otuzüç | ثلاثة وثلاثين

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Die Nacht war bereits hereingebrochen, als Valeria endlich aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Ceylin hatte ihr frische Sachen von sich selber gebracht und Jamal hatte sich am Nachmittag darum gekümmert, eine Tragetasche für Lirim zu organisieren, da ihre ganzen Sachen noch in der Wohnung waren und sie nicht wollte, dass Jamal und Ceylin dahin gehen und sich damit in Gefahr begeben.

Also mussten die drei Jugendlichen improvisieren, aber sie hatten es am Ende des Tages irgendwie geschafft, für alles aufzukommen. Jamal trug Valerias kleine Tasche, die den Umständen entsprechend als Wickeltasche fungieren musste, und hielt die Tragetasche seiner Tante, die vor kurzem ein Kind zur Welt gebracht hatte, in der anderen Hand, während Ceylin ihr dabei half, sich umzuziehen.

Zwar würde sie es nicht laut zugeben, aber zu sehen, wie Jamal mit der Tragetasche und der Wickeltasche aus dem Krankenhaus lief und sich so aufmerksam um Lirim kümmerte, sorgte für Schmetterlinge in ihrem Bauch, und sie ertappte sich mehrmals dabei, wie sie ihn förmlich anstarrte.

Valeria hingegen war sehr ruhig. Die Gedanken an ihre Zukunft lasteten schwer auf ihr, während sie neben Jamal und Ceylin im Auto seines Vaters saß. Es wehte ein frischer Wind durch die offenen Fenster, und der Himmel war nach sehr langer Zeit mal wieder sehr klar, weshalb sie die Sterne von hier unten sehen konnte. Ceylin saß vorne neben Jamal und schaute ebenfalls aus dem Fenster, während Jamal sich auf die Straße konzentrierte.

Lirim schlief wieder neben ihr in seiner Tragetasche, und als ihr Blick auf ihrem Sohn hängen blieb, spürte sie, wie sich ein Knoten in ihrem Hals bildete. Selbst wenn sie versuchen würde, zu verarbeiten, was sie sich gerade dachte, würde sie nicht die passenden Wörter dazu finden. Weder auf deutsch, noch auf albanisch.

Der einzige Gedanke, den sie im Moment klar fassen konnte war, wie dankbar sie Ceylin dafür war, dass sie damals ausgerechnet an ihrer Tür geklingelt hatte, weil sie kein Mehl hatte, und dass die beiden sich angefreundet hatten, denn ansonsten wüsste Valeria nicht, an wessen Tür sie sonst hätte klingeln sollen.

Valeria atmete tief ein und sah wieder aus dem Fenster. Sie hatten sich dazu beschlossen, vorerst zu Jamals Tante zu gehen, die bereit war, Valeria vorübergehend bei sich aufzunehmen. Natürlich hatten ihr sowohl Ceylin, als auch Jamal, ihre eigene Wohnung angeboten, aber Valeria sträubte sich, wieder in die Siedlung zu gehen, aus der sie so verzweifelt fliehen wollte.

Als die drei in der Wohnung der Tante angekommen waren, wurden sie von einem jungen Mädchen empfangen, die scheinbar die jüngste Tante von Jamal war, und sie führte sie in das Wohnzimmer und machte Tee für ihre Gäste, während Jamal und Ceylin sich im Flur über etwas unterhielten.

Als der Tee für alle fertig war, setzten sie sich gemeinsam an den Couchtisch, und tranken alle schweigend ihren schwarzen Tee. Keiner von den Anwesenden wusste, was er sagen sollte, vielleicht waren sie alle aber auch einfach nur zu müde.

"Ich heiße Naima", stellte sich die Tante von Jamal schließlich vor und lächelte sanft. Ceylin bemerkte, dass sie das selbe Lächeln wie Jamal hatte, und ihre Augen auf die selben Weise funkelten, wenn sie lächelte.

"Ich bin Valeria", antwortete sie ihr freundlich und schaute dann wieder zu Lirim. "Und das ist mein Sohn, Lirim."

"MashAllah", kommentierte Naima und füllte ihren Gästen neuen Tee auf. "Meine Schwester hat auch vor kurzem ein Kind bekommen, sie heißt Farah."

"Wie schön", sulzten Ceylin und Valeria gleichzeitig, und Jamal nickte.

"Willst du ein Foto sehen?", fragte er Ceylin, und das junge Mädchen nickte aufgeregt, während sie zusah, wie er sein Handy aus seiner Hosentasche zog und nach einem Foto suchte.

𝐓𝐀𝐆𝐄𝐋𝐀𝐍𝐆 𝐑𝐄𝐆𝐄𝐍𝐓𝐑𝐎𝐏𝐅𝐄𝐍 | 𝐒𝐤𝐚𝐧𝐝𝐚𝐥Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt