otuzyedi | سبعة وثلاثون

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Ceylin saß auf ihrem Bett und fuhr mit ihren Augen den Umrissen der dutzenden Sterne nach, die sie vor wenigen Wochen an ihre Decke geklebt hatte. Sie war bis zum Bettrand gerutscht und lehnte sich an die Wand hinter sich, während sie die Knie an die Brust gezogen hatte und sie mit ihren Armen umschloss.

Das Gespräch mit ihrer Mutter hallte noch nach und ihre Worte schienen sich tief in ihr Gedächtnis zu brennen. Ceylins Blick glitt von den Sternen an ihrer Decke zu der Unordnung gleich neben ihrem Bett.

Ihr Kleid lag zerzaust auf dem Boden und die Rosen, die sie von der Schulleitung bekommen hatte, lagen ungeachtet darauf. Ihr Zeugnis hatte sie auf ihrem unordentlichen Schminktisch verstaut, bis sie einen besseren Platz dafür hatte.

"Dein Vater hat sich diesmal wirklich verändert", hörte sie in ihrem Kopf und blinzelte mehrmals, bevor sie sich wieder nach hinten lehnte und runter auf ihre eigenen Füße schaute. "Er hat seit fast zwei Jahren einen festen Beruf als Logistiker und verdient gutes Geld."

Ceylin strich sich die Haare aus dem Gesicht und atmetet laut aus. Sie wollte es diesmal wirklich glauben. Um ehrlich zu sein gab es wirklich nichts, was sie sich mehr gewünscht hatte.

"Dein Vater geht seit zwei Jahren regelmäßig zur Therapie, um die Dinge zu verarbeiten, über die er nie mit uns reden konnte, mein Schatz. Er hat schon als Kind sehr schlimme Dinge erlebt, die wir uns gar nicht vorstellen können, aber er möchte sich für dich und Deniz ändern", hatte ihre Mutter gesagt, während sie ihr sanft über die Wange strich und lächelte.

Ihr Blick war müde, hatte Ceylin gemerkt, aber trotzdem spiegelte sich eine seltsame Art und Weise von Hoffnung in ihrem Gesicht, was das junge Mädchen so sehr verunsicherte.

Ceylin strich sich erneut mit der Hand über das Gesicht und drehte sich auf die rechte Seite während sie den kleinen, braunen Teddybär fest an ihre Brust klammerte, den Jamal ihr vor einem Jahr zu ihrem 18.Geburtstag geschenkt hatte. Als sie ihn neu bekommen hatte, roch er noch nach dem starken, arabischen Öl und dem kölnischen Wasser, die Jamal immer trug.

Mit einer ungeschickten Bewegung schob sie den Teddy ein wenig nach oben und roch daran, in der Hoffnung, er würde wenigstens einen Hauch nach Jamal riechen, aber alles, was sie erkennen konnte, war der süße Duft ihres eigenen Bodysprays.

Sie fühlte sich überwältigt von all den Informationen und der Erwartung, die ihre Mutter an sie stellte, aber sie wollte auch nicht länger darüber nachdenken.

Stattdessen entschied sie sich dazu, am nächsten Morgen mit Jamal zu sprechen und ihn nach einem Rat zu fragen, da er definitv der rationalere zwischen den beiden war.

Jamal war sozusagen der einzige, dem sie zutraute, einen klaren Kopf zu bewahren und ihr eine ehrliche Meinung zu geben.

Kurz bevor ihre Augen träge und schwer wurden und sie spürte, wie sie langsam von ihrer Müdigkeit eingenommen wurde, musste sie an die abschließenden Worte ihrer Mutter denken, die sich immer wieder in ihrem Kopf wiederholten, wie eine alte Platte, die zerkratzt war und nicht mehr funktionieren wollte.

"Dein Vater und ich wissen beide, dass wir sehr vieles bei dir falsch gemacht haben. Wir waren jung, unerfahren und hatten niemanden, der uns an die Hand genommen hat und uns einen Weg gezeigt hat. Aber seit einem Jahr gehen wir beide in eine Paartherapie und haben, unabhängig von euch, an uns beiden gearbeitet. Ich bitte dich von Frau zu Frau. Wir haben beide sehr schwere Zeiten durchgemacht. Aber du siehst auch, dass Deniz immer älter wird. Er ist mittlerweile schon sechs Jahre alt und fängt nach den Sommerferien mit der Grundschule an. Wir wollen als eine Familie funktionieren, und nicht dieselben Fehler machen oder wiederholen, die wir bei dir gemacht haben. Bitte denk darüber nach, mein Schatz."

𝐓𝐀𝐆𝐄𝐋𝐀𝐍𝐆 𝐑𝐄𝐆𝐄𝐍𝐓𝐑𝐎𝐏𝐅𝐄𝐍 | 𝐒𝐤𝐚𝐧𝐝𝐚𝐥Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt