Sechs Sekunden einatmen. Halten. Sechs Sekunden ausatmen.
Sechs Sekunden einatmen. Halten. Sechs Sekunden ausatmen.
Sechs Sekunden einatmen. Halten. Sechs Sekunden ausatmen.
Sechs Sekunden einatmen. Halten. Sechs Sekunden ausatmen.
Sechs Sekunden einatmen. Halten. Sechs Sekunden ausatmen.Man sollte meinen diese Atemübungen beruhigen einen, aber was sie eigentlich machen, ist das Problem zu ignorieren.
„Nura, bist du noch da?"
Hallo, Problem.
„Ja, Mom ich bin noch da", bringe ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Gut, dann sag mir bitte, welcher Flug dir mehr zusagt. Der-"
„Mom, ich habe dir gesagt, dass ich nicht zurückfliege. Die Zeit ist noch gar nicht vorbei. Das war so nicht abgesprochen", unterbreche ich sie.
Es ist kurz still. Dann höre ich ihren Atem über die Lautsprecher.
„Nura, wir haben doch besprochen, dass du die Zeit nutzen sollst, dir Gedanken über die Zukunft zu machen. Da du das aber nicht getan hast, waren die vergangenen Wochen Zeitverschwendung."
Um nicht wütend mein Handy anzuschreiben, versuche ich es erneut mit den Atemübungen, doch ohne Erfolg.
„Mom, ich bin nur hergekommen, weil wir uns zu Hause immer gestritten haben. Ich wollte gar nicht hier her. Jetzt bin ich glücklich hier und ihr wollt mich wieder wegschicken. Nichts hat sich geändert." Meine Stimme ist ruhig, innerlich brodelt es aber in mir. „Ich will nicht, dass wir uns streiten, aber ich will hier auch nicht weg. Mein Leben in Tacoma ist Vergangenheit. Ich bin dort nicht mehr glücklich."
„Ich glaube es ist besser, wenn wir das zu Hause klären und nicht am Telefon. Wir wollen doch nicht viel von dir, Nura. Ein Schulabschluss ist nun mal wichtig für deine Zukunft. . ."
Eine halbe Stunde später trete ich mit dem Fuß gegen einen der Eimer, die im Pferdestall stehen. Nach dem Telefonat bin ich aus dem Haus gestürmt und ohne Ziel über den Hof gewandert und irgendwie hier gelandet.
Ich will einfach nur-
Scheiße, ich weiß nicht, was ich will. Ich will hier einfach nicht weg. Ich will nicht, dass Entscheidungen über meinen Kopf hinweg getroffen werden.
Warum ausgerechnet heute? Wir hatten so einen schönen Tag. Früh habe ich bei der Ernte geholfen, bevor Macy und Daniel auf den Markt in Russell Springs gefahren sind. Anschließend habe ich mit Sue und Kaleb Marmelade eingekocht und bin am Nachmittag zu Val in den Laden. Anschließend haben Sam, Lilly und ich das Abendessen vorbereitet und während wir unsere gefüllten Paprikaschoten und Zucchini gegessen haben, haben meine Eltern angerufen. Und nicht nur das, sie haben mich darauf hingewiesen, dass ich doch Grace antworten soll, da sich ihre Nachricht immer noch ungelesen auf meinem Handy befindet.
Na ja, und jetzt bin ich hier, laufe kreise in den staubigen Boden und möchte weinen, weil ich so verdammt wütend bin. Wütend auf meine Eltern, weil sich nichts geändert hat und wütend auf mich, weil ich selbst keinen Plan habe, wie es weiter gehen soll. Aber wie es aussieht, befinde ich mich in drei Wochen auf dem Weg nach Hause. Komisch, dass es sich gar nicht mehr nach zu Hause anfühlt und das macht mir Angst.
Als Schritte hinter mir ertönen drehe ich mich um und alle unterdrückten Gefühle in mir treten an die Oberfläche. Als Sam seine Arme um mich schlingt, beginnen auch schon die ersten Tränen über meine Wange zu rollen und ich vergrabe mein Gesicht in seiner Brust. Wir beide sind noch verschwitzt von der heutigen Arbeit, doch das interessiert in diesem Moment niemanden. Ich weine lautlos in Sams verschwitztes T-Shirt. Seine Arme halten mich fester, bis seine Hand über meinen Rücken streicht und in meinen Nacken unter meinen Zopf gleitet, wo er beginnt mich mit festen Fingern zu massieren und ich realisiere, wie angespannt ich doch bin.

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Silent Country
RomansaVeröffentlicht seit März 2024 - unregelmäßige Updates Nura war ein braves Mädchen. Gute Noten, Kapitänin der Volleyballmannschaft und gute Freundin. Doch Nura war nicht glücklich. Sie wollte mehr. Freiheit. Als sie ihren Wünschen nachgeht und Dinge...