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„Was machen die Warmblüter hier?", zischte besagter Viktor abfällig und ballte die Fäuste. „Wir haben Schmerzen, Mann. Schick sie endlich weg."

Ich starrte zu Boden und trat hinter Nathan, damit er zwischen Viktor und mir stand. Er schaute knapp über seine Schulter und hatte offenbar nichts dagegen, dass ich ihn als Schutzschild benutzte. Ich versuchte, einen Sinn aus Viktors Worten zu fassen, aber fand keinen. Wie könnte meine Anwesenheit ihnen wehtun?

„Sie werden heute Nacht nicht mehr hier sein", gab Nathan ruhig zurück. „Reißt euch verdammt nochmal zusammen."

Die Autorität in seiner Stimme ließ keinen Zweifel daran, wer in der Siedlung das Sagen hatte. Es überraschte mich nicht, ihn in der Rolle des Anführers zu sehen. Auch mit seiner Crew war er immer an der Spitze gegangen. Bewegte er sich, bewegten sie sich.

Viktor gab ein knurrendes Geräusch von sich, das in mir eine seltsame Panik auslöste. Meine Instinkte reagierten auf ihn wie eine Gazelle auf einen Löwen.

„Seit wann beschützt du Menschen?", fragte der andere. Ich konnte seine Stimme nicht deuten. Er klang erstaunt, neugierig, und gleichzeitig zutiefst ablehnend.

„Sie gehört zu McLean."

Ich horchte auf. Hatte Aurora dafür gesorgt, dass er mich beschützte, anstatt mir den Kopf abzureißen? Die verständnislose Reaktion der beiden machte auf mich den Eindruck, als wäre diese Tatsache keine Erklärung für sein Verhalten, was meine Theorie sofort wieder in den Wind schoss.

„Wen kümmert das?", fragte Viktor ungehalten. „Wir sind sowieso in zwei Wochen fertig. Ich habe keine Lust mehr, mich..."

Ein tiefes Grollen stieg aus Nathans Kehle auf, was die anderen beiden innehalten und einen Schritt zurücktreten ließ. „Kaia", sprach Nathan mich zum ersten Mal beim Namen an, was mich komplett aus der Bahn warf. „Geh zu Maxine." Er deutete angespannt in eine Richtung.

Ich zögerte nicht und entfernte mich schnellen Schrittes. Was auch immer zwischen den Dreien lief, ich wollte nicht hineingerissen werden. Von wütenden Kreaturen, die mich am liebsten töten würden, hatte ich für mehrere Leben genug.

Nur dreißig Meter weiter kam ich zur ersten Hütte. Maxine stand schon in Sichtweite und bemerkte mich sofort. Hastig kam sie zu mir. „Wo warst du?!"

Ich schüttelte bloß den Kopf. „Ist nicht wichtig... wie geht es Senna?"

Maxine sah sehr skeptisch aus, ließ es aber auf sich beruhen. „Besser. Komm mit mir."

Sie führte mich zu der Hütte gegenüber von Nathans. Sobald ich eintrat, sprang Kira von dem durchgesessenen Sofa auf und kam zu mir. „Hat er dir was getan?", fragte sie mich dasselbe wie schon Sylas. Ihre Augen waren rot und glasig, als hätte sie in den letzten Stunden viel geweint, und auch sie war mit etlichen, feinen Wunden übersäht. „Nein", beruhigte ich sie und sah auf das schmale Bett, in dem Sennas blonde Haarpracht aus etlichen Schichten dicker Decken herauslugte. „Senna?"

„Sie schläft", sagte Maxine und bedeutete Kira und mir, uns zu setzen. Wir gehorchten.

„Das Gift der Dämonen wird euch noch einige Tage schwächen, auch wenn ich euch fast vollständig davon befreien konnte. Es blockiert eure Fähigkeiten, also wundert euch nicht, wenn ihr euch noch eine Weile seltsam fühlt. Ich werde euch beschützen, bis ihr es selbst wieder könnt", begann Maxine und sah dabei Kira an. „Wir werden den Wald vor Einbruch der Dunkelheit verlassen, Sylas und Colton einsammeln und in die Stadt gehen. Ich habe schon Hotelzimmer organisiert."

„Ich muss zu meiner Großmutter", hob ich zaghaft an. Als Maxine daraufhin fragend eine Augenbraue hob, fuhr ich fort: „Sie weiß vielleicht mehr über meinen Vater."

Chained AshesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt