Kapitel 11-1

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11. Ich hasste diese Art von Situationen, bei denen unklar war, ob der Verstand gegen den eigenen Widerstand ankommen konnte... - TEIL 1


Was zuvor geschah...

Nach meinem zum Glück glimpflich verlaufenen Gespräch mit Sam traf ich zum ersten Mal auf Jess' Schwester Jennifer, die mir erzählte, dass sie nichts mehr ehrte als die Tatsache, dass die Ältesten sie als Mitglieder des Stammes akzeptierten, und versprach mir, dass bald alle Unsicherheiten bereinigt sein würden. Als Teil des Rudels sollte es keine Geheimnisse geben, allerdings verlangte sie von mir ein eigenes Rudel und einen starken Führer für Jess - Dinge, die ich weder allein entscheiden noch überhaupt verstehen konnte. Die Art, wie Jenny mit Jess sprach war so autoritär, bestimmend und niederträchtig, dass sich mein Eindruck der Schwestern immer mehr infrage stellte. Am selben Abend beim Lagerfeuer wurde mir dennoch bewusst, dass mir der Gedanke, Jess könnte Teil meines Rudels werden, gefiel. Es war schon spät, als ich realisierte, dass die Legende unseres Stammes ihr Ende fand, weswegen ich Jess, die ungewöhnlich müde schien, zu mir nach Hause geleitete.


Meine Lider waren rot, als würden sie brennen. Warme, kitzelnde Strahlen bedeckten alles, weckten mich aus dem tiefsten Schlaf, den ich seit langem hatte. Es war so schwer, die Augen zu öffnen, als würden Gewichte an ihnen hängen. Meine Kehle war trocken und meine Lippen verkrustet. Offenbar war es schon beinahe Mittag, denn normaler Weise wurde ich nie geblendet, wenn ich aufwachte. Gestern musste es wohl doch ziemlich spät geworden sein... Ein Gähnen unterdrückend entschied ich, dass es Zeit war, aufzustehen und versuchte, meinen Arm zu heben, aber es fiel mir nicht so leicht wie gedacht. Ich blinzelte verwirrt und bemerkte erst jetzt, was eigentlich passiert war. Ich erinnerte mich an gestern Nacht, dass ich Jess mit nach Hause genommen und in mein Bett gelegt hatte. Und genau hier lag auch ich, wie gewohnt, auf meiner Matratze, meine Decke über den Schultern. Und direkt vor mir, wenige Zentimeter entfernt, war Jess. Sie hatte mir den Rücken zugedreht und die Beine an den Körper gezogen, aber alles, was mich gerade interessierte, war etwas anderes. Ich starrte auf meine Hand, die auf ihrem Oberarm lag, während ich mir meines anderen Armes bewusst wurde. Dieser lag halb unter mir, aber auch halb unter Jess' Kopf und hatte augenscheinlich als Kissen gedieht. Der Grund, weshalb es so schwer war, aufzustehen. Würde ich ihn wegziehen, wachte sie mit Sicherheit auf und da ich nicht wusste, was sie davon hielt, dass ich neben ihr geschlafen hatte - denn so gut kannten wir uns nun wirklich nicht und abgesehen davon war sie mehr ein Freund der Distanz als der Nähe -, ließ ich es lieber sein. Ich wusste es nicht, glaubte aber, dass sie nicht sonderlich begeistert davon sein würde. Es musste also eine andere Strategie her, aber die gestaltete sich schwieriger als erwartet. Natürlich könnte ich einfach aufstehen und so tun, als hätte ich sie gerade eben aufwecken wollen. Aber wahrscheinlich hatte sie das hier bemerkt, bevor ich auch nur annähernd die stehende Position erreichte. Vielleicht wäre es allerdings auch besser, wenn ich einfach nur abwartete, bis sie aufwachte und selbst aufstand. Nachteil hierbei war jedoch eindeutig, dass ich so tun musste, als würde ich schlafen - und ich war nicht gerade gut darin, etwas vorzuspielen. Was war das schon wieder für eine verflixte Situation? Ich hatte in letzter Zeit entweder unfassbares Glück oder ebenso großes Pech.

Da es aber furchtbar bequem war und ich schnell merkte, wie beruhigend Jess' Schlaf auf mich wirkte, entschied ich mich für letztere meiner Ideen. Mit den Konsequenzen musste ich so oder so umgehen, doch fürs Erste gab ich mich damit zufrieden, ihrem Herzschlag zu lauschen. Es kam eher selten vor, dass ich ihr so nahe war und wahrscheinlich genoss ich es wohl deswegen so sehr, sie zu beobachten. Mir fiel auf, dass ihr Atemrhythmus außergewöhnlich langsam und ihr Puls ganz schwach war. Als wäre sie in eine Art Winterschlaf gefallen. Jedes Mal, wenn sich Jess' Brustkorb hob, stieß ihr Hinterkopf fast an meine Nase und ich verspürte das unmögliche Verlangen, diese in ihren Haaren zu vergraben. Aber ich konnte nichts mit dieser Tatsache anfangen.

Daylight - Bis(s) zur letzten Sekunde [The Twilight Saga]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt