54. Kapitel

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Es war ein komisches Gefühl, am Mittwoch keine Nachhilfe zu haben.

Da zusätzlich Ferien waren, verlor ich jegliches Zeitgefühl.

Von Mittwoch bis Freitag suhlte ich mich in meinem Leid, versank immer tiefer darin.

Bis Ellie am Freitagnachmittag irgendwann in mein abgedunkeltes Zimmer platzte. Sie riss die Vorhänge auf und starrte mich mit in die Hüften gestemmten Armen an. "So, jetzt ist Schluss." Ich winselte. "Bin ich diejenige, deren Freund sie mehrfach betrogen hat - mutmaßlich mit einem anderen Mann, oder du?"

Schuldbewusst biss ich die Zähne zusammen. Sie hatte recht.

Ich hatte ihr alles erzählt. Davon, wie ich rausgefunden hatte, dass Jack Warrior war und dass Theos Seitensprung vermutlich dessen Mitbewohner war. Sie war eine Weile mit mir sauer auf Jack gewesen, wobei das im Vergleich zu ihrer Wut gegenüber Theo eigentlich nicht der Rede wert war, aber offenbar reichte es ihr jetzt. Dabei war ich noch lange nicht fertig damit, Trübsal zu blasen. Ich war traurig, dass Jack mich in Ruhe ließ, obwohl ich nichts anderes von ihm verlangt hatte. Wobei, so ganz stimmte das nicht.

Gestern vormittag war Ellie angeblich beim Verlassen unserer Wohnung über einen kleinen Strauß Veilchen gestolpert. Ich selbst wusste es nicht, da ich mich kaum aus meinem Bett bewegt hatte und die Blumen nicht mal sehen wollte.

Obwohl kein Name dabei stand, hatte Ellie mir verraten, dass ein kleines Kärtchen dabei lag, dass mich unweigerlich darauf schließen ließ, dass sie von Jack waren. Er hatte geschrieben: Ich bin ein Mistkerl. Vielleicht können wir irgendwann trotzdem reden?

Ugh. Was wollte er mir schon sagen? Die Sachlage war schließlich eindeutig. Wollte er also einfach sein Gewissen wieder rein waschen? Weil er mich verarscht hatte und das nicht zu seinem Charakter passte?

Ellie steckte ihr Drama irgendwie viel besser weg als ich meines. Wobei ich sie manchmal nachts leise schluchzen hörte, also vielleicht auch nicht. Wir waren beide gebrochen. Nur im Gegensatz zu mir hatte sie auch das Recht dazu.

Sie fegte die Blätter von meinem Schreibtisch, warf einen verwunderten Blick auf meine verworrenen Notizen, die MindMap und den Zeitstrahl, und griff nach einem neuen Blatt Papier.

"So. Wir machen das jetzt ganz systematisch. Pro und Contra."

"Für was?", fragte ich irritiert und rieb mir über die Augen, die sich in den letzten Tagen zu sehr an die Dunkelheit gewöhnt hatten.

"Für Jack natürlich. Also was spricht dafür, dass du ihm verzeihst. Oder zumindest nochmal mit ihm redest und was dagegen?"

Ich jammerte vor mich hin, ihre Energie gefiel mir nicht. Ich wollte doch leiden. "Er sieht gut aus", gab ich mich geschlagen.

Ellie schnaubte. "Ne. Sorry. Das kommt nicht auf die Liste. Ich brauch richtige Antworten. Und mit dem Ergebnis musst du dann auch leben, danach will ich nichts mehr hören, wenn du dich gegen ihn entscheidest. Also sei ehrlich zu dir selbst."

Als ich schwieg, setzte Ellie ihre Tirade fort. "Also. Punkt eins: er ist nicht Theo und auch nicht mit ihm befreundet. Großes Pro", schrieb sie auf die linke Seite ihres mit einem Strich durchteilten Blatts. Ich schmunzelte. Es war schön zu sehen, dass sie ebenfalls von Hass getrieben wurde. Ich fühlte mich verstanden.

"Er ist lieb", murmelte ich schließlich. "Nett. Zuvorkommend. Aufmerksam. Schlau. Hilfsbereit. Süß. Witzig." Ellie schrieb hektisch mit. "Er macht mir ein Kribbeln im Bauch und ich mag, wie er mich küsst." Ich musste kaum überlegen, es sprudelte einfach aus mir heraus. "Er hat sich entschuldigt. Er kann gut zuhören und mich trösten. Er nimmt sich immer Zeit für mich. Ich passe perfekt in seine Arme. Er schnarcht nicht..."

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