61. Kapitel

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'Ist es richtig, dass ich all das für Pia entschieden habe? Ich habe einfach ihren Bruder angerufen und nach Köln geschickt und ich habe mit Engelszungen auf Svenja eingeredet, dass sie Pia gehen lässt. Ich habe einen Kurztrip nach München organisiert, nicht nur zu ihren Eltern, auch zu ihren Freunden. Das weiß sie nur noch nicht. Ich weiß, wie sehr Pia es hasst, wenn man sich ungefragt in ihre Angelegenheiten und ihr Leben einmischt. Aber ich konnte einfach nicht anders. Immerhin habe ich den ersten Gedanken verworfen. Dann hätte sie jetzt nämlich Startkapital auf ihrem Konto und ich wäre wahrscheinlich ein toter Mann. Ich bin auf Tour und eigentlich sollte sie bei mir sein. Ich habe jeden Tag so viele Leute um mich herum, gebe Konzert, arbeite nebenbei an anderen Sachen. Und Pia sitzt in Köln, weil sie mal wieder strafversetzt wurde. Es bricht mir das Herz, sie so leiden zu sehen. Sie igelt sich ein und geht nicht aus. Das ist einfach nicht die Pia, die ich vor über drei Jahren kennengelernt habe. Die Pia von damals hätte sich nicht so einfach unterbuttern lassen und hätte bis zum Umfallen Widerstand geleistet. Und ich werde dieses blöde Gefühl nicht los, dass das vor allem auch meine Schuld ist, weil ich sie damals verlassen habe. Das war der größte Fehler überhaupt!'
Wincent seufzt und zuckt zusammen als Angela sich neben ihn setzt.

Angela steht schon seit einer gefühlten Ewigkeit im Türrahmen und beobachtet ihren Sohn. Seitdem er vor drei Tagen angekommen ist, ist es ein Wechselbad der Gefühle. Bei seiner Ankunft hatte er diesen schelmischen Blick, dieses ehrliche Lächeln und diese ehrliche Freude, dass sie sich alle wiedersehen.
Seitdem ist er jeden Tag bei ihr und sie fragt sich warum. Sonst hat er sich alle paar Tage mal blicken lassen, aber ansonsten hat er die Zeit in seinem Haus verbracht. Gerade sitzt Wincent, wie so oft in den letzten Tagen, wieder einmal bei ihr auf der Couch und starrt in den Garten. Er wirkt total abwesend und in Gedanken versunken.
Angela hatte seit drei Tagen nicht einmal die Möglichkeit in Ruhe Pia anzurufen und ihr von dem Brief zu erzählen. Dabei ist das wahrscheinlich endlich die Lösung für all das hier. Angela seufzt und stößt sich vom Türrahmen ab. Sie setzt sich zu Wincent auf die Couch. Als sein Blick ihrem begegnet, lächelt er sie matt an.
"Wann willst du mir denn endlich erzählen, warum du jeden Tag gedankenverloren auf meiner Couch rumsitzt und ins Leere starrst?", fragt sie nach einer Weile.
Wincent seufzt erneut, antwortet aber nicht.
"Ok, ich nehme an, es liegt an dem Umstand, dass Pia in Köln ist und du hier. Sie ist auf sich gestellt und für dich geht dein Touralltag einfach weiter. Du hast deine Familie hier um dich und kannst ein paar freie Tage genießen und Pia sitzt alleine in Köln und muss sträflich arbeiten. Richtig?"
"Ja, bis vor ein paar Minuten hat das so gestimmt."
"Wie meinst du das?" Angela sieht ihn fragend an.
"Ich habe Leo angerufen und ihn nach Köln geschickt. Heute ist Geschwistertag. Ich habe einen kompletten Tag organisiert. Anna hat Backstagepässe für ein Konzert von Max Giesinger heute Abend organisiert. Morgen reist Pia ab und fährt nach München, zusammen mit Leo. Sie verbringt zwei Tage bei ihrer Familie und ihren Freunden und in drei Tagen ist sie hier zum Abschlusskonzert."
Angela sieht ihn mit großen Augen an. Dann schleicht sich Erkenntnis in ihren Blick.
"Und du denkst, sie wird dir Vorwürfe machen, weil du dich eingemischt hast?"
Wincent nickt. "Naja, immerhin habe ich meinen ersten Gedanken verworfen und ihr nicht einfach ein Startkapital überwiesen."
"Wincent!", ruft Angela entsetzt und er lacht.
"Ich hab selbst gemerkt, dass die Idee nicht gut ist. Alles gut. Ich weiß, dass Pia das alleine schaffen will, obwohl sie es nicht muss."
"Es ist wichtig für sie. Sie weiß, dass sie sich auf dich verlassen kann und du hinter ihr stehst. Das ist ihr mehr wert als alles Geld der Welt."
Sie lächelt ihn an und er zieht sie in eine Umarmung. Er löst sich, als sein Handy vibriert. Er entsperrt es und liest die Nachricht, dann lächelt er und reicht seiner Mama das Handy, damit sie ebenfalls einen Blick auf die Nachricht werfen kann.
'Du bist verrückt! Danke! Danke! Danke! Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe, Wince? Ich werde dich nie mehr gehen lassen! Nie mehr - hörst du?!'
"Siehst du, du hast dir umsonst Sorgen gemacht. Sie liebt dich, Wincent. Das hat sie immer. Wenn ihr weiter an einem Strang zieht, könnt ihr viel zusammen erschaffen."
"Danke, Mum, ich hab dich lieb."
"Ich dich auch."

"Der Tag war der Wahnsinn!", sagt Pia freudestrahlend und umarmt Leo, der nickend zustimmt.
"Finde ich auch und Wincent freut sich auch, dass du mal wieder so gelöst bist."
"Du hast ihm Bilder geschickt?"
"Na klar. Das ist das Mindeste, was ich machen kann. Er macht sich Sorgen um dich, da muss ich ihm doch zeigen, dass du Spass hast."
Pia lächelt.
"Ich habe dich schon lange nicht mehr so gelöst gesehen. So glücklich und so strahlend. Er tut dir gut, Sis. Und ich wünsche euch von ganzem Herzen, dass es dieses Mal für immer hält. Wincent ist ein toller Kerl. Immer auf dem Boden geblieben. Haltet an einander fest."
Pia sieht ihn mit Tränen in den Augen an.
"Ich für meinen Teil werde ihn nicht mehr gehen lassen. Ich fühle mich so angekommen und so komplett."
"Das sieht man dir an. Und heute haben wir endlich die Pia von damals wiedergefunden und sie muss jetzt auch bleiben, egal wie schwierig die nächste Zeit noch wird und welche Hürden noch zu nehmen sind."
"Ich werde es auf jeden Fall versuchen, versprochen. Und jetzt lass und ins Bett gehen. Packen muss ich auch noch. Ich freue mich schon sehr Mama und Papa wiederzusehen."
"Sie freuen sich auch."
"Wäre es sehr schlimm, wenn ich schon übermorgen wieder fahre?"
Leo lacht. "Ich habe ehrlich gesagt, schon damit gerechnet. Wir freuen uns auf den einen Tag mit dir."
Er zieht Pia an sich und drückt ihr einen Kuss auf den Scheitel.

Maybe Sometimes - Fanfiction Wincent WeissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt