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Die Beerdigung war schön. Die Kirche war gefüllt mit vielen Freunden und Kirchenmitgliedern. Alles Menschen, die Judy kannten. Die Pfarrerin hat eine bewegende Rede gehalten und Judy wurde neben ihrem Mann und Freddies Eltern beerdigt. Anschließend sind alle für einen kleinen Empfang zu uns auf die Farm gekommen. Es wird gegrillt, gibt Kuchen und Geschichten über Judy werden ausgetauscht. Nachdem die vergangenen Tage traurig und trist waren, scheint heute wieder die Sonne und nach der Beerdigung scheint alles etwas gelöster. Freddie hat zwar geweint, aber ich glaube, es tat ihm gut Abschied zu nehmen. Er ist gerade draußen bei Isaac und Toby. Sie sorgen dafür, dass nicht alle auf ihn einreden und er seine Ruhe haben kann, während wir Essen und Getränke verteilen.

Gerade stehe ich in der Küche mit Lilly, Val und ihrer Mutter Maria. Wir kochen Kaffee und füllen ihn in Thermoskannen um, damit sich draußen jeder bedienen kann. Weil schönes Wetter ist, haben wir den Leichenschmaus nach draußen verlegt.

„Die Farm ist wirklich schön. Ich hätte meine Kamera mitbringen sollen", sagt Vals Mutter und schaut aus dem Küchenfenster auf die Pferdekoppel. „Tut mir leid, das war unpassend", entschuldigt sie sich schnell und mit weit aufgerissenen Augen.

„Ist schon in Ordnung." Lilly lacht und wirft Maria einen verstehenden Blick zu. „Du kannst wiederkommen und Fotos machen, wenn du möchtest."

„Wirklich? Das wäre schön." Maria lächelt ehrlich und schaut wieder aus dem Fenster.

„Wir bräuchten gute Fotos für die Instagram Seite", erwähne ich, aber beiße mir sofort auf die Zunge. Heute ist kein Anlass, um geschäftliche Dinge zu besprechen.

Lilly schaut mich nur grinsend an, schüttelt ihren Kopf und gießt anschließend frisch gekochten Kaffee in die Thermoskanne.

„Ihr seid auf Instagram?", fragt Val und holt sofort ihr Handy raus.

„Nein, das war nur ein Vorschlag, den ich Lilly gemacht habe", erkläre ich und räume das benutze Geschirr auf dem Küchentresen zusammen.

„Das solltet ihr unbedingt machen. Die Farm hat so viel Charm und ich könnte ein paar Bilder machen, sie zu meinem Portfolio hinzufügen und ihr könnt sie für euren Account nutzen." Maria nickt begeistert mit dem Kopf und schaut Lilly abwartend an.

„Ich überlege es mir", antwortet sie.

Wir verlassen wenig später die Küche, gehen auf die hintere Terrasse, doch bevor ich den Garten betreten kann, fällt mein Blick auf Sam. Er lehnt an dem Geländer und schaut mich an, als hätte er nur auf mich gewartet. Die Ärmel seines schwarzen Hemdes hat er über die Ellenbogen geschoben und die ersten beide Knöpfe am Kragen gelockert. Goldbraune Haut schimmert unter dem dunklen Stoff hervor und ich möchte am liebsten laut aufstöhnen, weil ich nicht fassen kann, wie gut er in seiner Trauerkleidung aussieht. Es ist eigentlich nichts Besonderes. Schwarzes Hemd in schwarzer Anzughose und schwarze Stiefel. Ein einfaches Outfit, aber so verdammt sexy. Ich möchte das Hemd weiter aufknöpfen, ihn von den Schultern streichen und überall Küsse auf der entblößten Haut verteilen.

Ich schüttle meinen Kopf, um diese Gedanken loszuwerden, aber Sams leichtes Zucken an den Mundwinkeln, verrät mir, dass er genau weiß, was in meinem Kopf vorgeht. Er kommt auf mich zu und ich weiche augenblicklich ein paar Schritte zurück. Wir haben die ganze Woche nicht mehr als ein paar sehnsüchtige Blicke ausgetauscht. Das und das gelegentliche Kuscheln in der Nacht, bei dem ich mir sicher bin, dass Lilly es mitbekommen hat.

Lilly, Val und ihre Mutter kümmern sich um die Gäste und scheinen nicht gemerkt zu haben, dass ich zurückgeblieben bin.

Also lasse ich mich von Sam an die Hand nehmen und zurück ins Haus führen. Zu meiner Überraschung geht er aber auf die Kellertür zu. Sam betätigt den Lichtschalter und grelles weißes Licht erfüllt den Gang. Ich lasse mich einfach weiter mitziehen und bin froh, dass Lilly keinen gruseligen Keller hat. Er ist gefliest und dient zur Aufbewahrung von Vorräten, die keinen Platz in der Vorratskammer finden. Regale voll mit Gläsern reihen sich an den Wänden. Es gibt eine Kühltruhe und einen Kühlschrank, in denen ebenfalls Lebensmittel aufbewahrt werden. Außerdem gibt es zwei Waschmaschinen und einen Trockner. Ich war schon einige Mal hier unten, um Wäsche zu waschen oder etwas zu den Vorräten zu stellen. Aber dafür hat mich Sam bestimmt nicht hergebracht.

Silent CountryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt