Babette

5 0 0
                                    

Ich lag in meinem Bett. Doch ich war nicht allein. Jemand lag direkt neben mir und eine kräftige Hand hielt die Meine. Eine angenehme Wärme breitete sich in meinem Herzen aus. Es war gemütlich hier.

Ich fühlte mich wohl.

Ich fühlte mich glücklich.

Ich fühlte mich frei!

Anfangs rührte ich mich nicht. Ich traute mich nicht, aus Angst die Hand könnte dann einfach verschwinden. Ich wollte nicht, dass sie mich losließ. Sie sollte mich weiterhin festhalten. Am liebsten für immer!

Schließlich wurde ich unruhig. Ich konnte nicht einschlafen, solange ich auf dem Rücken lag. Daran war ich nicht gewöhnt.

Sollte ich es wagen?

Nur ganz langsam, um ihn nicht zu wecken?

Ganz behutsam und sacht!

Mein Mut siegte über meine Angst. Vorsichtig drehte ich mich auf die Seite.

Nichts geschah.

Meine Hand wurde nicht losgelassen.

Lächelnd kuschelte ich mich an den kräftigen Körper neben mir. Sogleich wurde ich in eine wundervolle Umarmung gezogen und ein köstlicher Duft breitete sich um mich herum aus. Es roch nach Vertrauen, nach Liebe und nach…. Erdbeeren?

Überrascht öffnete ich die Augen. Es roch tatsächlich nach Erdbeeren. Das konnte nur eines bedeuten: Babette war da. Und sie backte Kuchen!

Sofort sprang ich aus dem Bett und eilte die Treppe hinunter. Immer der Nase nach. Als ich die Küchentür öffnete, empfing mich ein herrlicher Duft.

“Guten Morgen, Babette”, begrüßte ich sie voller Freude.

“Guten Morgen, Kyle. Du bist heute aber zeitig auf. Das bin ich von dir gar nicht gewöhnt.” Babette schenkte mir ein gutmütiges Lächeln. Sie war nicht mehr die Jüngste, aber man konnte sich immer auf sie verlassen. Für mich war sie wie eine liebevolle Großmutter. Ich konnte ihr alles anvertrauen. Außerdem kochte sie fantastisch!

“Dieser köstliche Geruch hat mich aus den Federn getrieben.”

“Das ist der Tortenguss. Der Kuchen ist so gut wie fertig.”

“Was hast du da im Ofen?” Neugierig näherte ich mich dem Herd.

“Frische Brötchen. Wenn du möchtest, backe ich später auch noch Brot.”

“Brötchen genügen.”

“Bist du sicher? Über das Wochenende sind deine Vorräte ziemlich knapp geworden. Ich habe wahrlich nicht damit gerechnet, dass du so viel isst”, sagte Babette und träufelte währenddessen den Tortenguss über den Erdbeerkuchen.

“Habe ich auch gar nicht. Ich hatte gestern einen Gast und der hat darauf bestanden, für mich zu kochen.”

“Ach wirklich? Das klingt aber spannend. Ich kann mich nicht entsinnen, wann du das letzte Mal Besuch hattest. Wird er in nächster Zeit öfter vorbeikommen?"

“Ich weiß nicht. Vielleicht..  Am Dienstag fahren wir gemeinsam weg.”

“Wohin?”

“Zu einem von Mutters geliebten Wohltätigkeitsbällen.”

“Dabei kannst du diese Bälle doch nicht ausstehen.” Babette zwinkerte mir zu.

“Er wollte dahin.”

“Und du hast zugestimmt?”

“Ja, habe ich. Er hat mir geholfen und da wollte ich mich erkenntlich zeigen.”

“Ganz der Gentleman. Genau wie dein Vater.”

“Du kannst dir am Dienstag gerne frei nehmen und was mit deinen Enkeln unternehmen, wenn du möchtest", schlug ich vor.

“Das ist schön. Wir waren lange nicht mehr im Theater", meinte Babette und schaute nach den Brötchen. "Wann kommt ihr zurück?”

“Ich schätze am Mittwoch, weiß es aber noch nicht genau. Ich gebe dir rechtzeitig Bescheid.”

"Ich würde deinen geheimnisvollen Gast gerne einmal kennenlernen. Vielleicht können wir ein paar Rezepte austauschen.”

“Das glaube ich eher weniger. Bisher hat er mir nur Haferflocken und Spaghetti serviert.”

“Du hast freiwillig Haferflocken gegessen?”

“Ich hatte keine Wahl.”

Babette lacht. “Faszinierend. Da ist man nur zwei Tage weg und verpasst doch so viel.”

“Du hast nicht das Geringste verpasst”, entgegnete ich entschieden.

“Wie du meinst. Was möchtest du eigentlich zum Frühstück, Ayden? Beim Bäcker gab es heute frische Croissants. Wäre das nicht etwas für dich?”

“Gerne.”

Keine zehn Minuten später saß ich vor einem reich gedeckten Tisch. Sogar ein Stück Erdbeerkuchen durfte ich probieren. Wie nicht anders zu erwarten, schmeckte es himmlisch.

Nach dem Essen ging ich hinauf und richtete mich her. Vor Olga musste ich mich von meiner besten Seite zeigen, denn sie würde alles, was ihr missfiel, haarklein weitererzählen. Beim letzten Mal als ich sie im Schlafanzug empfangen hatte, bekam ich eine Woche später ein riesiges Paket mit Designerunterwäsche von meiner Mutter zugeschickt. Das meiste davon habe ich gespendet, denn kein normaler Mensch brauchte so viele Sachen. Ich liebte meine Familie über alles, doch sie neigte zur Übertreibung.

Ich musterte gerade mein Abbild im Spiegel, als die Türklingel ertönte. Ein letztes Mal strich ich mir die Haare glatt. Dann atmete ich tief durch und wagte mich wieder nach unten.

SeelenverwandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt