24. Kapitel

502 27 37
                                    

Ein Brief?

Noch während Ellie und Theo wieder in ihrem Zimmer verschwanden, lief ich wie in Trance zum Esstisch.

Ich erstarrte.

Ein weißer Umschlag mit einem Postcode in der rechten oberen Ecke. In derselben krakeligen Schrift wie immer. Bitte nicht. Bitte, bitte nicht.

In einer aufkommenden Schockstarre griff ich danach und ließ mich auf den nähesten Stuhl gleiten.

"Alles in Ordnung?", riss mich plötzlich Jacks Stimme aus der Starre und ich schnellte mit dem Kopf nach oben. Ich hatte vergessen, dass er noch da war. Ich hatte alles vergessen. Eine kleine Sorgenfalte bildete sich auf seiner Stirn und er betrachtete mich eingehend.

"Hmm?", murmelte ich fahrig.

Jack kam ein paar Schritte auf mich zu und runzelte verwirrt die Stirn. "Violet? Was ist los?" Als ich nichts sagte, redete er weiter. "Erwartest du schlechte Nachrichten?" Sein Blick glitt zwischen mir und dem Brief in meiner Hand hin und her.

Ich räusperte mich nervös. "So in der Art."

"Soll ich für dich reinschauen?", bot er an. Panisch zuckte ich zusammen und drückte den Brief an mich. "Was? Nein! Auf keinen Fall!"

Langsam kam ich wieder zu Sinnen und alle diese Sinne schrien, dass Jack unter keinsten Umständen diesen Brief lesen sollte. Es genügte, dass meine Freundinnen den herabwürdigenden Inhalt der vorherigen Nachrichten kannten.

"Ich hole dir ein Glas Wasser", murmelte Jack, der offenbar ein bisschen überfordert mit der Situation war. Verständlich. Ich war es auch.

In der Zeit, in der er weg war, öffnete ich schnell den Brief. Ich wusste es war dumm, aber ich konnte den Impuls einfach nicht unterdrücken. Ich musste wissen, was diesmal drin stand. Um zumindest irgendein Gefühl der Kontrolle zurückzuerlangen.

Es war ein kurzer Brief. Aber nicht weniger beängstigend.

Ich mach dich kalt, Violet. Stück für Stück, bis du zerbrichst, wie du es mit mir getan hast. X

Oh Gott. Mein Herz pumpte unglaublich laut, getrieben von Schock, und tausende Gedanken strömten zeitgleich auf mich ein, sodass er schwer war, sie zu fassen. Wer wollte mir so etwas antun? Wem hatte ich so etwas angetan? Was sollte ich tun? Wie konnte ich machen, dass das aufhörte? ...

Langsam bekam ich ernsthaft Angst, dass es nicht nur bei diesen Briefen bleiben würde. Bei der Erkenntnis zogen sich meine ganzen Organe schmerzlichst in sich zusammen und das Blut rauschte in meinen Ohren.

So laut, dass es fast die Schritte von Jack übertönte, der gerade wieder aus der Küche kam.

Schnell faltete ich den Zettel und steckte das Papier mit zitternden Fingern zurück in den Umschlag.

Jack hielt inne und hielt mich mit seinem Blick fest. "Verdammt, Violet. Sag mir, was los ist."

Ich lächelte gequält. "Alles gut."

Er setzte seinen Weg fort und stellte das Glas vor mir ab. "Es ist nicht alles gut. Du bist leichenblass", stellte er fest.

Betont ruhig strich ich mir die Haare aus dem Gesicht und griff nach dem Glas Wasser.

Leider gehorchten meine Finger nur teilweise und statt, dass ich das Glas sicher zu meinem Mund führte, glitt es mir aus der Hand. Aus Reflex fegte ich den Briefumschlag zur Seite, bevor das Glas auf dem Tisch aufkam und sich das Wasser zu einer Pfütze bildete. Währenddessen flatterte der Brief seelenruhig zu Boden. In zwei Teilen. Der Text sprang einem förmlich ins Auge.

Die mathematische Formel für LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt