Silent Country

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Lilly hat nicht mitbekommen, wie ich mich aus dem Zimmer ihres Sohnes geschlichen habe. Die Sonne war noch gar nicht aufgegangen als ich aufgewacht bin. Sam hat tief und fest geschlafen, sein Kopf an meinen Hals gekuschelt, die Hand unter meinem Top auf meiner Brust. Sobald ich mich bewegt habe, ist er wach geworden. Ich habe ihm gesagt, dass ich in mein Zimmer gehen werde, bevor seine Mutter wach wird.

Das ist mittlerweile drei Tage her. Heute ist Dienstag und ich arbeite diese Woche nicht im Laden, weil wir Obst und Gemüse einkochen. Gerade helfe ich Lilly dabei, Tomatensoße zu machen. Wir stehen schon seit Stunden in der Küche, aber es ist eine angenehme Arbeit. Wir unterhalten uns und singen die Lieder aus dem Radio mit. Gerade läuft Bubbly von Colbie Caillat, Lilly summt leise mit, der Regen prasselt im stetigen Rhythmus auf das Dach und ich beschrifte die Etiketten für die Gläser mit dem Monat und Jahr, an dem sie befüllt wurden. Am Sonntag habe ich sogar schöne Etiketten am Computer erstellt, die für die Gläser sind, die im Laden verkauft werden sollen. Sie tragen den Namen der Farm, die Zutatenliste und den Produktnamen. Ich habe ein bisschen mit den Farben gespielt, rostbraune Lettern auf hellblauen fast weißen Untergrund. Lilly war so begeistert von den Drucken, dass ich ihr weitere Templates erstellt habe. Dann muss sie nur die Produktnamen und Zutatenlisten ändern und kann die Etiketten für die kommenden Jahre verwenden. Ich hatte einen kurzen Anflug von Traurigkeit verspürt, als ich daran gedacht habe, dass ich dann nicht mehr hier sein werde. Dieser Ort hat sich in mein Herz geschlichen und wird immer etwas Besonderes für mich sein. Aber dann habe ich daran gedacht, dass ich noch ein bisschen mehr als die Hälfte von meinem Aufenthalt vor mir habe und dass ich die Zeit ausnutzen werde, so viele Erinnerungen wie möglich zu sammeln.

„Hey, ich habe überlegt, dass wir einen Instagram Account für die Farm einrichten sollten", sage ich und stecke die Kappe wieder auf den Stift, weil ich eine kleine Pause vom Schreiben brauche. Mein Handgelenk tut schon ganz weh.

„Ich weiß nicht. Die Farm macht schon genug Arbeit, ich hätte glaube keine Zeit mich auch noch um eine weitere Sache zu kümmern." Sie schneidet Tomaten in grobe Stücke und wirft sie dann in einen Topf.

„Du müsstest dich gar nicht darum kümmern. Das kann jemand anderes machen, ich zum Beispiel. Oder du hast mehrere Verantwortliche. Es wäre eine gute Werbung für die Farm. Du könntest zeigen, was du alles anbietest und welche Produkte es im Laden zu kaufen gibt. Man könnte ein bisschen hinter die Kulissen blicken. Immer mehr Leute interessiert es, wo ihre Lebensmittel herkommen." Ich führe meine Gedanken weiter aus und versuche Lilly zu erklären wie viel Potenzial in der Farm steckt. Sie managt alles super, aber niemand bekommt es mit. Ein bisschen mehr Anerkennung hätte sie verdient. „Außerdem kannst du online über dir wichtige Themen sprechen. Zum Beispiel hast du mir neulich noch gesagt, dass du dafür wärst, dass die Regelungen für Bioprodukte strenger werden sollen. Das wäre schon mal eine Sache, die du auf deinem Profil ansprechen könntest."

„Weißt du was? Ich werde es mir überlegen." Sie grinst mich an und ich freue mich, dass sie meine Ideen annimmt.

Ich will gerade etwas erwidern als die Haustür aufgestoßen wird und ein tropfnasser Freddie hereingestürmt kommt. Er atmet schwer, ist vermutlich hergerannt und das auch noch bei dem Wetter.

„Was ist passiert?", fragt Lilly sofort besorgt, legt das Messer aus den Händen und trocknet sich die Hände ab.

„Nana", bringt er keuchend hervor und wischt sich den Regen aus den Augen.

„Hey." Lillys Stimme nimmt einen beruhigenden Ton an, sie geht vor ihm auf die Knie und streicht ihm die nassen Locken von der Stirn. „Hol tief Luft und erzähl mir was passiert ist."

Mein Bauch sagt mir, dass es nichts Gutes ist.

Freddie hört auf Lilly, atmet einmal tief ein und plappert dann wieder los. „Nana wird nicht wach."