Kapitel 46-1

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Ihr Lieben,

viel zu lange schon habt ihr nichts mehr von mir gehört... Aber manchmal verläuft das Leben anders, als geplant. Und deshalb fehlte mir lange die Zeit, um euch den Rest der Geschichte zu erzählen.

Aber was soll ich sagen? Heute ist der Tag gekommen, an dem ich damit beginnen werde.

ACHTUNG: Jacobs Erzählung geht nach Kapitel 33/1 weiter - also nachdem er und Jess den Cullens einen Besuch abgestattet haben. Schaut also gerne noch einmal dort und in den vorherigen Kapiteln vorbei, falls ihr euch nicht mehr so genau erinnern könnt.

Lg, GriffKillsMe

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Was bisher geschah...
Als Alice Cullen eine nie zuvor dagewesene, schmerzhafte Vision ereilt, gerät das friedliche Leben ihrer Familie aus den Fugen. Es scheint den folgenden Besuch anzukündigen und damit auch das Ende des Jahre währenden Vertrags mit den Quileuten. Jacob Black lässt nicht nur seine Prägung Renesmee Cullen hinter sich, sondern offenbart auch eine weitere Schwester - Jessica Lesotho. Diese ist nicht weniger als eine ehemalige Weggefährtin Jasper Whitlocks, der mit ihr Seite an Seite in der Neugeborenenarmee kämpfte. Als Hybrid aus Vampir und Werwolf besitzt sie die Fähigkeit, die Gaben anderer Vampire für sich zu übernehmen. Bemühungen der Cullens, das Vertrauen der Wölfe wiederzugewinnen, führen nur zu weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen und neuem Misstrauen. Wie wir von den Denalis erfuhren, hatte es Aro einst auf die Zwillinge abgesehen – Jessica und ihre Schwester Jennifer -, doch auch Jasper zeigte ein fast beängstigendes Verlangen: nach Rache. Als ihr Schöpfer wollte er sich das Recht herausnehmen, ihr Leben auch wieder zu beenden, nachdem sie seines zerstörte. Während in Bella die Vermutung wächst, dass Jessica weniger Schuld zuzuschreiben ist, als ihr zur Last gelegt wird, wollen die Cullens eine Versammlung mit den Wölfen einberufen. Um Jacob zu warnen und auch um sein weiteres Vorgehen zu kennen, sucht Bella ihn auf. Beide entschließen sich, gemeinsam gegen die aufkommende Feinseligkeit und Jaspers geplantes Komplott vorzugehen. Mit Renesmee flüchtet sich Bella zu ihrem Vater Charlie Swan, wo sie weitere Hilfe erwartet: Alice glaubt eine Lösung des Konfliktes und zugleich dessen Ursache zu kennen. Einige mächtige Vampire haben bei dieser Sache ihre Finger im Spiel.

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Drittes Buch – Jacob

Freud und Leid reichen einander die Hand – manche Tage sind schwarz und voller Trübsal und sie können kommen, wenn man es am wenigsten erwartet.

Von: Astrid Lindgren



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VORWORT

Es gab Momente im Leben, in denen man Dinge tat, von denen man nie dachte, sie je zu tun.
Aus dem einfachen Grund, dass man sich selbst für jemand anderen hielt, als man war.
Wenn du allein bist, dem eigenen Spiegelbild gegenüberstehst, dann gibst du dich wie du bist.
Du kannst frei sein.
Aber wer bist du, wenn du mit anderen zusammen bist?
Und wie kannst du mit den fremden Entscheidungen leben, die du unter diesen Umständen triffst?

Diese Fragen stellte ich mir früher oft, doch jetzt spielten sie kaum noch eine Rolle.
Ich hatte einen mir unbekannten Weg gefunden, genauso zu sein wie ich es war.
Etwas, das mir damals wie ein Wunder vorgekommen wäre.
Etwas, das ich so nicht erwartet hätte.
Natürlich nicht.

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46. Und da war es wieder, dieses Gefühl – TEIL 1

Ich hatte sie mindestens seit einer geschlagenen Stunde betrachtet. War einfach nur damit beschäftigt, von ihrem Gesicht, von diesen hellen Augen aus entlang ihrer Arme weiter nach unten zu schweifen, über makellose Haut. Nichts hätte darauf hindeuten können, dass sie gerade eben einen Kampf ausgetragen hatte. Dass man sie attackiert, beleidigt und zweifellos ganz und gar unterschätzt hatte. Sie machte nicht einmal annähernd den Anschein, als wäre sie außer sich oder müsse sich erst einmal davon erholen – weder körperlich, noch seelisch. Wie selbstverständlich hatte sie Edward, als den schnellsten Vampir, den ich kannte, aus seinen sowieso komplett überteuerten Designerschuhen befördert und dabei dafür gesorgt, dass er sich demnächst eine neue Hauswand besorgen musste. Und danach war sie seelenruhig, ohne jeden Kratzer, ohne auch nur ein klein wenig aufgewühlt zu sein, zurück an meine Seite gekommen. Hatte mir beim Aufstehen und Gehen geholfen und mich zurück nach Hause begleitet, ohne mich auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Nicht, dass ich es nötig hatte, mit Samthandschuhen angefasst zu werden. Aber all das...beeindruckte mich. Ziemlich.
Mit weichen Händen und Fingern, vorsichtig und geschickt zugleich, ertastete sie das Ausmaß der Verletzungen meines Armes. Das war für mich übler ausgegangen, als geplant. Aber zugegebenermaßen hatte ich jeden einzelnen dieser unzähligen Knochenbrüche verdient – allein schon wegen Renesmee. Renesmee... Ich konnte den Gedanken an sie nicht aus meinem Kopf aussperren, aber im Moment wollte ich nichts lieber als das. Was immer mich die letzten Wochen mit ihr beschäftigt hatte, war plötzlich herausgebrochen. Planlos, aber zielsicher...und wie. Wie hart es sie getroffen hatte, blieb abzuwarten. Ich rechnete mit vielem.
„Du heilst sehr schnell. Nur können wir das gerade nicht so gut gebrauchen.", sagte Jess leise, fast wie zu sich selbst. Sogar ihre Stimme war samten und trug etwas in sich, das man Sorge hätte nennen können. Um mich musste man sich jedoch sicher nicht sorgen; wie jede Verletzung würde auch diese hier bald vorüber gehen. Der wesentliche Vorteil daran, ein Wolf zu sein.
„Wie sieht es aus?", fragte ich, und wie zur Antwort drückte sie etwas zu fest an einer Stelle, die sich anfühlte, als wäre vom Knochen praktisch nichts mehr übrig. Mich durchfuhr ein Schmerz, der daran erinnerte wie es war, sich alle Knochen einer Körperhälfte zu brechen. Unter mein Stöhnen mischte sich ihre Reaktion: „Schlimmer als gedacht." Wenn sie wollte, konnte Jess Zucker und Salz zugleich sein. Zu beschreiben, wie das schmeckte, erwies sich als unmöglich.
„Einige Teile sind bereits zusammengewachsen, nur nicht so, wie sie sollten. Ich werde sie dir wieder brechen müssen."
Sie sagte das, als wäre es reine Formalität. Und eine Aufgabe, für die sie wie geschaffen war. Als ihre Hände meine Schulter und den Halsbereich erreichten, wurde mir bewusst, wie warm sie war. Ungewöhnlich warm, für ihre Verhältnisse. Meine Nackenhaare stellten sich auf.
„Ich schätze, das habe ich verdient.", murmelte ich, und beobachtete abwesend, wie sich Strähnen ihrer Haare hin und her bewegten. Sie waren so pechschwarz, dass es eine Beleidigung wäre, sie einfach nur als schwarz zu bezeichnen. Und im Vergleich zu Jennys waren sie perfekt gerade und glatt.
Jess brachte mich zurück ins Diesseits, indem sie mein Kinn packte und mich zwang, sie anzusehen: „Und ich schätze, das hätte verhindert werden können, wenn du nicht so töricht an diese Sache herangegangen wärst! Hättest du dich verwandelt, wäre es sicher anders ausgegangen." Der Strenge in ihrem Blick konnte ich mich kaum entziehen.
„Du hast keinen Grund, wütend zu sein. Es war meine Entscheidung, ihm diese Genugtuung zu geben."
Als sie hörte, wie gleichgültig ich das beurteilte, befeuerte es sie nur umso mehr: „Ich glaube nicht, dass du vorhattest, dich von ihm kurz und klein schlagen zu lassen! Oder sagen wir, ich will es nicht glauben. So oder so macht es mich wütend genug, deiner und seiner Dummheit wegen." Sie ließ mich los und fuhr fort.
Ich hatte unterschätzt, wie ernst es ihr war. Aber weswegen? Es war nichts passiert.
„Er hat seine Retourkutsche bekommen, würde ich sagen. Und darüber kann sich wohl keiner von uns beschweren."
Ihre Hände schienen eine geeignete Stelle für einen weiteren Bruch gefunden zu haben, und mit unverhohlener Genugtuung drückte sie zu. Es war nicht schmerzhaft genug, um zu schreien, aber ein Pappenstiel war es auch nicht. Ich krümmte mich, doch sie drückte mich zurück in die Kissen meines Bettes: „Halt still." Sie nagelte mich mit ihren Augen und Fingern fest, und fuhr ohne Pause mit der Tortour fort. Ein Knochen nach dem anderen musste ihr weichen, und jedes Mal erschien mir das Stechen und Drücken schmerzlicher. Ganz unterdrücken konnte ich da meine Schmerzenslaute bald auch nicht mehr.
„Ich musste mich ihnen offenbaren, und das war nicht gerade klug. Und du hättest weitaus mehr eingesteckt, wenn er nicht mit Freuden deine Qual in die Länge hätte ziehen wollen.", erklärte sie, nachdem sie scheinbar fertig war, und mir die Schweißperlen auf der Stirn standen. Es war doch eigentlich nur ein Arm, verdammt nochmal...
„Für dich in die Presche zu springen ist eine Sache. Ich werde immer an deiner Seite stehen und dich verteidigen, Jacob. Daran solltest du keine Sekunde zweifeln.", sagte sie dann und sah mich so durchdringend an, dass ich glaubte, man hielte mir einen Laserpointer direkt vors Gesicht: „Aber mich bloßzustellen, weil du der Meinung bist, du müsstest dich für deine Handlungen bestrafen lassen – ich hätte einfach mehr erwartet. Dass du dahinterstehst. Dass du dich verteidigst...was auch immer. Sie werden mich nun in einem Licht sehen, in dem man mich besser nicht betrachten sollte." Und mit der harschen Aufforderung, ich solle meinen Arm besser für die nächsten Stunden stillhalten, wenn ich keine weiteren Knochenbrüche erleiden wollte, ließ sie mich allein.

Daylight - Bis(s) zur letzten Sekunde [The Twilight Saga]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt