses Musikvideo so gedreht haben, wie auch Marlene es gesehen haben dürfte, war eine spontane Sache gewesen. Am ersten Abend gab es eine Party und wie immer, wenn Hadi, Bonez und die anderen Jungs von 187 dabei waren, war diese schnell ausgeufert. Auch ich hatte mich nicht dagegen gewehrt und die Drogen nicht ausgelassen. Etwas, was ich eigentlich nicht mehr machte, aber ich hatte mich davon mitreißen lassen und mich einmal mehr dem Party-Lifestyle hingeben wollen. Die Models, die wir für das Shooting gebucht hatten, waren davon ebenso angetan und hatten dazu noch die Möglichkeit, berühmten Rapper ganz nah zu kommen, was sie erfahrungsgemäß nur allzu gerne ausnutzten. Je länger der Abend ging, umso mehr hatte ich mich in dem Gefühl, von ihnen angehimmelt zu werden verloren. Auch am nächsten Tag, als mir Shaho die Bilder zeigte, die wir aufgenommen hatten, war mir nicht in den Sinn gekommen, dass das mit den zwei Frauen im Bett vielleicht eine dumme Idee gewesen sein könnte. Ehrlich gesagt, hatte ich nicht einmal daran gedacht, was Marlene dazu sagen würde. Ich hatte seit Jahren nicht darauf Rücksicht nehmen müssen , was eine Frau an meiner Seite zu meinem Auftreten in der Öffentlichkeit sagen würde. Und damals, als meine langjährige Beziehung zu Ende ging, war ich sogar froh gewesen, nun einfach machen zu können, was ich will, egal wie sehr es dem Klischee eines prolligen Rapper entsprach. Eine Seite von mir hatte Spaß daran; Spaß an Drogen, Frauen, Autos; daran, sich alles zu nehmen was man wollte, ohne Rücksicht auf Verluste und auf Geld schon garnicht. Auch, wenn nichts weiter mit den Frauen passiert war, als das, was wir fürs Musikvideo aufgenommen hatten, fühlte sich das alles dennoch garnicht mehr so richtig an, wenn ich daran dachte, dass Marlene mich deshalb ignorierte.

„Hat klick gemacht, was?", riss mich Bonez aus meinen Gedanken. „Kannst du jetzt eh nicht mehr ändern Raf. Aber wenn dir wirklich was an ihr liegt, dann versuchst du das grade zu biegen und nicht nochmal so reinzuscheißen. Aber jetzt komm erstmal, wir bringen dich auf andere Gedanken."

Bonez schaffte es wie immer, mit seiner Laune die ganze Meute und somit auch mich mitzureißen und so konnte ich zumindest unseren letzten Abend auf der Insel einigermaßen genießen. Die Lust auf Feiern war mir nach meiner Erkenntnis trotzdem vergangen. Und den Rat von John hatte ich erst genommen. 24 Stunden später befand ich mich in meinem Fefe in Wien und noch bevor ich zu meinem Apartment fuhr, bog ich in Marlenes Straße ein. Wenigstens schauen, ob sie mir aufmachen und die Chance geben würde, mich ihr zu erklären, dachte ich, als ich die Klingel runterdrückte. 

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