oniki | اثني عشر

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Ceylin schlug mit ihrer letzten Kraft gegen die Haustür. Scheinbar hatte ihre Mutter das Schloss wieder reparieren lassen, denn die Tür saß wieder vollkommen und war abgeschlossen.

Auf der anderen Seite der Wohnung war es ruhig, und für einen Moment fragte sie sich, ob ihre Mutter einfach eingeschlafen war, als sie ein leises Geräusch hörte, als würde sich ein Schlüssel in einem Schloss drehen. Die Tür wurde ein Spalt weit geöffnet und ein dünner Streifen Licht erhellte den dunklen Flur.

Mit einer sanften Bewegung stieß das junge Mädchen die Tür auf und senkten den Kopf, damit sie ihre Mutter nicht ansehen musste, während die sich den Dreck von den Socken klopfte und sie auszog, damit sie in ihr Zimmer gehen konnte.

Ihr war so kalt, dass sie einfach nur in ihr Bett springen und sich unter einer Decke verstecken wollte. Als sie zur Seite sah bemerkte sie, dass ihre Mutter, die ihr die Tür geöffnet hatte, ebenfalls mit gesenktem Kopf im Flur stand und den Boden musterte. Ceylin schloss kopfschüttelnd die Haustür hinter sich und verdrehte die Augen.

Sie konnte einfach nicht begreifen, wie ihre Mutter selbst in solch einer Situation es schaffen konnte, sich selber als das Opfer darzustellen. Es war wirklich unerträglich mitanzusehen, dass Ceylin diejenige war, die einen Faustabdruck an ihrem Auge hatte und ihre Mutter so tat, als wäre sie diejenige, die die Wut von Veysel zu spüren bekommen hatte.

Sie wollte gerade in ihr Zimmer laufen, als sie auf ihrer Stelle stehen blieb und lauschte. Ceylin versuchte einzuordnen, ob ihr Vater noch immer in dieser Wohnung war, denn mittlerweile erwartete sie alles von ihrer Mutter, die jetzt den Kopf schüttelte, als sie verstand, was ihrer Tochter gerade durch den Kopf ging.

"Ich habe ihn weggeschickt. Ich habe ihn rausgeschmissen", sagte sie schließlich heiser und machte einen kleinen Schritt auf ihre Tochter zu, die ihr geschickt auswich und abwehrend die Hände hob. Sie wollte im Moment einfach in Ruhe gelassen werden, und vor allem wollte sie nicht von ihrer Mutter angefasst werden.

"Lass es", schnalzte sie ein wenig härter als gewollt und drehte sich dann von ihr weg. Als sie ihre Zimmertür öffnete, ließ sie das Licht aus und versuchte sich im dunkeln zu orientieren, als sie plötzlich den Umriss ihres kleinen Bruders auf ihrem Bett erkannte und erschöpft seufzte. Sein Schluchzen hallte noch immer in ihren Ohren, und womöglich hielt er sie gerade für die "Böse" in diesem Geschehen, aber Ceylin würde es ihm nicht übel nehmen.

Er war noch viel zu klein, um zu verstehen, wieso sie getan hatte, was sie getan hatte.

Ceylin setzte sich so langsam und sanft wie sie konnte auf ihre Matratze und strich Deniz leicht über sein Gesicht, als er etwas murmelte und wenig später seine dunklen Augen im Mondlicht funkelten, das durch das offene Fenster in ihr Zimmer drang. Er war gar nicht am schlafen.

"Deniz, kalbim, wieso bist du noch wach?", fragte sie leise und legte sich ebenfalls hin. Seine Kulleraugen musterten ihr Gesicht, bevor er seine kleine Hand auf ihr Auge legte und mehrmals darüber strich.

"Tut es weh?"

Seine kindliche Naivität versetze ihr einen Stich und sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Das war genau das, was sie befürchtet hatte. Bis vor zehn Minuten hatte sie es erfolgreich geschafft, jegliche Gefühle und Gedanken zu verdrängen, aber jetzt, wo jemand sie fragte, ob sie schmerzen hatte, holten alle ihre Sorgen sie wie eine große Welle ein.

Augenblicklich spürte sie, wie die Wunde an ihrem Auge wie wild pochte und sich schmerzhaft zusammen zog, bevor sie seine Hand von ihrem Gesicht nahm und die Innenfläche küsste.

"Nein, mein Schatz", antwortete sie und schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter. Er war sowieso beängstigt genug, ihr weinen würde ihm jetzt nicht sonderlich helfen.

𝐓𝐀𝐆𝐄𝐋𝐀𝐍𝐆 𝐑𝐄𝐆𝐄𝐍𝐓𝐑𝐎𝐏𝐅𝐄𝐍 | 𝐒𝐤𝐚𝐧𝐝𝐚𝐥Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt