"Sie heißt Myra." Hörte ich eine bekannte Stimme. Aber es war weder Johns noch Sams Stimme.
Mit großen Augen löste ich mich von den Augen des Captains und suchte die Masse nach ihm ab. Wieder zerrte ich an den Seilen. Doch sie schnitten nur zu sehr in meine Haut.
John und Sam traten grinsend zur Seite. Und da stand er. Natürlich sah er älter aus, muskulöser und erwachsener."Henry." Flüsterte ich sprachlos.
Seine blonden Haare waren kürzer aber trotzdem noch so zottelig wie damals. Ein drei Tage Bart zierte ihn um seiner Mundpartie.
"Ihr kennt euch?" Stellte der Captain fragend fest.
"Ja. Sie ist meine Schwester." Antwortete Henry und kam noch ein Stück auf mich zu.
"Was machen wir jetzt mit ihr? Frauen bringen Unglück auf Schiffen."
Mit diesen Worten stand der Captain wieder auf. Henry und er standen sich gegenüber. Ich schnaubte abfällig bei seiner Bemerkung."Lasst mich doch über die Planke gehen, so wie es die anderen mit den Frauen gemacht haben." Murrte ich.
"Myra." Zischte Henry streng.
Langsam sah ich zu ihnen rauf.
Gott war er groß geworden.
"Du denkst also, wir sind wie die?" Hakte der Captain nach. Ich runzelte leicht meine Stirn.
"Ja. Immerhin seid ihr ebenfalls Piraten." Antwortete ich.
Die Crew fing an zu lachen."Ich habe doch gesagt sie ist ein lustiges Frauenzimmer." Mischte sich John grinsend ein.
"In letzter Zeit war sie es zwar nicht aber am Anfang schon." Führte er weiter aus.
"Du weißt ganz genau wieso mir das Lachen auf dem Schiff schnell vergangen ist. Ihr zwei wisst was sie mit uns gemacht haben." Brummte ich. Wieder zog ich an den Seilen.
Zischte aber nur schmerzvoll auf als sie sich in meine geschundene Haut rieben."Wie bist du eigentlich auf dem Schiff gelandet? Es wäre mir neu, dass Wasser dein Freund ist." Mischte sich mein Bruder ein.
Tränen schossen in meine Augen.
Ich schüttelte nur schnell meinen Kopf und sah nach unten.
"Will, könnte sie nicht vorerst wie wir anderen auch auf dem Schiff arbeiten? Ich weiß das sie anpacken kann.
Auf unserer Rückreise können wir Sie doch dann in unserem Heimathafen absetzen." Schlug mein Bruder vor.Ich würde natürlich lieber auf dem Schiff arbeiten als andere Dinge mit den Männern machen zu müssen.
Aber zurück nach Hause wollte ich definitiv nicht mehr.
Vater wäre nicht erfreut. Doch das würde ich Henry zu einem späteren Zeitpunkt erzählen. So, dass es nicht die gesamte Crew mitbekommt.
Ich spürte den nachdenklichen Blick des Captains auf mir. Er seufzte."Hmm. Ich überlege mir was. Lasst sie vorerst angebunden. Nicht das sie von sich aus über die Planke gehen will." Der Captain verschwand mit diesen Worten. Die Crew lachte und verteilte sich auf dem Deck.
Henry umarmte mich etwas umständlich.
"Ich muss noch etwas arbeiten. Brauchst du irgendwas?" Fragte er fürsorglich."Vielleicht etwas zu trinken?" Hakte ich nach. Henry nickte lächelnd und verschwand. Kurz darauf kam er mit einer Kanne und einem Becher wieder.
"Black Jack hat euch nicht viel gegeben oder?" Henry füllte den Becher und hielt ihn an meine spröden Lippen. Gierig trank ich das kühle, klare Wasser. Es war eine Wohltat.
"Wenn wir Glück hatten, bekamen wir einmal am Tag etwas Wasser und Essen." Antwortete ich.Henry gab mir solange etwas zu trinken, bis die Kanne leer war.
"Henry! Auch du hast zu arbeiten!" Rief der Captain über das Deck. Mein Bruder verdrehte seine Augen. Kurz küsste er meine Stirn und stand auf.
"Ich war gerade auf dem Weg William!" Konterte mein Bruder und verschwand.
Nun saß ich alleine dort.Festgebunden auf einem Piratenschiff. Auch wenn mein Bruder hier war, wusste ich noch nicht ob es hier wirklich sicherer wäre.
Vorerst siegte aber meine Neugier und ich beobachtete die Crewmitglieder bei ihren Aufgaben. Einige sortierten die neu dazugewonnen Materialien.
Die Kisten wurden dann unter Deck gebracht.
Ob sie hier wohl noch mehr Gefangene hatten?Andere schärften die Schwerter und Säbel.
Ich beobachtete Henry wie er hoch zum Ausguck kletterte. Als er sicher oben angekommen war, ließ ich meinen Blick weiter über das Deck schweifen.
Ungehindert fiel mein Blick auf den Captain, William.
Er unterhielt sich mit Samuel, welcher das Schiff steuerte. Beide sahen immer wieder zu mir.William trug ein Bandana, welches sein braunes Haar bei dem Wind zurück hielt. Vom Alter her schien er 25 Jahre alt zu sein. Ein sehr junger Captain. Nicht das ich bisher viele kennengelernt hätte.
Er verschränkte die Arme vor seiner Brust.
Ich spürte eine leichte Röte in meinen Wangen. William hatte mich beim starren erwischt. Nur schwer konnte ich meinen Blick von ihm lösen.
Nun starrte ich auf die Weite des Ozeans.
Von allen Piraten, welchen ich bisher begegnete, war William der attraktivste.Am Abend kamen alle auf Deck zusammen um dort zu Essen. Die Gerichte rochen köstlich. Das Wasser lief mir sofort im Mund zusammen.
Während die Männer aßen, versuchte ich mich irgendwie abzulenken.
Meinen Kopf lehnte ich an den Mast. Meine Augen schloss ich dabei."Hast du Hunger?" Meine Augen öffnete ich abrupt als Henry vor mir stand.
Mit großen Augen sah ich ihn an und nickte. Er ging um den Mast und löste die Knoten.
"Will erlaubt es dir am Tisch zu essen." Meinte Henry als er mir auf half.
Ich nickte und folgte ihm nervös aber auch schüchtern. Er zog einen Stuhl neben John zurück. Ich lächelte ihn kurz dankend an und setze mich hin. Henry ließ sich neben mir nieder.
Mein Blick fand Williams."Danke." Sagte ich. Er beugte sich leicht vor. Seine Augen taxierten mich.
"Ich möchte dir eine Chance geben. Die drei Männer haben ganze Überzeugungsarbeit geleistet." Antwortete er mit seiner tiefen Stimme. Er deutete auf Josh, Sam und Henry. Auch bei den Dreien bedankte ich mich.
"Wir sollten ihr neue Kleidung besorgen." Warf William dann nachdenklich ein. Henry war damit beschäftigt, mir Essen auf den Teller zu machen. Ich sah auf mein Kleid hinab. Es hatte in den letzten Tagen deutlich gelitten. An vielen Stellen war es kaputt gerissen. Es befand sich nur noch ein Träger an meinem Kleid.
"Ist vielleicht etwas in den Kisten dabei?" Fragte Henry. Will nickte nachdenklich.
"Ich werde mich darum kümmern." Antwortete der Angesprochene.
Henry stellte den Teller vor mir hin und ich begann mit Essen. Es entfachte eine Konversation am Tisch. Doch dieser konnte ich nicht folgen. Zu sehr war ich auf mein Essen fixiert."Ich biete dir an in einer der Kajüten für die Crewmitglieder zu schlafen." Meinte der Captain nachdem wir alles weggeräumt hatten. Ich taumelte ein Stück nach hinten und sah ihn aus ängstlichen Augen an.
"N-nein. Gibt es denn.. keine andere Möglichkeit?" Fragte ich vorsichtig.
William musterte mich und runzelte dabei die Stirn.
"Dann musst du wohl hier oben auf Deck schlafen." Antwortete er und war verschwunden.Ich wartete bis alle Männer in ihren Kajüten waren. Dann suchte ich mir eine leichte, wettergeschützte Ecke und versuchte es mir auf dem Fußboden bequem zu machen. Gerade als ich meine Augen geschlossen hatte, fielen Decken und Kissen auf mich.
Ich wich erschrocken zurück und sah hoch zu meinem Bruder.
"Was wird das?" Fragte ich überrascht.
Er machte es sich neben mir bequem.
"Ich leiste dir Gesellschaft." Meinte Henry gähnend. Ich bedankte mich bei ihm und machte es mir dank des Kissens und der Decke etwas bequemer auf dem Holzboden.
Es dauerte nicht lange bevor ich in einen erholsamen Schlaf fiel.

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The Pirates
Historical FictionWir schreiben das Jahr 1690 Die Piraterie ist auf Hochtouren Ein armer Mann, verkauft seine einzige Tochter an Piraten Ihr ist bewusst, dass ihr schlimmes bevor steht Eine junge Frau, alleine auf einem Piratenschiff Doch das Schicksal schlägt kur...