40. Kapitel

230 15 6
                                    

Angela ist in der Küche als sie hört, wie ein Auto in der Einfahrt hält. Sie geht zum Fenster und wirft einen Blick durch die Scheibe. Erst ist sie verwundert, dass ein Auto mit Berliner Kennzeichen parkt, dann jedoch erkennt sie Wincent auf dem Beifahrersitz. Als sie dann auch den Fahrer des Wagens erkennen kann, schleicht sich ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht.
Angela hat sich seit seiner Ankunft letzte Woche oft gefragt, warum er in manchen Momenten lächelnd vor seinem Handy sitzt oder zum Telefonieren den Raum verlässt und auf der anderen Seite minutenlang gedankenverloren vor sich hin starrt und nichts um sich herum wahrnimmt. Gespräche, was ihn genau beschäftigt hat er jedoch immer abgeblockt. Jetzt ergibt alles einen Sinn und Erkenntnis macht sich in ihrem Inneren breit. Sie macht sich auf den Weg zur Haustür und ist schon ganz neugierig, wie es passiert ist, dass diese beiden nun zusammen zu ihr kommen. Sie hätte sich nie eine bessere Frau an seiner Seite als Pia vorstellen können. Angela hat die Trennung damals genauso wenig verstanden, wie ihren Sohn damals. Allerdings kennt sie auch noch jemanden, der später vor Freude ausrasten wird. Sie muss erneut lächeln.
Als sie die Tür öffnet, steigen Wincent und Pia gerade aus dem Wagen. Pia's Blick schweift einmal herum bis er an Angela's hängen bleibt. Ein zurückhaltendes, zaghaftes Lächeln schleicht sich auf ihre Lippen als sie Angela sieht und sie hebt leicht die Hand zum Gruß.
"Das ist ja mal eine schöne Überraschung", sagt Angela und umarmt Pia lang und herzlich als sie bei ihr ankommt.
"Hallo Angela", sagt Pia, "wie geht's dir?"
"Gut und dir?"
"Auch. Ich hoffe, es ist ok, dass er mich mitgebracht hat. Ich möchte euch wirklich nicht stören."
"Du hast noch nie gestört, mein Kind. Los, kommt rein und erzählt mir erstmal, wann, wo und wie."
Sie hakt Pia unter und zieht sie ins Haus.
"Hallo Mum. Schön dich zu sehen", sagt Wincent kopfschüttelnd hinter ihnen. So schnell ist man abgeschrieben.
"Hallo Junge", sagt Angela über die Schulter. "Nun komm, ich bin schon ganz gespannt."
Wincent schüttelt schmunzelnd den Kopf. Es war so klar.
Sie setzen sich in den Garten. Angela hat bereits den Tisch gedeckt und holt Kaffee. Anschließend setzt sie sich zu den beiden und sieht sie fragend an.
Pia's Als Wincent keine Anstalten macht, seiner Mutter etwas zu erzählen, ergreift Pia das Wort und erzählt, wie sie sich wieder getroffen haben, über die Tour und warum sie jetzt da ist. Berlin reißt sie nur am Rande an, merkt aber, dass Angela wohl merkt, dass sie nicht alles erzählt. Sie unterhalten sich eine ganze Weile, bis Pia sich kurz entschuldigt und ins Bad verschwindet.

Pia öffnet gerade die Badtür, als sie ein Quiecken hört und die Haustür zugeschlagen wird. Sie lächelt. Der Flummi ist da. Sie verlässt das Bad und geht Richtung Garten. Kurz vorher hält sie inne und beobachtet die Situation. Diese drei sind einfach so wundervolle Menschen.
"Oh mein Gott! Wo ist sie?"
"Wo ist wer?", fragt Wince und sieht seine Schwester fragend an.
"Das Auto in der Einfahrt?", fragt sie zurück.
"Was ist mit dem Leihwagen?", fragt Wincent.
"Leihwagen? Na klar. Verarsch mich nicht."
"Würde ich nie tun. Wie kommst du darauf?"
"B-PS-9993. Berlin. Pia Sander. 09.09.93. Ihr Geburtstag. Also, wo ist sie?"
Pia sieht, dass Wincent mit sich kämpft und jeden Moment loslacht. Also betritt sie den Garten und bleibt hinter Shayenne stehen.
"Wo ist wer?"
Shayenne dreht sich abrupt um, quieckt und hüpft aufgeregt auf und ab.
Wincent muss lachen und ist gleichzeitig verwundert. Er hatte erwartet, dass Shayenne sich freut, aber das es sie so in Ekstase versetzt, hätte er nicht erwartet. Sie freut sich fast noch mehr über Pia als über ihn.
"Oh mein Gott! Ich glaub es nicht! Du bist wirklich hier!"
Sie rennt auf Pia zu und fällt ihr um den Hals. Pia versucht das Gleichgewicht zu halten, lacht und erwidert die stürmische Umarmung. Sie hatten damals einen schwierigen Start, aber dann haben sie sich sehr gut verstanden, Nummern getauscht und ständig geschrieben. Für Shayenne war Pia wie eine große Schwester.
"Was machst du hier?"
"Ähm, deinen Bruder besuchen. Aber eigentlich manage ich Wincent's Tour, weil Amelie ausfällt."
"Wie toll! Du bleibst also noch?"
"Ich bin gestern angekommen. Ich denke, ich bleibe ein paar Tage."
Sie sieht Wincent an und er lächelt sie an. Der Blick, den sie tauschen, entgeht wiederum Angela nicht. Sie merkt, dass da irgendwas Ungeklärtes zwischen den beiden ist. Diese stumme Kommunikation zwischen ihnen fand sie schon immer faszinierend. Sie verständigen sie einfach mit Blicken und kleinen Gesten, die Außenstehenden nicht auffallen, wenn man es nicht weiß. In dem Blick gerade jedoch liegt so etwas wie Wehmut und Traurigkeit und Angela fragt sich heute zum wiederholten Mal, was zwischen den beiden steht.
"Du hast mir beim letzten Mal gar nicht erzählt, dass ihr euch wiedergetroffen habt", sagt Shayenne vorwurfsvoll.
"Tut mir leid", sagt Pia kleinlaut, "es ist viel los in letzter Zeit. Deswegen habe ich mich auch so selten gemeldet."
Sie lächelt Shayenne entschuldigend an.
"Moooment."
Die beiden sehen zu Wincent und schauen ihn fragend an.
"Sorry, wenn ich hier unterbereche. Aber dazu habe ich eine Frage. Was meinst du mit 'beim letzten Mal nicht erzählt'?"
"Beim letzten Telefonat vor ein paar Wochen oder in der Nachricht vor ein paar Tagen", sagt Shayenne.
"Vor ein paar Tagen? Ihr habt Kontakt?"
"Ja, na klar." Shayenne nickt.
"Seit wann?" Wincent sieht die beiden neugierig an.
"Wir waren immer in Kontakt."
Wincent zieht eine Augenbraue nach oben.
"Wann wolltest du mir das erzählen?"
"Hör zu, Bruderherz. Ich habe die letzten beiden Jahre den Kontakt zu Pia gehalten, weil sie wie eine Schwester für mich ist. Nur, weil du sie aus deinem Leben geschmissen hast, musste ich das nicht tun."
"Pass auf, was du sagst", antwortet er drohend.
"Shayenne, Wincent. Es reicht", sagt Angela mahnend.
"Was denn? Ist doch so! Nur, weil er damals diese bescheuerte Entscheidung getroffen hat, muss ich doch meine Freundschaft nicht wegschmeißen."
"Shayenne!"
Pia sieht von Einem zum Anderen und beißt sich nervös auf die Unterlippe. Sie fühlt sich unwohl und fängt an mit ihren Händen zu spielen. Das letzte, was Pia will, ist ein Geschwisterstreit. Bei den beiden Sturköpfen kann das schnell ausarten.
Das wiederum entgeht Angela nicht.
"Pia, was hälst du von einem kleinen Abendspaziergang?"
Pia lächelt sie dankbar an.
"Gute Idee. Ich hole meine Jacke noch aus dem Auto", sagt sie und geht auch schon.
Angela sieht ihre Kinder nacheinander mit hochgezogenen Augenbrauen an, schüttelt den Kopf und verlässt wortlos das Haus.

Maybe Sometimes - Fanfiction Wincent WeissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt