Pia spielt mit ihren Händen. Sie atmet ein paar Mal gleichmäßig ein und aus. Sie sieht geradeaus aus der Frontscheibe.
"Ich wurde damals mit dem Angebot aus Berlin überrumpelt. Ich konnte es kaum glauben, dass sie mich wirklich wollen. Endlich hatten sich vier Jahre harte Arbeit und die vielen, vielen Überstunden und Wochenenden ausgezahlt. Unter normalen Umständen wäre ich wie ein Flummi auf und ab gesprungen und hätte meine Freude darüber in die ganze Welt rausgeschrien. Ich war so unfassbar stolz auf mich.
Nach dem ersten Moment der Freude kam aber die Realität. Ich konnte die Entscheidung nicht alleine treffen. Ich wollte sie mit dir zusammen treffen. Aber du warst so glücklich. Ein paar Monate vorher bist du wieder fest nach München gezogen. Wegen uns. Das Songwriting lief super. Wir beide waren glücklich. Ein super Team.
Ich wollte das alles nicht kaputt machen. Ich wollte das mit uns so sehr. Ich war so glücklich und ich hab mich so komplett mit dir gefühlt. Ich hatte zwei Wochen Zeit eine Entscheidung zu treffen. Zehn Tage und 10 Nächte. Sie haben mir klar gemacht, dass ich so eine Chance nicht noch einmal bekomme. Und ich wollte weiterkommen. Zeigen, was ich konnte. Und wo ging das besser als in Berlin? Ich hatte die Chance mit internationalen Stars zu arbeiten. Mein Traum konnte Realität werden. Ich habe mir Gedanken gemacht, wie ich es dir am besten sage. Mir Argumente zurecht gelegt, die dafür sprechen und wie wir das schaffen können. Home-Office in München, Besuche von dir in Berlin. Eine Fernbeziehung auf Zeit. Vielleicht kommst du nach oder ich doch wieder zurück. Wer weiß, was die Zukunft bringt. Aber ich hatte Schiss. Ich hatte Angst vor dem Gespräch und dich zu verlieren. Irgendwann waren es nur noch zwei Tage. Die Zeit saß mir im Nacken. An dem Tag als Anna es erzählt hat, hatte ich noch nicht mal zugesagt. Es war nur ein Gerücht. An diesem Abend wollte ich mit dir reden. Aber dank meiner Feigheit gab es dieses Gespräch nicht mehr. Es war bereits zu spät. Als du gegangen bist, wusste ich innerlich schon, dass es vorbei ist und meine Versuche zwecklos sein werden. Ich kannte dich mittlerweile zu gut und wusste, wie du denkst und fühlst. Das du dicht machen wirst. Das machst du immer, wenn es dir zu viel wird oder du wütend bist. Und für dich war es Verrat. Zu Recht. Als du mich dann kühl aus deiner Wohnung geschmissen hast und mich angeschrien hast, habe ich meine Sachen gepackt, um so schnell wie möglich wegzukommen aus München. Ich konnte nicht mehr dieselbe Luft atmen wie du oder Gefahr laufen, dir zufällig zu begegnen. Ich hätte das nicht verkraftet.
Die ersten Wochen in Berlin waren hart. Ich hatte nur Amelie. Aber die war mit deiner Promotour beschäftigt. Und sie wollte sich nicht einmischen. Sie stand zwischen den Stühlen. Steht sie heute noch.
Nach vier Wochen wollte ich wieder zurück. Ich hatte eine falsche Entscheidung getroffen und wollte es wieder rückgängig machen. Es hat sich alles so falsch angefühlt. Ohne dich. Also habe ich mich an einem Wochenende auf dem Weg gemacht. Zurück nach München. Nach Hause. Ich wollte nochmal mit dir reden, dich notfalls anbetteln mir noch eine Chance zu geben. Ich wusste, du würdest mir nicht vor Freude um den Hals fallen. Ich wollte dir meine bereits geschriebene Kündigung unter die Nase halten, damit du mir glaubst, dass ich es ernst meine und bereue. Du warst nicht zu Hause, also habe ich gewartet. Womit ich allerdings nicht mal in meinen Träumen gerechnet hätte, war, dass du irgendwann mit einer Frau Arm in Arm nach Hause kommst. Ihr habt euch geküsst und seid in deine Wohnung gegangen und habt sonst was gemacht. Vier Wochen nach meiner Abreise. Ich konnte das nicht glauben. Ich dachte meine Fantasie spielt mir einen Streich. Ich war so wütend auf dich und auf mich selbst. Mein Herz ist zersprungen und ich musste zurück nach Berlin. Ob ich wollte oder nicht. Ich konnte nicht in München bleiben. Das hätte ich nicht gepackt. Ich habe alles mit Berlin und meinem Egoismus kaputt gemacht. Das weiß ich heute. Ich habe das große Ganze und worauf es ankommt aus den Augen verloren. Ich wollte alles haben und jetzt habe ich nichts. Dabei habe ich dich so geliebt, Wince."
Pia wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. Dann dreht sie ihren Kopf nach links und sieht ihn an. Er hat noch immer die Augen geschlossen. Nach einer Weile öffnet er sie und sieht nach rechts. Ihre Blicke treffen sich.
"Ich habe alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Ich habe nicht nur meinen Freund und meine Beziehung verloren, sondern auch meinen besten Freund und Seelenverwandten. Ich habe uns kaputt gemacht. Und das tut mir so unendlich leid."
Er würde sich so gern berühren und ihr die Tränen wegwischen. Aber er hält sich zurück. Es ist zu intim. Er hat Anworten bekommen, konnte jetzt einige Fragen für sich klären. Wahrscheinlich ist er jetzt an der Reihe einige Sachen gerade zu rücken. Vielleicht können sie dann wenigstens normal miteinander umgehen. Er möchte nicht, dass sie sich hier unwohl fühlt. In ein paar Wochen ist er wieder weg. Im Norden. In seinem Zuhause. München ist Vergangenheit. Gut für eine Stepvisite bei Freunden. Mehr nicht mehr.
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Maybe Sometimes - Fanfiction Wincent Weiss
FanficPia Sander ist 28 Jahre alt. Bis vor 2 Jahren war ihr Lebensmittelpunkt in München. Durch ihre Anstellung bei Universal hat sich ihr Lebensmittelpunkt jedoch nach Berlin verlagert. Dort hatte sie die Möglichkeit weiter nach oben zu kommen und sich e...