Tag 17

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Ich drehte die Kaffeetasse in meiner Hand hin und her. Jimin, Seokjin, Namjoon, Jungkook und Taehyung saßen vor mir und starrten mich an. Ehrlich gesagt waren das mir eindeutig zu viele Menschen, aber ich sagte nichts. Dazu hatte ich keine Energie. Die Energie dafür konnte mir nicht einmal der Kaffee liefern.

"Also...", unterbrach Namjoon schließlich die Stille. Ich richtete meinen Blick auf ihn, da ich echt keine Lust hatte, die Aufmerksamkeit aller auf mich zu ziehen. "Du weiß sicherlich, wieso Hoseok manchmal so... impulsiv und aggressiv ist, oder?"

"Weil er ein Arschloch ist", antwortete ich genervt und nahm einen Schluck Kaffee.

"Das ist nicht der Grund. Hoseok... er hat... eine bipolare Störung namens Manie", erklärte Namjoon und ich legte meinen Kopf fragend schief. Was war Manie?

Die anderen sahen sich unsicher an, bevor Jimin sich räusperte. "Tut mir leid, dass wir die das nicht früher erzählt haben. Ihr beide habt euch so sehr gehasst und naja, wir wollten es nicht noch schlimmer machen."

"Und was ist jetzt dieses Marie oder wie das heißt?", fragte ich und drehte die Tasse auf dem Tisch, um wenigstens irgendwas zu tun zu haben.

Jimin seufzte und begann zu erklären: "Manie ist eine psychische Erkrankung, bei der die Betroffenen extreme Stimmungsschwankungen erleben. Es gibt zwei Pole: Manie und Depression. In der Manie-Phase fühlt sich die Person übermäßig euphorisch, energiegeladen und voller Ideen. Sie kann impulsiv handeln, hat wenig Schlafbedürfnis und sprudelt vor Energie. In der depressiven Phase hingegen fühlt sie sich niedergeschlagen, müde, hoffnungslos und verliert oft das Interesse an Dingen, die sie normalerweise genießt."

Ich nickte langsam, während ich versuchte, all diese Informationen zu verarbeiten. Es war schwer vorstellbar, dass Hoseok eine psychische Erkrankung hatte, vor allem, weil ich ihn so lange gekannt hatte und nie Anzeichen davon bemerkt hatte. Oder hatte ich sie einfach nur ignoriert?

"Und wie geht ihr damit um?", fragte ich schließlich, meinen Blick auf Jimin gerichtet.

Jimin seufzte. "Es ist nicht einfach. Wir versuchen, Hoseok so gut es geht zu unterstützen und ihm zu helfen, mit seinen Stimmungsschwankungen umzugehen. Aber es gibt Momente, in denen er die Kontrolle verliert, besonders in stressigen oder emotional belastenden Situationen."

"Und was hat das mit mir zu tun?", fragte ich, während sich ein Gefühl der Verwirrung und Unverständnis in mir breit machte.

"Du scheinst ein wichtiger Teil von Hoseoks Leben zu sein, Yoongi", erklärte Seokjin sanft. "Aber manchmal kann er seine Emotionen nicht kontrollieren und projiziert sie dann auf dich. Es ist nicht fair, aber das ist die Realität."

Ich schluckte schwer, als die Worte der anderen in mein Bewusstsein drangen. Ich wollte Hoseok helfen, ich wollte für ihn da sein, aber wie sollte ich das tun, wenn er mich immer wieder verletzte?

"Wir verstehen, wenn du Abstand von Hoseok halten möchtest", sagte Jungkook leise. "Aber wir möchten auch, dass du weißt, dass er dich liebt, Yoongi. Auch wenn es manchmal nicht so aussieht."

"Also sind die Momente, in denen er mich würgt und anschreit, Anzeichen seiner Liebe? Wie rührend", scherzte ich und schnaubte.

Jimin seufzte leise und fuhr sich durch die Haare. "Es ist kompliziert, Yoongi. Hoseok hat Angst davor, dich zu verlieren, deshalb reagiert er manchmal über. Er weiß, dass er Fehler gemacht hat, aber er weiß nicht immer, wie er damit umgehen soll."

Ich spürte einen Kloß in meinem Hals, während ich versuchte, die Worte zu verarbeiten. Hoseoks Handlungen waren also ein verzweifelter Versuch, mich zu behalten, selbst wenn es bedeutete, mich zu verletzen?

"Aber das entschuldigt nicht, dass er mich immer wieder angreift", sagte ich leise, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

"Nein, das tut es nicht", stimmte Namjoon zu.

Plötzlich fiel mir etwas ein. "Zu welcher dieser beiden Phasen gehört sein Verlangen, jede freie Minute zu nutzen, um mich anzustarren, egal ob ich nackt bin oder nicht?", fragte ich.

Namjoon räusperte sich und erklärte: "In der Manie-Phase kann Hoseok ein gesteigertes sexuelles Verlangen verspüren. Das kann sich auf verschiedene Arten manifestieren, wie zum Beispiel durch ständiges Anstarren oder das Bedürfnis nach körperlicher Nähe."

Ich schluckte schwer, als ich das hörte. Auf der einen Seite fühlte ich Mitgefühl für ihn, auf der anderen Seite machte es die Situation noch komplizierter und beängstigender.

"Das ist... das ist verdammt schwer zu verstehen", murmelte ich schließlich. "Und er... liebt mich wirklich?", fragte ich unsicher und sah die anderen an.

"Hundertprozentig", warf Taehyung ein.

"Er hat mich letztens mitten in der Nacht angerufen und eine Stunde lang nur über dich geredet. Es tat ihm furchtbar leid, wie er dich behandelt hatte, aber er war zu wütend gewesen, um klar denken zu können", gab Jimin zu.

"Ich muss zu ihm", sagte ich und sprang auf. Niemand hielt mich auf, als ich mir meine Schuhe und Jacke anzog und die Treppe hinunter raste. Ich sprang auf mein Motorrad und fuhr los.

Der Fahrtwind peitschte mir ins Gesicht, als ich mit hoher Geschwindigkeit durch die Straßen raste. Meine Gedanken wirbelten wild durcheinander, während ich mich auf den Weg zu Hoseoks Wohnung machte.

Plötzlich hörte ich das durchdringende Geräusch quietschender Reifen und ein lautes Krachen, gefolgt von einem dumpfen Aufprall. Ich konnte nicht einmal schreien, als mein Motorrad von der Straße abkam und sich überschlug.

Als mein Körper endlich zum Stillstand kam, lag ich regungslos auf dem Boden. Jeder Atemzug war ein stechender Schmerz und mein Kopf pochte so heftig, dass es sich anfühlte, als würde er gleich explodieren. Panik und Angst überfluteten mich, als ich versuchte, mich zu bewegen, nur um festzustellen, dass ich dazu nicht in der Lage war.

Die Zeit schien stillzustehen, während ich auf dem kalten Asphalt lag und mich fragte, ob ich überhaupt noch lebte. Jeder Atemzug war ein Kampf und meine Sinne wirbelten in einem wirren Durcheinander. Ich schien alles hören zu können, gleichzeitig aber auch nichts. Meine Augenlider waren geschlossen, aber dennoch schien ich sehen zu können. Ich versuchte, mich zu erinnern, was gerade passiert war, aber meine Gedanken waren nur verschwommen und verwirrt.

Dann hörte ich Stimmen, die näher kamen, und dumpfe Schritte auf dem Asphalt. Jemand kniete neben mir nieder und legte vorsichtig eine Hand auf meine Schulter. "Hey, kannst du mich hören?"

Die Stimme war gedämpft, aber ich nickte schwach, um zu zeigen, dass ich verstanden hatte. Meine Augenlider fühlten sich bleischwer an, als ich versuchte, sie zu öffnen, und ich konnte nur einen verschwommenen Blick auf die Gestalt werfen, die über mir kniete.

"Du hast einen Unfall gehabt. Der Krankenwagen ist unterwegs", sagte die Stimme und ich spürte eine Welle der Erleichterung durch mich hindurchfließen. Jemand war gekommen, um mir zu helfen. Jemand würde mich aus dieser Hölle der Schmerzen retten.

»𝟑𝟎 𝐓𝐚𝐠𝐞« ˢᵒᵖᵉ ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt