Part 14

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Den restlichen Tag über langweilte ich mich. Durch meine Verletzung konnte ich leider nichts machen. Natürlich versuchte ich mehrmals aufzustehen, aber der Schmerz war zu unangenehm.
Außerdem wurde ich von Henry, Sam und John wie eine Prinzessin behandelt. Da nutzte ich diese Situation doch gerne aus.
Regelmäßig kam einer der Drei vorbei und fragte ob ich etwas bräuchte.
William hatte ich seit unserem Gespräch am Morgen nicht mehr gesehen.

Am Abend holte mich dieses Mal John von meinem Platz ab. Auch er hob mich hoch und trug mich. Eine Hand legte ich in seinen Nacken.
Es war ein seltsames Gefühl welches durch meinen Körper strömte.
Natürlich vertraute ich ihm. John war ein wirklich guter Freund geworden.
Ich fühlte mich wohl in seiner Nähe. Aber ich musste mir leider eingestehen, dass mir Williams Nähe viel lieber war.
Will löste ein angenehmes Kribbeln in meinem Körper aus.

Als wir am Tisch ankamen, spürte ich Williams wütenden Blick auf uns.
John ging unbeirrt weiter und setzte mich auf den Stuhl.
Ich lächelte ihn an und bedankte mich.
John grinste und nahm wie immer neben mir Platz.
Mein Blick glitt langsam zu William herüber. Sein ganzer Körper war angespannt. Sein Mund war eine schmale Linie.
Wieder funkelte er John wütend an.
Leicht lehnte ich mich zu John.

"Er bringt dich irgendwann noch um wenn du ihn weiter so reizt." Flüsterte ich. John fing an mit lachen und sah mich belustigt an.
"Weil ich einer Freundin geholfen habe?" Fragte John. Dabei achtete er nicht darauf, dass seine Stimme kein Flüstern war.
"Er hätte es genau so machen können." Mit einem zucken wandte er sich seinem Trinken zu.
Wieder glitt mein Blick zu William. Doch er sah nachdenklich auf den Tisch. Seinen Kopf stützte er leicht auf seine Hand.

Henry legte seinen Arm um mich.
"Wie geht es deinem Bein?" Fragte er besorgt nach. Ich hatte schon aufgehört mit zählen, wie oft er mich dies heute schon gefragt hatte.
"Es schmerzt nur wenn ich es belaste." Antwortete ich wahrheitsgemäß. Henry nickte und blickte zu Jenkins.
"Jenk, hast du irgendeine Tinktur die sie auf die Wunde machen kann?" Fragte mein überfürsorglicher Bruder.
Dieser schien kurz zu überlegen bevor sein Kopf schließlich nickte.
"Ja. Da dürfte ich tatsächlich etwas haben. Reicht es, wenn ich nach dem Abendessen danach schaue?" Fragte Jenkins und sah sehnsüchtig auf das Essen vor ihm.
"Ja natürlich. Die Wunde wird mich nicht gleich umbringen." Sagte ich lächelnd. Jenkins dankte mir und fing an mit Essen.

"Myra, wenn deine Wunde geheilt ist, könnten wir dann etwas kämpfen üben? Du warst wirklich faszinierend." Mischte sich James plötzlich ein.
Ungewollt wurde ich Dank des Kompliments rot.
"Es gibt durchaus bessere Schwertkämpfer als mich hier auf dem Schiff. William zum Beispiel." Antwortete ich. Der Blick unseres Captains schnellte in die Höhe.
"Aber er ist immer so beschäftigt." Sagte James geknickt. Er sah zu William auf. Das war mir schon oft bewusst geworden. James sah in William ein Vorbild.

"Hast du ihn denn schonmal gefragt?" Wollte ich wissen. Mir war bewusst, dass William unserem Gespräch lauschte.
"Nein das hat er nicht." Mischte sich William ein. James machte sich ein Stück kleiner. Nervös huschten seine Augen zu unserem Captain. James traute sich nicht. Aber warum?
"William, ich kenne da einen kleinen netten Burschen der dich sehr bewundert und sich gerne ein paar deiner Schwertkünste annehmen würde. Wäre es möglich, dass du ihn mal unterrichtest?" Fragte ich offen.

Die restliche Crew verstummte und lauschte ebenfalls dem Gespräch.
William sah mich erst etwas verwirrt an, verstand dann aber. Er nickte.
"Ich nehme mich sehr gerne dem Burschen an." Antwortete William.
Sein Blick glitt hinüber zu James. Dieser sah ihn mit großen funkelnden Augen an.
"Wirklich?" Fragte James aufgeregt.

"Ja natürlich. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass du zu mir kommen kannst wenn etwas ist oder du etwas möchtest." Williams Stimme war sanft. Als würde er mit einem kleinen Bruder sprechen.
Ich grinste die Zwei zufrieden an und konzentrierte mich auf mein Essen.
Die Gespräche der anderen schwollen wieder an. Immer wieder warf ich einen Blick auf William.

"Du starrst ihn mindestens genau so oft an, wie er dich." Flüsterte John.
Erschrocken fuhr ich zusammen und sah zu ihm.
"Und du beobachtest uns anscheinend ebenfalls." Murmelte ich.
"Das würde ein Blinder sehen Myra." Antwortete John gelassen.
Ich schüttelte leicht meinen Kopf und versuchte, meine Blicke nun bei mir zu behalten.

"Ich gehe schlafen." Verkündete Henry und sah mich fragend an.
"Ich würde gerne noch etwas hier oben bleiben." Antwortete ich. Henry nickte und küsste meine Stirn.
Er wandte sich ab und ging unter Deck. Alle anderen waren schon längst verschwunden. Henry und ich saßen bis eben an der Reling und betrachteten den Sternenhimmel.

Schon oft hatte ich ihn mir zuhause abgesehen. Aber es war kein Vergleich zu diesem Himmel hier.
Es war anders. Dieser hier war noch faszinierender und atemberaubender.
Der Wind hatte zum Abend wieder aufgefrischt. Ich fröstelte leicht aber ich konnte mich noch immer nicht vom Sternenhimmel lösen.
Ich sah erst auf, als eine Decke über meinen Körper gelegt wurde. Ich blinzelte kurz und sah zu der Person vor mir. William.

Ich lächelte ihn dankend an und klopfte auf die Holzdielen neben mir.
William nahm stumm die Einladung an und setzte sich neben mir hin.
"Kann ich dich was fragen?" Schoß ich direkt los. William nickte.
"Warum ermordest du John immer mit deinen Blicken?" Neugierug sah ich ihn an.
"Das tue ich gar nicht." Brummte William. "Ich habe das Gefühl, dass du nur selten ein gutes Haar an mir lässt."
Überrascht sah ich zu ihm herüber.
"Das stimmt nicht." Sagte ich leise.
William seufzte und sah mich an.
Seine Augen glitten forschend über mein Gesicht. An meinen Lippen blieb er länger als notwendig hängen.

Ich sah langsam wieder in den Himmel. Wir schwiegen beide eine Weile.
"James freut sich sehr, bald mit dir trainieren zu können." Brach ich dann doch das Schweigen.
"Ja. Ich hatte mich auch nochmal mit ihm unterhalten. Er hatte Angst vor einer Abweisung." Erzählte William.
"Du hattest ihn angesehen, als wäre er dein kleiner Bruder." Flüsterte ich.

"James ist wie ein kleiner Bruder. Gott wie oft er mich damals zur Weißglut gebracht hat." Ein leichtes Lachen verließ seine Kehle.
"Er kann sich wirklich glücklich schätzen, auf deinem Schiff gelandet zu sein." Ich lächelte in den Himmel.
Langsam ergriff mich die Müdigkeit.
Doch ich wollte Williams Nähe noch etwas länger genießen.

"Bist du es denn auch?" Nun war er derjenige, der flüsterte. Ich spürte seinen Blick auf mir.
Für diese Antwort brauchte ich nicht lange überlegen.
Ich fühlte mich wohl und geborgen hier. Ich war ein Teil der Crew.
Ich gehörte dazu. Niemand schlug mich oder nutzte mich aus.
Mir wurde klar, dass ich schon lange nicht mehr so glücklich und frei war, wie in dieser jetzigen Zeit.
"Ja." Flüsterte ich.
William rutschte ein Stück näher zu mir. Unsere Arme berührten sich.
"Möchtest du etwas Decke?" Meine Stimme hörte sich schläfrig an.
"Nein danke. Mir ist warm genug."
Ich nickte leicht. Meine Augenlider wurden langsam schwer.
Ich gähnte leise und fing an die dutzenden Sterne zu zählen.

"Bist du müde?" Fragte William.
Ich schüttelte meinen Kopf.
Doch nur wenige Minuten später, konnte ich meine Augen nicht mehr offen halten. Kurz bevor ich in einen tiefen Schlaf glitt, fiel mein Kopf auf Williams Schulter.

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