41. Kapitel

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"Du hast sie vergrault", sagt Wincent.
"Ich habe jahrelang den Kontakt gehalten. Du hast sie gehen lassen. Nicht ich."
"Danke, dass du mich nochmal daran erinnerst."
"Winnie. Tut mir leid. Ich wollte dich nicht hintergehen. Ich wollte nur nicht, dass du dich schlecht fühlst, wenn ich über sie rede."
"Ist schon ok. Ich war nur überrascht."
Sie geht auf ihn zu und umarmt ihn.
"Ihr macht also die Tour zusammen. Und dann?"
Er zuckt mit den Schultern und seufzt.
"Du liebst sie noch."
"Ja."
"Und sie dich."
"Keine Ahnung. Sie weicht mir immer aus und sagt, sie braucht Zeit."
"Sie liebt dich noch. Man sieht es. Du darfst nicht aufgeben, hörst du? Du bist so nah dran. Sie wäre doch sonst nicht hierher gekommen."
"Ja, vielleicht hast du recht. Worüber sprecht ihr immer so?"
"Ich kann mit ihr über all den Mädchenkram sprechen. Und über Jungs-Themen."
"Über Jungs, ja? Muss ich was wissen?"
"Nein, noch nicht", sagt sie und lächelt in provozierend an. Er holt tief Luft und seufzt.
"Pia ist wie die große Schwester für mich, die ich nie hatte. Sie fehlt mir, Winnie."
"Mir auch", sagt er.
"Aber jetzt will ich dich beim Spieleabend leiden sehen", sagt sie lachend. "Wobei ich schon befürchte, wer heute wieder gnadenlos verlieren wird."
Sie lacht erneut und Wincent schüttelt schmunzelnd den Kopf. Dann zieht er sie in eine Umarmung.
"Ich hab dich lieb, kleine Schwester."
"Und ich dich."

Angela ist ihre Rettung. Sie braucht dringend frische Luft. Pia konnte gar nicht schnell genug aus dem Haus kommen.
"Danke", sagt sie als sie ein paar Meter gegangen sind.
"Kein Problem. Shayenne kann manchmal sehr direkt sein und Wincent wird dann immer so aufbrausend und lässt den großen Bruder raushängen." Sie lächelt. "Obwohl sie mir auch verschwiegen hat, dass ihr Kontakt habt."
"Wir schreiben öfter, aber unregelmäßig. Manchmal ruft sie an, wenn sie einen Rat braucht und sich nicht traut mit dir zu reden. Sie sagt immer, ich bin die große Schwester, die sie nicht hat."
"Ich finde es schön, dass sie es wenigstens geschafft hat, den Draht zu dir zu halten."
Sie lächelt. "Wincent und du, ihr seht beide traurig aus. Ich, als seine Mama, sehe, wie er dich ansieht und wie du ihn manchmal von der Seite ansiehst. Ihr habt damals schon immer stumm miteinander kommuniziert.  Aber dieses Mal ist es anders. Ihr seht einander traurig an, manchmal ist auch etwas Sehnsucht dabei. Werdet ihr wieder den Weg zueinander finden?"
"Wir sind doch schon dabei", sagt Pia leise. "Es ist kompliziert und es fällt mir nicht leicht meine Mauer aufrechtzuerhalten. Mir ging es ähnlich wie ihm. Ich war in Therapie, weil ich die Trennung nicht verkraftet habe. Ich bin damals in ein tiefes Loch gefallen, obwohl ich selbst an all dem Schuld war. Ich habe mich damals so entschieden. Für Berlin. Und ich weiß, dass ich ihm und mir damit das Herz gebrochen habe. Aber mit seiner Entscheidung, dass es so keine Zukunft gibt, ist nochmal etwas in mir kaputt gegangen. Ich habe Angst, Angela. Angst, dass es mir nochmal den Boden unter den Füßen wegreißt, wenn er vielleicht merkt, dass er das doch alles so nicht kann. Er sagt, er will das alles und er möchte mir mit allem helfen, aber ich kann Berlin noch nicht einfach so hinter mir lassen. Ich muss es zu Ende bringen und ich weiß nicht, ob er das akzeptieren kann. Ich brauche da noch etwas Zeit, um die Dinge zu regeln und einen neuen Weg einzuschlagen. Ich bin dabei alles dafür vorzubereiten, dass ich Berlin den Rücken kehren und neu anfangen kann. Hoffentlich gemeinsam."
"Hast du ihm das denn alles mal so gesagt?"
Pia schüttelt den Kopf.
"Nein, nicht alles. Nur dass ich zurück muss und ich Zeit brauche und dass er mir nicht egal ist."
"Ich kann dich sehr gut verstehen, aber ich glaube, er hat aus seinen Fehlern gelernt. Er ist die letzten zwei Jahre so gewachsen und weiß, was er will. Die Therapie hat ihn wachsen lassen. Er denkt mehr an sich und seine Umgebung. Und wenn wir ehrlich sind, konntet ihr den jeweils anderen die letzten Jahre nicht vergessen. Wincent hat nie wieder über eine andere Frau gesprochen oder überhaupt erwähnt. Es gab niemanden. Wenn er sagt, dass ihr das schafft, solltest du ihm vertrauen. Ich weiß, dass da gegenseitige Gefühle sind und manchmal muss man vielleicht über seinen Schatten springen und auf Risiko gehen. Ich war damals sehr traurig als das mit euch vorbei war. Er war so angekommen bei dir und sich selbst. Er war endlich einfach nur er. Wincent. Danach war es nicht mehr so oft so. Die letzten Wochen war er wieder mehr bei sich. Ich habe das in den Telefonaten gemerkt und auch in der letzten Woche, aber er hat nicht gesagt, was los ist. Er hat lächelnd auf sein Handy gestarrt, heimlich telefoniert. Aber manchmal hat er auch einfach nur gedankenverloren auf der Couch gesessen und kein Wort gesagt. Und dann stehst du heute vor mir und alles ergibt Sinn."
Sie lächelt Pia an.
"Magst du mir erzählen, was in Berlin los ist?"
Pia seufzt. Dann fängt sie an zu erzählen. Alles. Von Anfang an, aber möglichst kurz zusammengefasst.
"Das ist wirklich hart, Pia. Aber ich bin froh, dass Anna dir hilft und du einen guten Weg gefunden hast. Wenn ich helfen kann, helfe ich natürlich auch."
Pia sieht sie lächelnd an.
"Wince weiß von all dem nichts. Ich möchte erst alles in trockenen Tüchern haben. Vielleicht komme ich auf deine Unterstützung zurück."
"Manchmal kann man nicht immer alles planen und darauf warten bis alles geklärt ist, Pia. Manchmal muss man alle Karten auf den Tisch legen und gemeinsam an allem arbeiten."
Sie zwinkert ihr zu.
"Danke. Vielleicht hast du recht. Es fällt mir so schwer ihn die ganze Zeit auf Distanz zu halten." Sie umarmen sich.
"Sehr gerne. Denk darüber nach. Ihr seid zusammen stark und ihr ward immer ein gutes Team auf Augenhöhe. Vielleicht solltest du dir selbst ein Geburtstagsgeschenk machen. Vielleicht auch schon ein verfrühtes."
Pia hat Tränen in den Augen und umarmt Angela.
"Danke, für deine Ratschläge. Ich glaube, so ein Gespräch habe ich gebraucht."
Sie lächeln sich an.
"Du schaffst das. Du bist eine tolle junge Frau und stärker als du denkst. Wir drei sind immer für dich da, darauf kannst du dich verlassen. So, und jetzt lass uns wieder zurück gehen. Bist du bereit dich wieder in den Geschwisterkampf zu stürzen?"
"Ja, auf jeden Fall."
"Dir ist bewusst, dass der Streit passé ist und sie sich mittlerweile wieder vertragen haben und einen Plan aushecken, wie sie uns fertig machen, oder?"
"Ich wollte gar nicht mitkommen als er den  Spieleabend erwähnt hat", stöhnt Pia und Angela muss lachen.
"Kann ich verstehen. Aber ich habe Wein, viel Wein."
Pia lacht. "Das macht es bestimmt erträglicher."
"Das garantiere ich dir."
Die restliche Zeit gehen sie wortlos nebeneinander her. Als sie in die Einfahrt biegen, hält Pia kurz inne.
"Angela?"
"Ja?"
"Danke für das Gespräch. Es hat mir wirklich weitergeholfen. Ich...ich hab ihn immer geliebt", sagt Pia leise.
Angela lächelt. "Ich weiß, mein Kind. Und er dich."
Sie drückt sie an sich und öffnet die Tür.

Maybe Sometimes - Fanfiction Wincent WeissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt