Das grelle Blaulicht der Rettungswagen schnitt durch den Tag wie ein messerscharfer Strahl der Wirklichkeit, während das Fahrzeug mit Ceylin an Bord in die Notaufnahme raste. Ceylins Körper lag leblos in der Mitte des Wagens, ihr rechter Arm hing kraftlos an der Trage vorbei, während die Sanitäter um sie herum wie wild versuchten, sie bei Sinnen zu halten, bis sie endlich ankommen.
Sie waren umgeben von blutgetränkten Verbänden und fetzen Stoff, mit denen sie versucht hatten, ihre Wunden zu stopfen, doch das junge Mädchen hörte nicht auf, zu bluten.
Es herrschte eine hektische Betriebsamkeit im Krankenhaus, als der Rettungswagen am Eingang zu der Notaufnahme zu stehen kam und die Türen aufgerissen wurden. Einige Ärzte und Schwestern, die zuvor informiert wurden, eilten hin und her und versuchten, den Sanitätern zu helfen, die nach und nach aus dem Wagen stiegen und schließlich den Körper des jungen Mädchen anhoben.
Maschinen piepten und die Luft in der Notaufnahme waren von aufgeregten Stimmen, lauten Geräuschen und verzweifelten Rufen erfüllt, als die Schwestern die Trage, auf dem Ceylins lebloser und blasser Körper lag, durch die Menge schoben und sofort in den Operationssaal fuhren.
Ein Team von Ärzten folgte hektisch durch die Schiebetüren in den Operationssaal, um sie sofort in Empfang zu nehmen, ohne sich Zeit für die Frage oder Erklärungen zu nehmen, auch wenn Ceylins Eltern ihnen hinterher eilten und mehrmals laut fragten. Die Türen verschlossen sich direkt vor ihren Gesichtern, und sie blieben draußen zurück.
Der Flur vor dem Operationssaal war ein Ort der Ungewissheit, das hatte Ceylins Mutter im Laufe ihres Berufs als Krankenschwester bereits früh gelernt. Doch eigentlich war sie immer auf der anderen Seite; Sie war diejenige, die anderen half, ihnen Wasser brachte, sich um die Kranken kümmerte. Und plötzlich war sie auf dieser Seite.
Sie hatte Ceylins Tasche fest umklammert, bemerkte sie, als sie sich zitternd auf einen der gelben, harten Plastikstühle fallen ließ und den Kopf in den Nacken warf. In ihr brannte es, aber sie durfte sich auf keinen Fall etwas anmerken lassen, denn Deniz war noch immer neben ihnen, und er wurde bereits genügend traumatisiert.
Sie musste standhaft bleiben.
Ceylins Vater ging rastlos den Gang auf und ab. In seinem Kopf waren so viele Fragen, aber sobald er seinen Mund öffnete, um seine Gedanken in Sätze zu formulieren, war plötzlich alles wieder blank und brachte kein Wort heraus. Sein Blick glitt auf seine Hände und das weiße Hemd, das nun vollkommen verschmutzt mit dem Blut seiner Tochter war.
Veysel wandte den Blick sofort wieder ab, als er bemerkte, wie sein Atem ins Stocken kam.
Sie tauschten kaum Worte, nur Blicke voller Angst und Hoffnung. In ihren Köpfen liefen die schlimmsten Szenarien ab, doch keiner von beiden traute sich, sie laut auszusprechen, aus Angst, sie würden sich verwirklichen.
Sie hatten keine andere Wahl als sich daran festzuhalten, dass Ceylin ein unfassbar starkes Mädchen war, dass auch hier wieder mit einem Lächeln rauskommen würde.
Ceylins Mutter legte ihre Hände in den Schoß und senkte den Blick, bevor sie aus dem Augenwinkel die Sportschuhe ihres Sohnes sehen konnte, der neben ihr saß. In ihr drehte sich alles wieder, als sie die Blutflecken an seinen weißen Schuhen erkannte und in sein Gesicht schaute.
Deniz' Blick war starr an die Wand vor sich gerichtet, und er zitterte noch immer vor Angst. Seine Haare waren alle durcheinander, und an seiner Wange hatte er einen Blutfleck, von dem die Mutter sich nicht trautem, ihn wegzuwischen.
Sie hatte Angst, dass sie ihn damit aus der Trance ziehen würde, in der er gefangen war, und alles nur schlimmer machen würde. Auf dem Weg hierhin hatte sie bereits eine Freundin angerufen, damit sie Deniz abholen konnte, und sie würde womöglich jeden Augenblick hier auftauchen.
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𝐓𝐀𝐆𝐄𝐋𝐀𝐍𝐆 𝐑𝐄𝐆𝐄𝐍𝐓𝐑𝐎𝐏𝐅𝐄𝐍 | 𝐒𝐤𝐚𝐧𝐝𝐚𝐥
RomansaNach der Trennung ihrer Eltern findet die 17-jährige Ceylin Afet Zuflucht in einem Essener Plattenbauviertel. Um ihr altes Leben endgültig hinter sich zu lassen und neu zu starten, verfremdet sie ihre Identität an ihrer neuen Schule und verschleiert...