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Die Woche verläuft immer gleich. Arbeiten, Essen kochen, über die Farm laufen, Gemüse aus dem Garten ernten und mit Lilly Fernsehen gucken. Wenn ich dann noch Zeit finde, knüpfe ich an meinen Armbändern weiter. Mittlerweile habe ich mich an schwierigere Muster herangetraut und einiges von Lillys Wolle aufgebraucht. Deswegen bin ich neulich in die Stadt gefahren und habe mir selbst welche gekauft, die sich besser eignet. Sie muss glatt und reißfest sein. Da meine Materialen und Techniken besser geworden sind, kommen tatsächlich schöne Armbänder dabei heraus und ich habe bereits welche an Valeria, Freddie und Lilly verschenkt. Mittlerweile sind es so viele Armbänder, dass überall welche herumliegen, fertig oder noch in Arbeit. Im Auto, in meiner Tasche, im Wohnzimmer und sogar im Badezimmer. Keine Ahnung, wie das dort gelandet ist. Ein paar sind auch verloren gegangen, ich vermute, dass die Farm-Katzen dahinterstecken. Sie haben schon das ein oder andere Mal mit den Wollknäueln gekämpft.

Auch die Wochenenden verlaufen immer gleich ab. Am Freitag oder Samstag ist irgendwo eine Party. Seit letztem Samstag, seit dem Kuss, habe ich Kaleb nicht mehr gesehen. Ich habe es vermieden ihn anzutreffen, wenn ich gemeinsam mit Lilly das Mittagessen vorbeigebracht habe. Ich vermeide ihn nicht, weil ich ihn nicht mehr sehen möchte. Es ist nur so, dass ich nicht weiß, was ich überhaupt möchte. Bis zu diesem Samstag habe ich noch Zeit mir etwas zu überlegen, denn dann gibt es wieder eine kleine Party am Fluss. Val wird diesmal nicht dabei sein können, weil sie ihre Mutter in Lexington besucht. Ich bin aufgeregt, denn dann werde ich allein mit Kaleb sein, aber gleichzeitig möchte ich die Gelegenheit nutzen, um herauszufinden, was ich tatsächlich möchte. Sollen wir es bei diesem einen Kuss belassen? Er war schön, daran besteht kein Zweifel. Aber möchte ich weiter gehen? Vielleicht wäre ein Sommerflirt gar nicht so schlecht.

Seit Samstag ist Sam wieder jeden Tag zu sehen. Er frühstückt mit uns und gelegentlich sehe ich ihn an der Scheune oder auf der Koppel. Auch jetzt sitzt er wieder am Tisch, mit einer Schüssel Cornflakes vor sich und einem Teller Toast und Eier daneben.

„Guten Morgen", begrüße ich Lilly und Sam, als ich die Treppe runterkomme. Immer noch in meinen Schlafsachen bekleidet, ein graues viel zu großes T-Shirt und eine schwarze kurze Hose, setze ich mich zu ihnen an den Tisch. Einen BH trage ich nicht. Ich habe beschlossen, dass es mir egal ist, weil es normal ist und ich meine Klamotten nicht an Sams Anwesenheit anpassen möchte, da ich nie weiß, ob er früh mit uns isst oder nicht.

„Guten Morgen", grüßt Lilly zurück. Von Sam kommt keine Reaktion. In den vergangenen Wochen habe ich gelernt, dass er nicht nur nicht spricht, sondern allgemein nicht kommuniziert. Wenn er also mal mit dem Kopf nickt oder direkten Augenkontakt hält, dann teilt er sich wirklich mit. Dann fällt es mir mittlerweile auch nicht mehr so schwer zu erahnen, was er eigentlich sagen möchte.

An meinem Platz steht bereits eine Schale Obstsalat und eine dampfende Tasse Kräutertee. Auch daran habe ich mich gewöhnt. Mich von Lilly bedienen zu lassen fühlt sich nicht mehr ganz so komisch an, wie am ersten Tag. Dennoch bedanke ich mich mit einem kurzen Lächeln bei ihr, was sie mit einer abwerfenden Handgeste kommentiert.

„Da Val heute schon zu ihrer Mutter fährt, übernimmt Dawson ihre Schichte im Laden. Du kannst also gerne hierbleiben. Ich weiß, dass du eigentlich nur wegen ihr mitkommst", bietet mir Lilly schmunzelnd an und nimmt ein Stück Apfel aus ihrer eigenen Schale Obstsalat.

Dawson ist nett, ich habe ihn bereits kennengelernt, dennoch habe ich geplant die nächsten Tage auf der Farm zu verbringen.

„Ich würde gerne hier helfen, wenn das in Ordnung ist."

„Klar, du kannst mit Sam Zäune reparieren. Das muss schon seit einer Weile erledigt werden und an einigen Stellen braucht es vier Hände."

Dieser Vorschlag erweckt auch Sams Interesse. Er schaut nicht direkt auf, doch braucht etwas länger, um den nächsten Löffel seiner Cornflakes zu essen.

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