beş | خمسة

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Die zweite Schulwoche verstrich rasch für Jamal und Ceylin. Obwohl sie sich hin und wieder während des Unterrichts unterhalten hatten, sahen sie sich privat nicht mehr.

Nach der entspannten Einführungswoche in der Schule wurden die Schüler förmlich mit Abgaben und Hausaufgaben überfordert, weshalb sie jetzt schon die meiste Zeit Zuhause verbringen musste.

Auch die anfängliche Euphorie des Schuljahres schwand langsam und sie hatte sich in den Alltag ihrer neuen Schule eingelebt. Mittlerweile wusste sie, wo die Räume jeweils sind, wer ihre Lehrer alle sind und wo sie was finden konnte.

Damit fing aber auch die Herausforderung des Schullebens an; sie hatte immer weniger Zeit, rauszugehen oder ihre Hobbys auszuleben. Stattdessen kämpfte sie täglich gegen den Stapel an Hausaufgaben auf ihrem Schreibtisch und gerade dann, wenn sie fertig wurde, war es schon Zeit, zu schlafen.

Auch heute war ein solcher Tag: es war Freitagabend und sie saß seit mehreren Stunden an ihrem Geschichtsprojekt, dass sie nächste Woche abgeben musste. Sie war unfassbar gereizt und allmählich stiegen ihr die ganzen Abgaben zu Kopf, und sie hatte Angst, dass sie diese schlechte Laune an jemanden Zuhause auslassen würde.

Gerade als sie sich dazu entschieden hatte, eine kleine Pause zu machen und in die Küche lief, um sich einen Tee zu kochen, öffnete ihre Mutter die Haustür summend und spazierte mit mehreren Einkaufstüten herein. Ceylin begrüßte sie höflich und lief dann einfach an ihr vorbei.

Die Kommunikation zwischen ihrer Mutter und ihr wurde zunehmende angespannter, merkte sie in diesem Moment, und sie fragte sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis einer von beiden endgültig brechen würde.

Sie setzte Wasser auf und stellte schonmal eine Tasse auf die kleine Arbeitsplatte, damit sie zurück in ihr Zimmer konnte, als ihre Mutter mit einer demonstrativen Bewegung die Tür blockierte und mit der einen Hand in die Küche zeigte, als würde sie Ceylin symbolisieren, dass sie bitte zurück soll.

Ceylin seufzte gereizt und schob den Arm ihrer Mutter so sanft es ging weg, damit sie vorbei konnte, aber diesmal meinte ihre Mutter es wirklich ernst. Sie ließ nicht locker und packte Ceylin an den Schultern, bevor sie sie wieder rein schob und die milchige Tür hinter den beiden schloss.

"Wie lange werden wir uns noch ignorieren?", fragte sie einen Augenblick später und strich sich die Haare aus dem Gesicht, bevor sie sie mit einer Haarklammer hochsteckte. Ceylin mied ihren Blick und starrte stattdessen aus dem Fenster, während sie innerlich hoffte, dass ihre Mutter das Gespräch schnell beenden würde. Sie hatte keine Lust zu streiten, und sie wollte nichts sagen, was ihre Mutter verletzen könnte.

"Ich muss Hausaufgaben machen", sagte sie dann, als sie merkte, dass ihre Mutter nicht locker lassen wollte, aber ihre Mutter rührte sich keinen Zentimeter vom Fleck.

"Morgen ist Wochenende, du hast genug Zeit für Hausaufgaben."

"Ich möchte sie aber heute machen."

"Ceylin –"

"Mama."

Für einen Moment starrten die beiden sich einfach nur an, und Ceylin konnte die Entsetzung in ihren Augen erkennen. Sie wollte ihre Mutter wirklich nicht verletzten, aber dafür sollte ihre Mutter es auch akzeptieren, dass die beiden Zeit auseinander brauchten.

"Ich würde gerne mit dir reden, aber ich habe das Gefühl, du hast dich vollkommen verschlossen und lässt mich nicht mehr rein", merkte sie nach einer Weile an und trat von einem Fuß auf den anderen.

Ceylin seufzte zum dutzenden Mal an diesem Abend und senkte den Kopf.

"Ich möchte einfach nur nicht gerade darüber reden, das ist alles", antwortete sie.

𝐓𝐀𝐆𝐄𝐋𝐀𝐍𝐆 𝐑𝐄𝐆𝐄𝐍𝐓𝐑𝐎𝐏𝐅𝐄𝐍 | 𝐒𝐤𝐚𝐧𝐝𝐚𝐥Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt