22. Kapitel

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Mein Gegenüber trat einen Schritt zurück. Er wirkte fahrig. Genau so, wie ich mich fühlte.

"Ich gehe jetzt", sagte ich, bewegte mich aber nicht. "Und ähm, wegen des Festivals. Da schreiben wir nochmal?"

Wenn ich schon in der Nachhilfe wilde Fantasien über Jack spannte, wie sollte das dann werden, wenn wir in wenigen Tagen beide angetrunken am selben Zeltplatz schlafen würden? Super. Ganz, ganz toll.

Jack nickte abgelenkt, er hörte mir kaum zu. "Ja, ich melde mich."

Er rührte sich genauso wenig wie ich, also überwand ich mich und zwang mich aus meiner Starre. Ohne ihn nochmal anzusehen, schnappte ich mir meine Tasche und rauschte in Windeseile aus dem Zimmer in Richtung der Toilette. Gott sei Dank war sie unbesetzt, es gab hier nämlich nur eine.

Erst dort konnte ich wieder durchatmen und versuchte die irren Gedanken an Jack zu vertreiben. An seinen atemlosen Blick, an das Gefühl, meiner Hände auf seiner Hüfte. Nur der Stoff seiner Jeans zwischen uns.

Zur Beruhigung ließ ich mir anschließend einige Sekunden eiskaltes Wasser über die Hände fließen.

Leider hielt diese Besinnung nur so lange an, bis jemand energisch die Tür aufstieß. Erschrocken zuckte ich zusammen.

Ich blickte durch den Spiegel, um zu sehen, wer gekommen war. Es war Jack.

Unsere Blicke trafen sich in dem Glas. Seine Augen wirkten feurig und er kam mit großen Schritten auf mich zu.

Überfordert drehte ich mich um und stieß mit der Hüfte gegen das Waschbecken hinter mehr. "Was machst du hier?" Er erweckte nicht den Anschein, als müsste er auf Toilette. Stattdessen schien er es auf mich abgesehen zu haben.

Jack kam unmittelbar vor mir zum Stehen. Automatisch beugte ich mich mit dem Oberkörper ein wenig zurück, viel Spielraum hatte ich jedoch nicht. Meine Hände suchten Halt am Waschbeckenrand und ich starrte ihn an.

"Was ich hier mache?", wiederholte er meine Frage grob.

Irritiert blinzelte ich. Mein Herz schlug mir bis zum Hals bei seinem Anblick. Er war mir so nah, dass ich sehen konnte, wie sich sein Brustkorb unregelmäßig hob, seine Augen funkelten und ich hatte ihn noch nie so erlebt. Selbstbestimmt. Fordernd.

Halt. Hatte ich doch. Kleine Erinnerungsblitze an eine ganz ähnliche Situation schossen in meinen Kopf. Die, von vor zwei Jahren. Fuck.

"Ich weiß nicht, ob du das mit Absicht machst. Aber du hast mich gerade eine volle Stunde lang scharf gemacht. Was denkst du denn, was passiert?"

Überrascht hielt ich die Luft an. "Sag du mir, was passiert", murmelte ich heiser.

Mit einem Ruck griff er nach meiner Hüfte und drängte mich gegen die Wand links von uns. Erschrocken keuchte ich auf. Was zur Hölle?

Sein Körper presste sich an meinen und unsere Gesichter schwebten so nah voreinander, dass ich seinen schweren, warmen Atem spüren konnte. Seine Hände legten sich seitlich an meinen Hals, sodass seine Fingerspitzen sich in meinen Haaren vergruben. Mit seinen Daumen fixierte er meinen Kopf. Sie drückten unmittelbar an die Stelle unterhalb meines Ohrs und ich fühlte mich ihm ausgeliefert. Jack war so geladen und unberechenbar, dass ich ihn von mir wegstoßen sollte. Ihn bitten, aufzuhören. Aber das tat ich nicht. Stattdessen breitete sich Hitze in meinem gesamten Körper aus.

"Ich sag es dir nur einmal. Solltest du das nochmal tun, wird das Konsequenzen haben", raunte er und sah mir dabei so fest in die Augen, dass ich förmlich unter seinem heißen Blick zerfloss.

Schluckend erwiderte ich den Blick. Wieso nur, klangen diese Konsequenzen im Moment absolut verheißungsvoll?

"Was für Konsequenzen?", flüsterte ich tonlos, ohne meine Augen auch nur eine Sekunde von ihm zu nehmen. Auch wenn ich es kaum eine Sekunde länger in dieser Position, unter seinem wachsamen Blick aushielt.

Konnte man im Stehen, ohne jegliche Reibung kommen? Ich glaube ja. Fuck. Er war heiß. Verdammt heiß. Mein Magen hüpfte aufgeregt und meine Hände begannen zu schwitzen.

Jacks Augen waren so dunkel, dass ich seine Pupillen kaum mehr ausmachen konnte. "Violet." Seine Stimme klang rau. Warnend.

Ich lachte heiser und begann mich unter seinem Griff zu winden. Entweder das oder es würde hier Toilettensex 2.0 geben.

Auch wenn Jack kaum mehr der Herr seiner Sinne zu sein schien, ließ er mich sofort los und trat einen Schritt zurück.

Erleichterung durchströmte mich und ich sog die Luft tief in meine Lungen ein. Mit meinen Händen stütze ich mich gegen die kalte Fliesenwand hinter mir und betrachtete Jack nun aus ausreichendem Sicherheitsabstand.

Er schloss einen Moment die Augen, atmete ebenfalls tief durch und fuhr sich zur Beruhigung durchs Haar. Sobald er mich wieder ansah, spannte sich jeder einzelne Muskel meines Körpers an. Was war das für ein Blick? Machte er das absichtlich? Seine bernsteinfarbenen Augen glänzten und ich presste meine Finger fester gegen die Wand. Dieser Jack war mir neu. Und ich wusste nicht, was ich von ihm halten sollte. Ich wusste nur, dass ich ihn gerade verdammt anziehend fand.

"Ich meine es ernst, Violet." Jacks Stimme klang ruhig. Immer noch bestimmt, aber gefasst. "Mach das nie wieder."

Abwägend kniff ich die Augen zusammen. "Wieso nicht?" Es würde Konsequenzen geben, hatte er gesagt. Doch das genügte mir nicht. Ich wollte es ihn sagen hören. Wollte wissen, was er fühlte.

Jacks Hände spannten sich an, die Venen seiner Unterarme zuckten. "Weil ich dich sonst ficken will. Direkt auf dem Schreibtisch. Die ganze Stunde lang." Oh mein Gott. Die Worte drangen tief aus seiner Kehle und brannten sich heiß in meine Haut. Zittrig atmete ich ein und aus, versuchte das Pochen meiner Mitte zu ignorieren und die Kontrolle über meinen Körper zurückzuerlangen.

Ich wollte es auch. Dass er mich fickte. Seinen Schwanz in mir versenkte, noch tiefer als beim letzten Mal, während ich seinen Kopf in den Händen hielt und seine heiße Zunge in meinem Mund spürte. Gottverdammt. Wie sollte ich jemals wieder ihm gegenüber an dem Tisch sitzen und Matheformeln durchgehen, ohne daran zu denken?

Eine 6/10 rief ich mir ins Gedächtnis. Mein Nachhilfelehrer. Ich würde mein Abi verkacken, wenn ich mich in Zukunft nicht wieder auf Mathe konzentrierte. Und ich konnte mich nur verbrennen, wenn ich Jack an mich heranließ. Er konnte so charmant, hilfsbereit und süß sein. Aber er war eben auch jemand, der sein Leben im Griff zu haben schien. Dem die Uni wichtig war. Jemand, der sich nicht mit Fremden im Internet anfreundete und die Quittung in Form von Hassbriefen bekam. Definitiv jemand, der kein ernsthaftes Interesse an einer Chaotin wie mir hatte.

Ich kratzte meine Selbstachtung zusammen und sah Jack an. Lächelnd stieß ich mich von der Wand ab und trat auf ihn zu. Er schwieg, seinen Kiefer angespannt, und schien zu wissen, dass mein Lächeln nichts Gutes verheißen konnte. "Das", hauchte ich, "wird niemals passieren."

"Dann", konterte Jack, "erwarte ich nächste Woche mehr Disziplin. Mehr Konzentration auf Mathe. Weniger lasziv Lollis lutschen und den Kopf an meinem Schwanz reib-"

Bevor er den Satz vollenden konnte, wurde plötzlich die Tür geöffnet. Ein kleiner Junge, um die zwölf, stand da, mit großen Augen.

Jack und ich fuhren erschrocken auseinander. Das war nicht unbedingt für Kinderohren bestimmt.

"Verstanden, Violet?", fragte Jack und bewegte sich zur Tür, wo der Junge immer noch stocksteif stand und starrte.

"Ja", murmelte ich überfordert.

Dann war Jack weg und ich blieb zurück. Was zum Teufel war hier gerade passiert?

"Alles in Ordnung?", fragte mich der Junge kritisch und Bewegung floss in seinen Körper. Ich sah ihn verdattert an. "Ja. Ja, alles gut", murmelte ich. Nicht so ganz. "Bin schon weg", meinte ich noch und machte mich dann so schnell wie möglich aus dem Staub.

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