Gott sei Dank kam Jack nicht viel später wieder runter. Er sah mich entschuldigend an, während er sich neben mich setzte. "Sorry. Aber ohne Zähne putzen kann man nicht ins Bett", erklärte er die Verspätung. War es normal, dass ich süß fand, wie er sich um seine Schwester kümmerte?
Ich drehte mich etwas und setzte mich in den Schneidersitz, sodass ich es gemütlicher hatte. "Bist du eigentlich stolz auf meinen Mathe-Test?", fragte ich.
Er grinste. "Ja. Ich bin stolz auf dich, Violet. Ehrlich. Hast du gut gemacht." Mein Herz pochte in meiner Brust. Es tat viel zu gut, diese Worte zu hören. Und es war eine Schande, dass Jack derjenige war, der sie mir sagen musste.
"Gut. Ich bin gespannt auf meine Belohnung", grinste ich.
"Ich habe mir noch nichts überlegt", gestand Jack. "Aber noch hast du deine Note ja nicht mal."
Ich winkte ab. "Aber es lief echt gut. So gut wie noch nie irgendwas bei mir lief", lachte ich. Eine 1 würde es vielleicht nicht werden, aber ich hoffte schon auf eine 2.
Einen Moment herrschte Stille und ich lauschte der leisen Musik, die noch aus den Lautsprechern erklang.
"Bist du hier aufgewachsen?", fragte ich Jack.
Er nickte, sah dabei aber ein bisschen traurig aus. "Ja." Zögerlich strich er sich durch die Haare. "Ich hatte eine schöne Kindheit hier. Aber dann... Mary ist meine Halbschwester."
Ich musterte ihn neugierig. "Das hat mir Mary schon gesagt", erwiderte ich sanft.
"Ich mag Marys Mutter echt sehr gerne. Aber manchmal ist es doch hart, zu sehen, wie meine Familie hier einfach so weiterlebt. Wie immer. Nur ohne meine Mutter."
Ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte, und nickte verständnisvoll. Ich hatte meinen Vater nie gekannt, aber ich konnte verstehen, dass es schwierig war, ein Elternteil zu vermissen.
"Meine Mutter hatte Krebs. Sie hatte ihn besiegt, aber er kam immer wieder zurück. Das hat sie zerbrochen. Und meinen Vater auch. Schließlich haben sich meine Eltern scheiden lassen und mein Vater hat Marys Mutter kennengelernt. Vor ein paar Jahren ist meine Mutter dann gestorben. Ich glaube, Marys Geburt hat ihr geholfen, loszulassen. Sie wusste, dass mein Vater auch ohne sie glücklich sein konnte, so hart das klingt."
Ich schluckte. Eigentlich könnte ich bei seiner Erzählung direkt heulen, aber ich war hier sicherlich nicht diejenige, die es zu trösten galt. Mich überkam der Impuls ihn zu umarmen, aber ich unterdrückte ihn, da ich nicht wusste, ob mir das zustand. Ob Jack das wollte.
"Das ist ungefähr fünf Jahre her", murmelte Jack verloren und lehnte sich zurück. Er sah mich an. "Genau drei Jahre, als wir uns das erste Mal gesehen haben."
Mein Mund blieb offen stehen. "Das war ihr... Todestag?" Meine Stimme klang brüchiger als beabsichtigt.
Jack nickte und Schuldgefühle kamen in mir hoch. Es war der dritte Todestag seiner Mutter gewesen und ich hatte ihn aufs Männerklo gezerrt, um über ihn herzufallen. Mich von seinem Schwanz ficken zu lassen. Und ihn hinterher mit null Sympathiepunkten abzustempeln.
Ich räusperte mich. "Das tut mir wahnsinnig leid, Jack", flüsterte ich.
Er schüttelte nun den Kopf. "Das muss es nicht. Also ja, das Leben kann verflucht scheiße sein. Aber mach dir keinen Kopf über damals."
Ich blinzelte. Wie könnte ich mir denn keinen Kopf machen?
"Ich bin in diesen Club gegangen, um mich gnadenlos abzuschießen, wie die zwei Jahre davor auch. Und ich hatte definitiv Bock auf dich, sonst wäre ich ja nicht mitgekommen."
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Die mathematische Formel für Liebe
RomanceMathe + Violet = Error. Um ihr Abi nachzuholen, kommt sie daran aber nicht vorbei. Also muss ein Nachhilfelehrer her. Und das soll ausgerechnet Jack sein, der sich neben seinem Mathestudium ein bisschen was dazu verdienen will. Jack, der nervtöten...