27. Kapitel neu

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Vier Tage sind seit ihrer gemeinsamen Nacht vergangen und Pia kann sie einfach nicht vergessen.

Pia war vormittags in München unterwegs. Sie musste einfach mal abschalten und den Kopf freibekommen. Die ganze Situation setzt ihr doch etwas zu. Ihr Herz spielt verrückt und ihre Gedanken kreisen. Es ist gerade wie Herz gegen Verstand.
Ihr Verstand sagt ihr, dass sie es als Ausrutscher abhaken soll. Eigentlich hat sich doch seit zwei Jahren nichts an den Voraussetzungen geändert. Sie lebt in Berlin und er bei seiner Familie im Norden. Im Endeffekt wäre es wieder eine Fernbeziehung auf Zeit, bis sie in Berlin fertig ist. Er konnte das damals nicht, warum sollte sich daran jetzt etwas geändert haben? Die Bedingungen sind dieselben. Sie hat eine riesengroße Baustelle in Berlin, um die sie sich kümmern muss. Sie kann das alles nicht so einfach zurücklassen.
Ihr Herz dagegen schreit förmlich nach Wincent. Tief drinnen weiß sie, dass sie nur ihn will, aber da ist diese Barriere in ihrem Kopf, die es gerade noch unmöglich macht über ihren Schatten zu springen. Die letzten beiden Jahre haben sie verändert.
Völlig in Gedanken betritt Pia das Gebäude und geht Richtung Fahrstuhl.
"Pia? Hey!"
Pia zuckt zusammen und dreht sich um.
"Oh, hallo Conny. Tut mir leid. Ich war total in Gedanken." Sie hebt die Hand und winkt. Conny lacht. Der Fahrstuhl piept und Pia steigt ein. 2. Etage. Noch fünf mal. Dann muss sie zurück. Hier fühlt es sich irgendwie sicher an. Wie zu Hause. In Berlin wartet ein großes Chaos, Stress und nun kommen auch wieder Leere und Liebeskummer dazu.
Die Türen öffnen sich und Pia geht links zu ihrem Büro.
"Hey Pia." Sie dreht sich um.
"Hallo Robert, was gibt's?"
"Du hast Besuch."
"Wer ist es denn?"
Aber Robert deutet nur auf das Besprechungszimmer und geht wieder in sein Büro zurück. Beim letzten Mal saß Johannes dort, der sie aus der Reserve gelockt hat. Sie geht auf den Raum zu. Bevor sie den Raum betritt, atmet sie tief durch. Sie legt die Hand auf die Klinke und drückt sie nach unten. Als sie die Tür öffnet, sieht sie eine zierliche blonde Frau, die mit dem Rücken zu ihr steht und aus dem Fenster sieht. Pia hält inne. Sie würde diese Frau immer wieder erkennen. Was will sie von ihr?
"Hallo Anna", sagt Pia direkt.
Die Frau dreht sich um und sieht Pia lächelnd an.
"Hallo Pia." Sie kommt auf sie zu und nimmt sie kurz in den Arm. "Wie geht's dir?"
"Ganz gut und dir?"
"Auch." Sie lächelt Pia an.
"Warum bist du hier?" Pia weiß, dass Anna nicht einfach so auftaucht. In Berlin haben sie sich zufällig ein oder zweimal getroffen. Aber sie hat sie nie direkt aufgesucht. Sie stand immer loyal zu Wincent. Immer.
Anna betrachtet Pia einen Moment. Die abwehrende und distanzierte Haltung fällt ihr sofort auf. Die Pia von damals hätte sie herzlich in den Arm genommen und wäre offen auf sie zugegangen. Diese Reaktion gerade deckt sich mit den Erzählungen von Johannes und Wincent vorgestern.
"Bitte setz' dich doch." Sie deutet auf einen Stuhl. Pia zögert, setzt sich dann aber.
"Also?" Pia hat die Arme vor der Brust verschränkt und sieht sie mit zusammengepressten Lippen an.
"Wir brauchen deine Hilfe."
"Wer ist wir?" Pia ist angespannt.
"Ich weiß, dass Amelie noch keinen Kontakt zu dir hatte. Sie hatte einen Unfall. Sie ist die Treppe heruntergefallen und hat sich ein Bein gebrochen. Sie wurde vorgestern noch operiert und liegt im Krankenhaus."
"Was? Aber sonst geht's ihr gut?" Pia richtet sich auf und sieht geschockt zu Anna.
Anna nickt. Pia atmet aus.
"Ja, sonst ist nichts weiter passiert. Aber Amelie fällt sechs bis acht Wochen aus und muss danach noch Physio machen. Wir brauchen einen Ersatz für die Tour. Und wir möchten gern, dass du diese Tour mit uns machst."
Pia starrt sie an. In ihrem Kopf sortieren sich gerade die Gedanken. Amelie fällt aus. Sie arbeitet ausschließlich für Wincent und dieses Merchdings. Anna sucht Ersatz. Dann schießen Pia's Augenbrauen nach oben und die Augen weiten sich.
"Du willst, dass ich die Stadion-Tour mache?"
Anna nickt. "Wir", korrigiert sie Pia.
"Vergesst es. Nein." Pia steht auf und geht Richtung Tür.
"Pia." Pia hält inne und dreht sich um.
"Hör zu Anna. Erstens muss ich zurück nach Berlin. Darauf habe ich keinen Einfluss. Zweitens habe ich sowas noch nicht oft gemacht. Und drittens geht es einfach nicht."
"Warum haben dich dann Lena und Max in den höchsten Tönen gelobt? Warum machst du dich so klein? Es waren sieben mega erfolgreiche Touren. Was ist los, Pia?"
Pia atmet tief ein und aus und sieht weg.
"Ich hatte dich immer im Auge. Ich habe keinen Kontakt zu dir gesucht, ja. Aber ich wusste immer, was du machst. Du bist großartig und du kannst es weit bringen. Aber in Berlin läuft irgendetwas falsch für dich. Wir können dir helfen. Du hast zur Crew gehört und insgeheim hat sich daran doch nichts geändert."
"Hör zu, Anna, ich kann darüber hier und jetzt nicht sprechen. Ich arbeite mit Newcomern. Ich bin der Abteilung zugeteilt. Sie werden mich nicht freistellen. Und zweitens ist das mit ihm und mir kompliziert. Das würde nicht funktionieren."
"Ich denke, du solltest mir vertrauen. Ich kann dir da bestimmt irgendwie helfen. Ich kenne Wolfgang Braun und ich weiß, dass er ein Arschloch ist, das nur auf seinen eigenen Profit aus ist. Wenn man dann in der Gunst nicht ganz oben steht, hat man verloren. Ich weiß, wie viel Cliquenwirtschaft es da gibt und das indirektes Mobbing ein ganz großes Thema in Berlin ist. Und wenn es um sowas geht, Pia, dann helfe ich dir da raus. Du musst es nur sagen. Zu dem anderen Punkt kann ich nur sagen, dass es nicht kompliziert sein muss. Ich weiß, dass ihr schon gesprochen habt und ich weiß, dass dieses Thema noch lange nicht durch ist. Für euch beide. Ich sehe dich und ich sehe ihn. Ich bin der festen Überzeugung, dass ihr das hinbekommt, wenn ihr nur wollt. Aber ihr müsst beide über euren Schatten springen und auf den anderen zu gehen. Ich würde es euch wirklich wünschen. Ihr ward ein unschlagbares Team."
Pia's Augen füllen sich mit Tränen. Sie atmet schnell.
"Denk drüber nach und melde dich bei mir. Ich brauche deine Entscheidung bis übermorgen, damit ich sonst noch alles rechtzeitig canceln kann. Was du noch wissen solltest ist, dass er einverstanden ist und mich gebeten hat mit dir sprechen."
Sie drückt Pia's Schulter und geht.

Maybe Sometimes - Fanfiction Wincent WeissWo Geschichten leben. Entdecke jetzt