Jener Tag

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POV Mexi

Ewigkeiten hatte ich unter der Dusche gestanden und versucht mich rein zu waschen aber ich fühlte mich immer noch dreckig. Seit Rezo die Wohnung verlassen hat hatte ich ausschließlich geduscht aber es brachte nichts. Und so machte ich die Dusche aus und verließ diese wieder.
Bewaffnet mit meinem Handtuch, welches um meine Hüfte gelegt war machte ich mich zurück auf den Weg ins Schlafzimmer um mich anzuziehen. Doch in diesem Moment hörte ich den Schlüssel im Schloss und eine Sekunde später stand Lisa in der Tür und sah mich an.
Nein, nein verdammt. Das durfte nicht sein. Ich hab verkackt. Wenn Lisa lang kam hatte ich mich nicht im Flur aufzuhalten. Immer außerhalb ihrer Sichtweite war der Deal. Aber heute habe ich verkackt.
"Hey Mexi" sagte Lisa leise und stellte wie immer die Beutel in den Flur. Wie immer der Einkauf für ein paar Tage. Lisa brachte ihn immer lang und ich kümmerte mich dann ums verräumen und darum daraus was zu Essen zu zaubern.
"Hi, danke" sagte ich und nahm schnell die Einkäufe und wollte schon in die Küche verschwinden als Lisa nochmal sprach. "Die blauen Flecke sind die von Rezo? Hat er dir was getan?" fragte Lisa dann nach und sah auf meine blauen Flecken, die meinen Körper zierten. Manche frischer, manche älter.
Plötzlich wurde mein Mund ganz trocken. Jetzt hätte ich die Möglichkeit. Lisa könnte mich hier raus bringen. Ich könnte jetzt dort raus gehen.
Nein du liebst Rezo doch. So ein Quatsch gestern ist er zu weit gegangen. Er hat endgültig eine Grenze überschritten du musst hier weg.
"Bitte, bitte bring mich hier raus. Ich kann nicht mehr." sagte ich dann in einem flehenden Ton einer Intuition folgend. "Mexi ich kann nicht" sagte Lisa leise. "Wieso?" "Wenn du weg bist nachdem ich hier war was wird er dann wohl mit mir machen?" "Hat er dir auch was getan?" fragte ich nach aber sie drehte sich um und ging einfach wieder. Kurz bevor sie die Tür schloß sagte sie allerdings noch: "Es tut mir so Leid." und dann schloß sie die Tür wieder zu und ging.

Richtig das war das erste und einzige Mal gewesen, dass ich raus wollte. Das ich versucht hatte zu fliehen. Aber ich hatte es nicht geschafft.
Es war der Tag gewesen nachdem Rezo das erste Mal sexuell übergriffig wurde. Und ich hatte nur weg gewollt. Aber in dem Moment wurde ich nicht gerettet und so wurde ich noch tiefer in den Sog gezogen. So tief, dass ich nicht mal mehr darüber nachdenken konnte zu fliehen. Ich hatte diese eine Chance auf Rettung ganz am Anfang gehabt aber Lisa hatte sie mir verwehrt.
Ich hatte das schon fast wieder vergessen. Es ist gefühlt so lange her. Es fühlt sich an wie in einem anderen Leben.
Ich war Lisa nie sauer gewesen deshalb. Klar, ich hatte an diesem Tag stundenlang geweint. Und ich hatte Angst. Wenn Lisa Rezo etwas erzählt hätte, gesagt hätte das ich weg wollte dann wäre ich sowas von am Arsch gewesen.
Aber trotz dessen wie Scheiße ich mich gefühlt hatte hab ich es ihr nie übel genommen. Vielleicht weil ich wusste wie es war unter Rezos Macht zu stehen. Weil ich wusste wie es war von ihm manipuliert zu werden. Wie es war manchmal furchtbare Angst in seiner Nähe zu haben.

Langsam ließ ich den Cursor auf die nächste Datei gleiten. Lisas Statement, dass ich veröffentlichen könnte wenn ich wollte. Ich atmete nochmal tief durch und dann klickte ich die Datei an.
"Hi, ich bin Lisa. Einige von euch kennen mich vielleicht. Ich bin bzw. war Rezos Assistentin. Wie ihr sicherlich mitbekommen habt liegen gegen Rezo Anschuldigungen vor und da ich in meiner Rolle als seine Assistentin einiges mitbekommen habe damals sehe ich mich dazu verpflichtet meine Sicht der Dinge zu erklären.
Also erstmal ich glaube Mexi, voll und ganz. Und ich erläutere euch jetzt wieso.
Also als Rezos Assistentin habe ich ihn in allem unterstützt, sowohl im Unternehmen als auch privat. Und so habe ich dann teilweise auch seine Einkäufe übernommen. Als Mexi bei Rezo eingezogen ist habe ich das auch weiterhin getan. 2 mal die Woche habe ich Einkäufe vorbei gebracht.
Was auffiel als Mexi dort lebte war, dass Mexi zwar immer Zuhause war. Das wusste ich. Aber dennoch war die Tür immer abgeschlossen und ich sollte diese nur aufschließen und die Einkäufe hinter die Tür stellen. Rezo hatte mir ausdrücklich untersagt in die Wohnung weiter hinein zu gehen. Und Mexi kam auch nie an die Tür um diese entgegen zu nehmen. Klingeln durfte ich auch  nicht. Rezo hat also quasi dafür gesorgt, dass ich Mexi trotz der Einkäufe, die ich vorbei brachte nie zu Gesicht bekam.
Ich sollte auch immer um eine ganz bestimmte Uhrzeit vorbei kommen. Ich nehme an Rezo hat Mexi untersagt sich zu dieser Uhrzeit im Flur aufzuhalten bzw. in meinem Sichtfeld wenn ich in den Flur ging.
Was noch auffiel war, das an dem Schlüsselboard nie ein Schlüssel hing obwohl Mexi zu Hause war. Ich hatte mich damals schon gefragt ob Mexi überhaupt die Möglichkeit hatte raus zu gehen weil die Tür immer abgeschlossen war und er anscheinend keinen Schlüssel hatte. Ich sollte die Tür auch immer wieder abschließen wenn ich die Wohnung verließ.
Außerdem habe ich einmal mitbekommen wie Rezo einen persönlichen Gegenstand von Mexi wegwarf. Etwas von dem ich wusste Mexi würde diesen niemals einfach so weggeben.
Damals wirkte alles auf mich schon extrem seltsam aber ich traute mich nie nachzufragen. Vielleicht wollte ich es auch einfach nicht sehen.
Aber dann an einem Tag als ich wieder den Einkauf vorbei brachte, dass war vor ca. 3 Monaten, sah ich Mexi. Er kam anscheinend gerade aus dem Bad und wirkte extrem in Gedanken. Vermutlich hatte er deshalb auch verplant, dass ich vorbei kam.
Mexi trug nur ein Handtuch um die Hüften wodurch ich freien Blick auf etliche blaue Flecke hatte. Er hatte blaue Flecke an den Handgelenken, an den Oberarmen, am Bauch. Sein ganzer Körper war getränkt davon. Einige sahen älter aus, manche frisch. Und er sah aus als hätte er geweint. Außerdem sah extrem fertig aus als hätte er Ewigkeiten nicht geschlafen. Ich bin ehrlich sein Anblick hatte mich schockiert. Wie gesagt ich hatte vorher schon vermutet, dass da vielleicht was schief läuft aber ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm ist.
Und als ich Mexi fragte ob Rezo das ganze war flehte mich Mexi an ihn da raus zu holen. Und meinetwegen hatet mich gerne dafür. Ich weiß selber ich habe falsch gehandelt. Aber ich hatte Panik in dem Moment. Rezos Verhalten wurde in letzter Zeit auch mir gegenüber aggressiver. Ich hatte Angst was passieren würde wenn ich mit Mexi diese Wohnung verließ.
Mexi hatte die Möglichkeit gerettet zu werden aber ich ließ ihn da. Ich hab ihn im Stich gelassen. Ich hab ihn zurück gelassen. Und Mexi es tut mir verdammt Leid. Es tut mir so Leid was du durchmachen musstest. Ich habe das alles mit möglich gemacht. Ich war Teil des Problems. Es tut mir Leid was ich dir angetan habe.
Ich hoffe ich kann hirdurch wieder etwas gut machen. Dadurch das ich jetzt zu dir stehe.  Ich weiß ich kann dadurch nichts ungeschehen machen aber wenigstens kann ich richtig stellen was passiert ist. Die Öffentlichkeit sollte die Wahrheit wissen.
Ja, das war es von mir. Ich habe nichts weiter zu sagen."
Während Lisas Ansprache hatte ich angefangen zu weinen. Sie wirkte wirklich sehr bedrückt und ihre Entschuldigung war ehrlich. Und irgendwas machte das mit mir.
Vielleicht auch, dass mir wieder vor Augen geführt wurde, dass ich hätte so viel früher gerettet werden können. So vieles hätte mir erspart werden können.

Schmerzhafte BeziehungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt