Marlene
Ein pochender Schmerz hinter meiner Stirn weckte mich auf. Wann hatte ich gestern so viel getrunken, dass ich jetzt so elendig aufwachen musste? Ich wollte mich noch ein paar Minuten vor der Realität retten und weiterschlafen, als mir auffiel, dass sich mein Bett garnicht anfühlte, wie sonst immer. Ich öffnete vorsichtig ein Auge und erschrak so sehr, dass ich kerzengerade im Bett saß. Bis eben hatte ich auf Raphaels nackter Brust geschlafen, wie war DAS bitte passiert?! Ich schaute an mir herunter und sah, dass ich ein großes weißes Shirt trug, vermutlich von ihm, darunter trug ich nur noch meine Unterwäsche. Hatten wir etwa...
„Leg dich wieder hin.", hörte ich seine verschlafene Stimme. Er drehte sich mit geschlossenen Augen auf die Seite, während sein Arm nach meiner Schulter griff und mich zurück in die Kissen zog.
„Rapha, was..?"
„Filmriss?"
Ich nickte vorsichtig.
„Wundert mich nicht.", grinste er und öffnete nun seine Augen. „Keine Angst, ist nichts passiert. Also nichts weiter. Aber ich wollte dich nicht in deinen Klamotten aus dem Club schlafen lassen."
Vorsichtig musterte er mich von der Seite. Ich drehte mich auf den Rücken und während Raphaels Arm auf meinem Bauch ruhte starrte ich an die Decke und versuchte zwanghaft die Erinnerungen vom gestrigen Abend zurückzuholen.
Fuck. Mit der flachen Hand schlug ich auf meine Stirn. Plötzlich zogen die Bilder wie ein Film vor meinem inneren Auge vorbei. Raphael und ich auf der Tanzfläche, im Taxi, im Fahrstuhl und schließlich in seiner Wohnung. Seine Lippen auf meinen, seine Hände auf meinen nackten Beinen, auf meinem Hals, mein Stöhnen an seinem Mund. Danach Stille.
„Haben wir?..."
„Nein. Aber du hast mich regelrecht angefleht.", gab er schmunzelnd zurück.
„Und du hast nein gesagt?", fragte ich ihn und zog eine Augenbraue hoch, als ich ihm das erste Mal an diesem Morgen in die Augen schaute.
„Ja. Ich dachte mir schon, dass du dich heute nicht mehr an alles erinnern würdest und ich mach nichts, wenn du nicht bei vollem Bewusstsein bist.", antwortete er ernst.
„Wie bin ich vom Flur hier her gekommen?" Ich schämte mich dafür, dass ich scheinbar so sehr über den Durst getrunken habe.
„Ich hab dich hergetragen und umgezogen. Ich wollte eigentlich im Wohnzimmer schlafen, aber du kannst echt niedlich sein, wenn du fast schläfst. Du hast mich ins Bett gequatscht und..hey!" Ich hatte Raphael mit einem der Kissen aus dem Bett abgeworfen. Es wurde ja immer peinlicher.
„Okay okay, hör bitte auf!"
„Dir muss das nicht peinlich sein, Marlene.", lachte er. „Ich bin eigentlich ganz froh, dass du zumindest nicht wütend bist."
„Wieso sollte ich wütend sein?"
„Vor ein paar Wochen wolltest du den Kontakt abbrechen, dann schreib ich dich wieder an und dann quatsch ich dich im Club voll, bis wir bei mir zuhause landen. Ich hatte Angst, dass du denkst, ich hab die Situation ausgenutzt. Deshalb hab ich das Ganze gestern auch abgebrochen. Ist nicht so, als hätte ich nicht gewollt."
Ich drehte mich auf die Seite und schaute Raphael direkt in die Augen.
„Ich glaube, du kennst mich mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass ich meine Meinung ganz gut durchsetzen kann. Da ändert auch Alkohol nichts dran. Ich wollte auch den Kontakt nicht abbrechen. Aber ich halte das einfach für das Beste." Zum Ende hin war meine Stimme leiser geworden. Auf so ein Gespräch am frühen Morgen und mit Kater war ich eigentlich nicht eingestellt gewesen.
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Untenable
ФанфикMarlene war eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die seit Jahren unabhängig war - vor allem von Männern. Und Raphael Ragucci hatte es seit mindestens genau so vielen Jahren bereits aufgegeben, daran zu glauben, dass er eines Tages wieder eine normale Be...