Die mathematische Formel für Liebe

43. Kapitel

Jeder einzelne Ferientag verging viel zu schnell. Weil ich auch absolut nichts machte.

Zoe und Giana schickten mir regelmäßig Fotos aus dem Urlaub, auf die ich sowas von neidisch war. Damit ich halbwegs mit ihrem Bräunungsprozess mithalten konnte, legte ich mich, sobald die Sonne auch nur ein bisschen herauskam, auf den Balkon oder in den Park und las oder hörte Podcasts. Es tat gut mal abzuschalten, in andere Welten einzutauchen und meine eigene zu vergessen.

Allerdings konnte ich mich häufig kaum auf den Inhalt konzentrieren, da ich ständig in Tagträume abrutschte. Den Hauptdarsteller dieser Träumereien musste ich wohl nicht nennen.

Jack und ich hatten seit der Nachhilfe keinen Kontakt gehabt. Nicht, weil ich noch sauer war, aber weil ich auch nicht wusste, was mein Ziel war. Sollte ich um ihn kämpfen? Es versuchen, ihn um ein Date bitten, ein echtes, und mit der schmerzhaften Ablehnung leben, wenn er nein sagte? Ein gebrochenes Herz riskieren? Oder sollte ich es auf reinen Sex anlegen? Wie ich es in der Vergangenheit gelernt hatte? Da bestand zumindest die Chance, dass Jack mitmachte. Jedenfalls hatte er das behauptet. Und dann könnte ich ihm weiterhin nahe sein, was bei dem ersten Szenario möglicherweise nicht der Fall sein würde. Irgendetwas sollte ich jedenfalls tun. Allem Anschein nach würde Jack diesmal nicht derjenige sein, der sich zuerst bei mir meldete. Und ich hatte mittlerweile erkannt, dass die dritte Option - die, in der ich versuchte meine Gefühle einfach so lange zu unterdrücken, bis sie weg waren - keine echte Option war. Bisher machte das nämlich alles nur noch schlimmer.

Selbst Warrior hatte sich nicht gemeldet, vermutlich war er beschäftigt mit seiner neuen Flamme. Ich nahm es ihm nicht übel, auch wenn es sich nach wie vor wie ein kleiner Seitenhieb anfühlte. Aber wenigstens irgendjemand hier war glücklich. Nicht mal Ellie und Theo schienen noch miteinander glücklich zu sein.

Es war Freitagnachmittag und ich tippte gerade eine Nachricht an Warrior - ich brauchte dringend seine Meinung, als ich hörte, wie meine Mitbewohnerin und ihr Freund im Flur diskutierten.

"Theo, du kannst nicht ständig einfach abhauen", vernahm ich Ellies gedämpfte Stimme. "Sag mir doch wenigstens, wohin du gehst, anstatt so ein Geheimnis daraus zu machen."

Er schnaubte abfällig und ich schwöre, allein das reichte, damit ich wütender wurde als Ellie es wahrscheinlich war. "Ich mach doch kein Geheimnis daraus. Ich bin einfach unterwegs mit meinen Jungs."

Meine Mitbewohnerin seufzte. "In letzter Zeit bist du ziemlich viel unterwegs mit deinen Jungs. Und hast ziemlich wenig Interesse daran, die Zeit mit mir zu verbringen. Geschweige denn mit mir zu schlafen."

Mein Mund formte ein großes O und ich fühlte mich schlecht, dass ich sie bei so privaten Gesprächen belauschte. Aber ich war stolz auf Ellie. Sie sollte Theo mit guten Argumenten überhäufen, bis er zusammenbrach unter seiner eigenen Arschloch-Art.

Als ich ein kurzes Schmatzen hörte, rümpfte ich die Nase. Nein! Falsche Richtung! Weiter diskutieren! Am liebsten wollte ich hinauseilen und Ellie unterstützen, damit sie sich nicht von Theo manipulieren ließ. Aber das würde wohl kaum helfen.

Stattdessen schickte ich meine Nachricht an Warrior ab: » Wie schlimm ist es, dass ich von meinem Nachhilfelehrer träume? «, hatte ich geschrieben. » Tags und nachts. Ich bin sowas von am Arsch. « Hoffentlich hatte er eine gute Antwort parat.

Dann lauschte ich wieder dem Gespräch im Flur. Der sich allmählich zum Streit entwickelte. "Ich verbringe doch Zeit mit dir, Ellie. Ich bin eben gestresst, du weißt, es war der Todestag meiner Oma und da ist das letzte an das ich denke, Sex zu haben. Aber vielleicht schaffe ich es, später nochmal vorbeizukommen. Warte einfach hier auf mich." Allein der wichtigtuerische Ton in seiner Stimme regte mich so auf. Er klang so herablassend, hörte sie das nicht?