Bahnhof

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Nach einer traumlosen Nacht wurde ich am nächsten Morgen überraschenderweise nicht von einem nervtötenden Klingeln oder einer gurrenden Taube geweckt, sondern von einer warmen Hand, die mir sanft das Haar aus dem Gesicht strich. Verschlafen öffnete ich die Augen.

“In einer Stunde müssen wir los”, flüsterte mir eine vertraute Stimme zu.

“Wohin?”, fragte ich und kuschelte mich tiefer in meine Bettdecke ein.

“Zum Bahnhof, Ayden. Es ist langsam an der Zeit aufzustehen.”

“Ich will nicht…”

Ein leises Lachen ertönte. “Dir bleibt keine Wahl.”

“Doch”, entgegnete ich trotzig.

“Komm schon, Ayden. Steh endlich auf.”

Ich gab keine Antwort mehr. Daraufhin wurde es still. Zufrieden schloss ich meine Augen. Beinahe wäre ich wieder eingeschlafen, doch plötzlich klaute mir eine ganz und gar hartherzigen Person meine Decke. Wütend richtete ich mich auf und …

… blickte direkt in Kyle's wundervolles Antlitz!

“Na endlich. Es ist gar nicht so einfach, dich zu wecken, weißt du das?” Erneut wurden mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht gestrichen.

“Ich…” Ich war wie erstarrt. Mir fiel beim besten Willen nicht ein, was ich sagen sollte.

Glücklicherweise dachte Kyle für uns beide. “Du wirst dich jetzt frisch machen und anziehen und ich bereite währenddessen ein kleines Frühstück für uns vor. Hast du denn überhaupt schon deinen Koffer gepackt?”

“Brauche ich nicht.” Endlich hatte ich meine Stimme wiedergefunden.

“Du brauchst keinen Koffer?”

“Nein. Im Hotel gibt es so gut wie alles und der Anzug für den Ball ist bei Olga”, erklärte ich, während ich mich umständlich aus dem Bett quälte. Alsdann trottete ich gähnend ins Bad.

Es bedurfte einer ungehörigen Menge an kaltem Wasser, um meine Lebensgeister zu erwecken. Doch danach lief alles wie am Schnürchen. Nachdem ich mich gewaschen und rasiert hatte, zog ich eine glänzende, schwarze Hose an und kombinierte sie mit einem weinroten Hemd. Mein Haar brachte ich mit etwas Gel in Form und mein Gesicht verwöhnte ich mit einer reichhaltigen Feuchtigkeitscreme. Zuletzt steckte ich noch mein Handy, meine Geldbörse und die Tickets ein.

Ein Blick in den Spiegel zeigte mir einen wachen, jungen Mann in edlen Kleidern. Ich war heute wirklich vorzeigbar und hoffte, dass dies auch so bleiben würde. Zufrieden ging ich nach unten.

Als ich die Küche betrat, war der Tisch bereits gedeckt. Ich fragte mich, was Kyle wohl unter einer Kleinigkeit verstand, denn dieses Frühstück war alles, außer klein. Neben frischen Brötchen, Marmelade, Wurst und Käse gab es heute sogar noch eine Schüssel Cornflakes für jeden. Wollte er mich mästen? So viel würde ich niemals schaffen.

Nachdem ich mich gesetzt hatte, widmete ich mich zuerst den Cornflakes. Danach folgte noch ein halbes Brötchen. Kyle aß deutlich mehr als ich, doch er verbrauchte sicherlich auch mehr Energie als meine Wenigkeit.

“Womit habe ich dieses Festmahl verdient?”, fragte ich, denn in seiner Nähe konnte ich nie lange still bleiben.

“Das Meiste stand servierbereit im Kühlschrank. Und die Cornflakes waren in der Kammer direkt neben den Brötchen. Es lag sogar ein Zettel darauf.”

“Babette hat bestimmt geahnt, dass wir gemeinsam frühstücken und alles vorbereitet.”

“Möglich. Hast du gut geschlafen?”

SeelenverwandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt