15. Kapitel

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"Hi?", ertönte Jacks Stimme plötzlich am anderen Ende. Im Hintergrund rauschte Musik.

"Ähm, hi. Stör ich?", fragte ich und trat ein paar Schritte hin und her.

Die Musik wurde leiser. "Nein. Mary hat mich gerade im Tanzbattle besiegt, ich kann eine kurze Pause von ihrer Genugtuung sowieso gebrauchen." Tatsächlich klang Jack ein bisschen außer Atem und ich schmunzelte. Das war süß. Und auch irgendwie heiß. Sein stoßweiser Atem an meinem Ohr. Gott steh mir bei.

"Oh. Ja, ich habe gerade ihre Botschaft erhalten. Du kannst ihr einen schönen Gruß zurückwünschen", informierte ich ihn. "Wo hat sie das überhaupt gelernt? Von dir?" Von Jack konnte man sicher eine Menge an unangemessenem, streitsüchtigen Verhalten lernen.

"Das hat sie aus dem Kindergarten. Niemals würde ich ihr sowas beibringen", stellte er amüsiert klar.

Ich kicherte. "Niemals."

Jack räusperte sich. "Also, was verschafft mir die Ehre deines Anrufs?"

Gute Frage. "Ich wurde gewissermaßen versetzt heute", gab ich zu. "Also habe ich jetzt Zeit..." Ich ließ den Satz unsicher ins Leere laufen.

"Und jetzt willst du Mary ihren Gruß selbst ausrichten?", schlussfolgerte Jack, wofür ich ihm dankbar war. Jack und ich waren keine Freunde, es wäre mir schwergefallen, mich selbst in sein Elternhaus einzuladen.

"Ja. Wenn ihr Lust darauf habt", murmelte ich. Wenn er tatsächlich weinen müsste, weil er so wenig Lust auf mich hatte, dann wollte ich ihm das natürlich nicht antun.

"Nein, ist in Ordnung. Komm vorbei, ich schick dir die Adresse. Oder sollen wir dich von irgendwo abholen?"

In Ordnung war nicht unbedingt das, was ich hören wollte, aber ich hatte auch kaum mit einem oh ja, Violet, bitte komm, gerechnet.

"Ich finde schon selber zu euch, aber danke", lehnte ich ab. Das Angebot war allerdings ziemlich zuvorkommend von Jack, das musste ich zugeben. Der Unterschied zu Ryans Verhalten war himmelweit. Und Jack und ich vögelten nicht mal. Nun ja, nicht regelmäßig jedenfalls. Nur einmal.

"Perfekt. Dann bis gleich", verabschiedete sich Jack. Im selben Moment wurde die Hintergrundmusik wieder lauter, dann legte er auf.

Ich gab die Adresse in Google Maps ein und beeilte mich zum nächsten Bus.

Nach rund fünfzehn Minuten kam ich vor einem süßen Reihenhäuschen an. Ich vermutete, dass Mary und Jacks Eltern hier wohnten und er zum Babysitten vorbei gekommen war. Oder wohnte er auch noch hier?

Ich klingelte und war ein kleines bisschen aufgeregt.

Es dauerte nicht lang, da öffnete Mary mir die Tür. "Violet!", rief sie und zog mich in eine Umarmung. Sie war ganz schön aufgedreht. Dabei war es schon kurz nach neun. Aber ich freute mich, dass sie sich freute. "Toll, dass du da bist!"

Ich grinste sie an und schloss die Tür hinter mir. "Oh ja. Danke für deine Einladung." Dass ich nur gekommen war, weil mein 'Date' für heute Abend nichts außer Bumsen hatte wollen, behielt ich für mich.

Hinter Mary stand Jack. Er trug eine locker sitzende Jeans und ein dunkles Shirt. Er sah eigentlich ganz gut aus. Seine Haut war minimal gebräunt, seine Kinnpartie geziert von einem Zweitagesbart und seine Arme sahen stark aus. Irgendwie stand ich auf Arme. Auf Jacks Arme zumindest. Und seine Hände. Das verlieh ihm etwas Raues aber zeitgleich auch verlässliches, wie jemand, der gerne mit anpackte.

"Checkst du mich ab?"

Ich zuckte erschrocken zusammen und etwas in mir begann vor Aufregung zu kribbeln. "Was? Nein!", stritt ich sofort ab. Jacks Mundwinkel zuckten.

Die mathematische Formel für LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt