ellialtı | ستة وخمسون

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Fünf Jahre später

Jamal öffnete die Augen, als das erste Licht des Tages durch die bodentiefen Fenster seiner kleinen, warmen Wohnung fiel. Die Sonnenstrahlen waren sanfte, goldene Reflexe auf den minimalistischen Holzfußboden, und die hellgrauen Wände schienen sich in diesem Licht in warmen Pastelltönen zu färben.

Sein Zuhause – klein, aber stilvoll eingerichtet – war ein Refugium, in dem er die Ruhe fand, die er jahrelang gesucht hatte. In einer Ecke des Wohnzimmers stand ein anthrazitfarbener, moderner Sessel, daneben ein kleines Bücherregal aus hellem Holz, den er selbst gebaut hatte.

Auf dem Regal lagen Bücher über Wirtschaft und Psychologie, dazwischen standen Keramikgefäße in dezenten Farben, die er auf Flohmärkten in der Stadt entdeckt hatte. Über der Couch hing ein großes Schwarz-Weiß-Bild der Frankfurter Skyline, das er sich kurz nach dem Einzug gekauft hatte.

Er liebte es, weil es ihm das Gefühl gab, Teil dieser pulsierenden Stadt zu sein, und gleichzeitig eine Perspektive auf das Große, das ihn täglich umgab.

Das Herzstück seiner schlichten, aber herzhaften Wohnung war der Balkon, der – trotz der Hektik der Stadt – ein ruhiger, abgeschirmter Ort war, den Jamal gern nutzte, um sich nach einer anstrengenden Arbeitswoche zurückzuziehen.

Ein kleines Tischchen aus Holz und zwei Metallstühle mit weißem Überzug standen dort, und im Sommer hatte er sich einen Kräutertopf mit Basilikum und Thymian hingestellt. Vor einigen Tagen hatte er sich auch einige Hefte gekauft, um sich über den Anbau von Tomaten zu informieren, da er seine Ernährung mehr umstellen wollte.

Mit seinem voranschreitenden Alter hatte er gemerkt, dass er das fertige Essen aus Supermärkten nicht mehr sonderlich gut vertragen konnte, weshalb er immer mehr selbst züchten wollte.

Die Aussicht reichte bis zu den modernen Glasbauten der Innenstadt, auch wenn man die Augen ein wenig zusammenkneifen musste, um sie genau zu erkennen. Gerade abends, wenn die bunten Lichter Frankfurts angingen, saß er hier gern mit einem Glas Atay und ließ seine Gedanken einfach schweifen.

Das Schlafzimmer lag hinter einer Schiebetür aus Glas und bot Platz für das Nötigste: ein großes, tiefblaues Bett, eine Nachtlampe mit warmem Licht und eine Kommode, auf der ein paar Büche standen, die Jamal noch nicht angefangen hatte, zu lesen, und seine Medikamente.

Direkt daneben befand sich das Badezimmer – es war sehr klein, aber mit edlen Akzenten, wie dem Waschbecken aus Stein und einer bodengleichen Dusche.

Alles war schlicht und funktional, ohne unnötige Farben, Dekoartikel oder Schnörkel. Jamal mochte es so viel mehr. Hier, in diesem kleinen Apartment, konnte er sein Leben neu ordnen und gleichzeitig die Vergangenheit ausblenden. Zumindest meistens.

Mit einem Seufzen machte Jamal sich auf den Weg in seine Küche und räumte das Geschirr in seinem Waschbecken in seine Spülmaschine, bevor er die Küchenplatte wischte und Wasser für Nudeln aufsetzte. Es war Freitag, was bedeutet, dass Dunya wieder zu Besuch kommen würde.

Über die vergangenen paar Wochen hatten sie es sich zur Angewohnheit gemacht, sich jeden Freitag bei Jamal zuhause zu treffen und gemeinsam zu kochen, oder einen Spaziergang um den Block zu machen, wo sie sich in die Bäckerei setzten, in der sie sich vor einigen Monaten kennengelernt hatten, als Jamal sich Croissants und einen Kaffee holen wollte.

Sie hatten sich wie üblich für sieben Uhr verabredet, und obwohl er den Abend geplant hatte, war er sich diesmal seiner Gefühle nicht sicher. Es waren jetzt einige Wochen vergangen, seit sie angefangen hatten, Zeit miteinander zu verbringen, und was als lockeres Kennenlernen begonnen hatte, war für sie offenbar mehr geworden.

𝐓𝐀𝐆𝐄𝐋𝐀𝐍𝐆 𝐑𝐄𝐆𝐄𝐍𝐓𝐑𝐎𝐏𝐅𝐄𝐍 | 𝐒𝐤𝐚𝐧𝐝𝐚𝐥Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt